17. Juli 1936
von wietekWer weiß heute noch, wofür dieses Datum steht? Hand aufs Herz: Aus den letzten drei Generationen wohl niemand mehr. Und aus der älteren Generation vielleicht eine Handvoll junggebliebener Alt-68er. In Spanien ist das vermutlich anders, aber wahrscheinlich auch nicht viel besser.
Dabei ist das eigentlich ein Tag, an dem – wie sich später herausstellte – Weltgeschichte geschrieben wurde: Am 17. Juli 1936 putschte in Marokko, das damals unter spanischer Herrschaft stand, das Militär gegen die republikanische Regierung Spaniens – eigentlich nichts Ungewöhnliches in dieser Zeit und schon gar nicht in Spanien. Schon am nächsten Tag übernahm General Francisco Franco Bahamonde (44 Jahre alt und schon seit 10 Jahren General) das Kommando über den Putsch, der nun auch auf das Mutterland übergriff. Am 21. Juli begann die – auch literarisch und medial berühmt, ja zur Legende gewordene – Belagerung des Alcázars von Toledo. Ende September avancierte Franco – er soll sich selbst ernannt haben – zum „Generalisimo“ der Junta und „El Caudillo“ (Führer) der nationalspanischen Regierung der eroberten Gebiete Spaniens. Schon im November erkannten das Deutsche Reich unter Hitler und Italien unter Mussolini seine Regierung als die einzig legale an – was jedoch nicht zu dem Trugschluss verleiten darf, dass die Putschisten eine nationalsozialistische oder faschistische Ideologie verfolgten, sie waren stramm konservativ.
Wie war das einstige Weltreich, von dem sein Kaiser Karl V. (*1500, †1558) einst sagen konnte, dass in ihm die Sonne niemals unterginge, und das sich mit England einmal die ganze Welt geteilt hatte, in eine so desolate Lage geraten?
Nun, seit der Französischen Revo- lution und den Napoleonischen Feldzügen war ganz Europa kein Ort der Beschaulichkeit mehr; politische, wirtschaftliche und soziale Konflikte waren an der Tagesordnung. Die stolzen Spanier mussten dazu den schrittweisen Verlust all ihrer Kolonien verkraften – die letzten bedeutenden verloren sie nach der Niederlage im Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898. In der Folge stürzte das Land in eine tiefe Identitätskrise und eine ganze Schriftstellergeneration, die „Generación del 98“, bekundete ihre Verzweiflung. Außerdem blieb – anders als in anderen Ländern – die katholische Kirche im „Land der Hl. Inquisition“ ein starker Machtfaktor. Nicht nur Regierungen kamen und gingen, auch Monarchie und Republik wechselten einander ab. Die Republikaner, gespalten in Sozialisten und Konservative, der Block der meist monarchistisch gesinnten Gutsbesitzer mit der Kirche im Hintergrund und das mehr traditionsbewusste als erfolgreiche Militär – alle Blöcke waren etwa gleich stark und gleich unzufrieden und das Militär putschte, wenn es nicht nach seinen Wünschen ging.
Nach Wahlen wurde am 14. April 1931 die „Zweite Republik“ ausgerufen und König Alfonso XIII. ging nach Paris ins Exil. In der Republik ging es deswegen jedoch nicht weniger turbulent zu als zu Zeiten der konstitutionellen Monarchie: Die Extremisten von links und rechts und die Separatisten prügelten im wahrsten Sinn des Wortes aufeinander ein, Arbeiter streikten – ein Bergarbeiteraufstand wurde 1934 von Franco niedergeschlagen: 3000 Tote. Kurzum, es herrschte Chaos. Und jetzt fühlte sich das in Spanisch-Marokko arg gebeutelte Militär berufen, Ordnung zu schaffen.
Mit dem 17. Juli 1936 begann ein drei Jahre andauernder und auf beiden Seiten grausamer Bürgerkrieg, an dem sich die Großmächte – sei es durch „Appeasement-Politik“ oder durch praktische, aber inoffizielle Unterstützung – heftig beteiligten und den man fast als „Vorspiel“ dessen bezeichnen kann, was in den Folgejahren noch kommen sollte.
In Deutschland und Italien wurde alles, was nur den Anschein hatte, politisch links zu sein, gejagt und vernichtet; jetzt begannen die Rechten auch in Spanien, mit den Linken „aufzuräumen“. Und die Mächtigen der Völker schwiegen oder lamentierten, ohne etwas zu unternehmen.
Die sozialkritischen und die kommunistischen Intellek- tuellen Europas schrien auf vor Wut. Aber auch die sogenannten einfachen Arbeiter solidarisierten sich. Es galt, den „Brüdern“ in Spanien bei ihrem Kampf zu helfen. Etwa 40.000 Kämpfer aus der ganzen Welt – aus Frankreich, Deutschland, Italien, aus der Tschechoslowakei, der Schweiz, aus Österreich, ja auch aus der USA, Kanada und sogar Israel – schlossen sich zu Internationalen Brigaden zusammen, darunter auch viele, teils weltberühmte Schriftsteller, Journalisten, Kolumnisten und Künstler, zum Beispiel Ernest Hemingway, George Orwell, Egon Erwin Kisch, Max Aub und André Malraux. (Eine Liste der beteiligten Schriftsteller und ihrer Werke mit Bezug zum Spanischen Bürgerkrieg finden Sie am Ende des Artikels.)
Stalin versorgte die Regierungstruppen mit etwa 400 Flugzeugen, spielte allerdings ein doppeltes Spiel, indem er in Spanien kämpfende missliebige Kominternleute vom NKWD liquidieren ließ.
Zur Unterstützung von Francos Putschisten schickte Mussolini 70.000 Mann, und Hitler benutzte die Gelegenheit für eine General- probe: Er entsandte die Legion Condor (etwa 80 Flugzeuge und 7000 Soldaten ohne Hoheitszei- chen), die Flächenbombardements „übte“ und mit Jagdflugzeugen in die Kämpfe eingriff. Berühmt-berüchtigt geworden ist die totale Zerstörung der baskischen Stadt Gernika (das erste Flächenbom- bardement der Weltgeschichte), die Pablo Picasso in seinem Monumentalgemälde Guernica (777 x 349 cm) festgehalten hat.
Am 28. März 1939 fiel Madrid, die republikanischen Truppen ergaben sich. Am 1. April erklärte Franco den Krieg für beendet.
Es gibt keine genauen Opferzahlen, doch es waren viele hunderttausend Menschen, die in diesem mit äußerster Brutalität geführten Bürgerkrieg ihr Leben ließen – und der doch nur ein schwaches Vorbeben dessen war, was die Welt in den Folgejahren erschüttern sollte.
Schriftsteller des Spanischen Bürgerkriegs
Einige Schriftsteller und Journalisten, die auf republikanischer Seite am Bürgerkrieg teilgenommen haben (in Klammern die von ihnen geschriebene Reportagen oder Werke mit Themenbezug):
Arturo Barea – Valor y miedo (nur span.), Hammer oder Amboss sein (auch Spanientrilogie; zunächst auf engl. erschienen, dann auch span.)
Jean-Richard Bloch – Spanien ’36
Ernest Hemingway – Tod am Nachmittag, Alter Mann an der Brücke, Wem die Stunde schlägt
Alfred Kantorowicz – Spanisches (Kriegs-)Tagebuch, Tschapaiew. Das Bataillon der 21 Nationen
Egon Erwin Kisch – Die drei Kühe, Soldaten am Meeresstrand
Arthur Koestler – Kriegsberichterstatter, Ein spanisches Testament
George Orwell – Mein Katalonien (im Original engl.: Homage to Catalonia)
Gustav Regler – Das große Beispiel (im Original engl.: The Great Crusade)
Anna Seghers – Das siebte Kreuz
Erich Weinert – Frontberichterstatter
Rafael Alberti (Lyrik), Max Aub, W. H. Auden, Willi Bredel, León Felipe (Lyrik), Miguel Hernandez (Lyrik), Antonio Machado (Lyrik), Ramón Sender, Stephen Spender, Simone Weil
Auswahl spanischer Schriftsteller auf der Seite der Nationalisten (Franco):
Augustín de Foxá, Manuel Machado (Lyrik, Bühnenstücke), Eduardo Marquina, José María Pemán, Dionisio Ridruejo, Luis Rosales, Luis Felipe Vivanco