Archiv für März 2007

Von der Höhe der Alpen (1)

28. März 2007

Und überhaupt, warum denn seine lieben Landsleute sich so gewaltig viel auf die Alpen einbildeten? »Sie haben sie ja doch nicht gemacht; hätten sie sie machen müssen, so wären sie wahrscheinlich etwas flacher ausgefallen.«

Carl Spitteler: Imago

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»Sylvie und Bruno«

27. März 2007

carroll_sylvie.jpgEin in mehrfacher Hinsicht merkwürdiges Buch: Es ist der umfangreichste Text von Lewis Carroll und wahrscheinlich auch einer seiner ungelesensten. Arno Schmidt hat das Buch sehr gelobt und an ihm seine These demonstriert, dass es sich bei Carroll um den »Kirchenvater aller modernen Literatur« handele, was nur eine knollige Ansicht mehr ist.

Für Arno Schmidt war das Buch wichtig, weil es ein Beipiel für das ist, was er ein »Längeres Gedankenspiel« nennt. Carroll konstruiert in »Sylvie und Bruno« einen Doppelroman, dessen beide Ebenen über den Ich-Erzähler miteinander verbunden sind: Auf der »Realitäts«-Ebene ist es eine Liebesgeschichte zwischen Arthur, einem jungen Freund des Ich-Erzählers, und Lady Muriel, die einander nach längeren Umständen endlich finden, dann wieder verlieren usw. usf. Ich will nicht zuviel verraten, wenn auch alles sehr vorhersehbar konstruiert ist. Spannend wird das Buch aber dadurch, dass der Erzähler regelmäßig in »irrliche« Zustände gerät, in denen er teils Beobachter, teils Mitspieler einer Elfenwelt ist, deren Protagonisten die Geschwister Sylvie und Bruno sind. Sylvie ist Brunos ältere Schwester, vielleicht 12 oder 13 Jahre alt, während Bruno noch ganz phantastisches Kind ist. Auf dieser zweiten Ebene herrschen ausgelassene Phantastik und Wortwitz, während die »Realität« des Romans zunehmend altbacken moralischer und bis an die Grenze des Erträglichen religiös durchtränkt wird. Weiterlesen »

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Ernst-Jandl-Preis für Paul Wühr

26. März 2007

Ich gebe sonst nicht viel um Literaturpreise, da sie nur selten etwas über die Qualität des oder der Ausgezeichneten aussagen; zu verzwickt sind dazu zumeist die gegenseitigen Interessen von Publicity, persönlichen Bekanntschaften und einander waschenden Händen.

Aber die Meldung, dass Paul Wühr den Ernst-Jandl-Preis erhalten hat, hat mich doch gefreut. Ich bin seit 1983, dem Jahr, in dem »Das falsche Buch« erschien, treuer Wühr-Leser und habe das Glück gehabt, auf einer Lesung Wührs in Tübingen eines der raren Exemplare von »Gegenmünchen« verlagsfrisch erwerben zu können!

Da Wühr auch vielen Literatur-Interessierten unbekannt sein dürfte, setze ich hier (leicht überarbeitet) ein kurzes Wühr-Portrait hin, das ich 1998 für die Newsgroup de.rec.buecher geschrieben habe:
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Intelligenz heute

21. März 2007

»Intelligenz ist verdächtig: Scharfsinn verblühter Reklamechefs. Der Asketenverein ›Zum häßlichen Schenkel‹ hat die platonische Idee erfunden. Das ›Ding an sich‹ ist heute ein Schuhputzmittel. Die Welt ist keß und voll Epilepsie.«

Hugo Ball: Tenderenda der Phantast

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In His Very Own Voice!

15. März 2007

Heute bei thalia.de gefunden:

homer_spricht.jpg

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Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurück

7. März 2007

wumbaba2.jpgAxel Hacke hat eine Fortsetzung seines kleinen »Handbuchs des Verhörens« geliefert: Nach dem Erscheinen von »Der weiße Neger Wumbaba« hat Hacke in Briefen und E-Mails und auf den Lesereisen mit dem Büchlein soviel neues Material bekommen, dass er gleich zwei Nachfolgebändchen liefern wird. Der erste – »Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurück« – ist soeben erschienen und als Abschluss der Trilogie ist »Das Vermächtnis des weißen Negers Wumbaba« geplant.

Auch diesmal versammelt Hacke wieder Fälle des Verhörens von Gedichten, Lied- und anderen Texten. Diesmal ist sogar ein hochliterarischer Fall dabei: Thomas Manns »Buddenbrooks« – aber ich wll nicht zuviel verraten. Nur soviel vielleicht noch: Hacke liefert auch eine »persönliche Hitparade deutschsprachiger Verhörsänger«, auf deren erstem Platz Herbert Grönemeyer – »The King of Wumbaba« – landet, unter anderem mit der schon klassisch zu nennenden Verhörzeile: »Sein Schamhaar liegt in meinem Bett …«!

Auch dieser Band wurde wieder kongenial von Michael Sowa in seiner typisch lakonischen und ironischen Art illustriert. Für Fans des weißen Negers Wumbaba ein absolutes Muss! Auch zum Verschenken an Leute mit Sinn für Sprachwitz nur zu empfehlen.

Axel Hacke & Michael Sowa: Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurück. Zweites Handbuch des Verhörens. München: Antje Kunstmann, 2007. 72 Seiten, Pappband, fadengeheftet. 8,90 €.

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Ein Urteil über Gibbon

7. März 2007

Der Historiker Edward Gibbon kommt bei Arno Schmidt vereinzelt vor; oft wird im Ton der Verehrung über ihn gesprochen, an einer Stelle wird er sogar »ein Großer Mann« genannt – ein Urteil, das Schmidt nicht leicht über die Lippen kam, sonst aber wenig besagen will. Eine Stelle über Gibbon aber hat mich immer besonders neugierig gemacht, denn sie zitiert ein witziges und zugespitztes Urteil über ihn, von dem ich immer gern gewußt hätte, von wem es wohl stammt:

»Du erinnersD Mich an so manichäerleye –« (W): »Erstlich an ein Urteil über GIBBON, das Ich jüngst las: ›he never gave credit for a good motive, when a base one could be found‹.

Zettel’s Traum, S. 1159

Bei der jetzigen Beschäftigung mit Gibbons »Verfall und Untergang« habe ich die Quelle zufällig entdeckt: Es handelt sich um den Artikel »Prostitution« aus der 11. Auflage der »Encyclopædia Britannica« (Bd. 22, S. 459), der von Arthur Shadwell, einem promovierten Mediziner und Mitglied der Epidemiological Society, verfasst wurde. Damals waren unfraglich noch die Epidemiologen und nicht die Soziologen die zuständigen Fachleute in Fragen der Prostitution.

Witzig wird die Fundstelle aber dadurch, dass die Figur Wilma, der Schmidt die oben zitierte Äußerung zuschreibt, offenbar kurz zuvor diesen Artikel gelesen haben muss und gleich im Anschluss an dieses Zitat zu einer großen Schimpftirade gegen eine Freundin ihrer Tochter ausholt, deren freizügiges Benehmen ihr ein Dorn im Auge ist, wahrscheinlich nicht nur aus Sorge um die Sittsamkeit ihrer Tochter, sondern auch weil ihr Mann Paul nicht unanfällig für die Reize der jungen Schönen zu sein scheint. Auch hier bildet – wie so oft bei Schmidt – die verdeckt bleibende Herkunft eines Zitats den Assoziations-Auslöser für den nachfolgenden Text. Das eigentliche Motiv bleibt im Verborgenen.

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Die eine Hälfte des Verfalls

6. März 2007

gibbon_print.jpgEs ist ein merkwürdiger Torso, den dtv im November 2003 mit seiner neuen, anspruchsvollen Übersetzung des Gibbon dem deutschen Publikum vorgelegt hat: Mit Michael Walter übersetzt einer der profiliertesten und besten Kenner des Englischen des 18. Jahrhunderts das bedeutende Geschichtswerk der vorromantischen Epoche neu und – lässt es zugleich bleiben. Edward Gibbons »Decline and Fall of the Roman Empire« ist im englischsprachigen Raum wahrscheinlich die bis heute meistgelesene umfangreiche geschichtliche Darstellung überhaupt. Das Buch sorgte aufgrund seines distanzierten Blicks auf das frühe Christentum im Römischen Reich gibbon_fall.jpgschon während seines Erscheinens europaweit für Aufregung, und die ersten Bände wurden bereits vor Abschluss des Gesamtwerks erstmals ins Deutsche übersetzt. Seitdem hat Gibbons monumentale Darstellung immer neue Auflagen sowohl des Gesamtwerks als auch diverser Ausgliederungen erlebt.

Der Text der neuen dtv-Ausgabe umfasst die ersten drei der insgesamt sechs Bände des Originals und endet mit dem Untergang des Weströmischen Reiches. Die nachfolgenden drei Bände, die die Geschichte Ostroms, sprich Byzanz’ bzw. Konstantinopels bis zur Eroberung der Stadt im Jahr 1453 enthalten, fehlen kommentarlos. Es findet sich weder eine herausgeberische Reflexion zu dieser Halbierung noch etwa die Ankündigung einer Fortsetzung oder Vervollständigung der vorgelegten Ausgabe. Weiterlesen »

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