Geschrieben am 16. Mai 2009 von für Bücher, Crimemag

Nick Brownlee: Mord in Mombasa

Spiel mit oder stirb

Afrika wird immer öfter zum Schauplatz von Kriminalliteratur. Kein Wunder, schaut man sich den Zustand des Kontinents an. Der Engländer Nick Brownlee hat das auch getan. Und zwar ganz exzellent und genau, wie unsere Afrika-Expertin Lena Blaudez findet …

Pünktlich zum „sunset“ servieren diensteifrige Geister den Drink in den Luxushotels am Strand von Mombasa. Von hohen Zäunen und Sicherheitsleuten bewacht bleiben die Urlauber unbelastet von den Realitäten des Landes. Gerne kommen weiße Möchtegern-Helden hierher zum Hochseefischen und verjubeln in ein paar Stunden mehr als Einheimische im Monat verdienen. Festgeschnallt auf dem „Kampfstuhl“ halten sie ihre Angel ins Meer und fühlen sich nach ein paar Bier wie Ernest Hemingway.

Bei Jake Moore, dem englischen Ex-Cop mit bitterer Vergangenheit und seinem Landsmann Harry, die Hochsee-Angeltouren an der kenianischen Ostküste anbieten, heißen solche Typen deshalb Ernies. Seit den Unruhen nach den Wahlen 2007 sind Ernies knapp geworden und der Laden der beiden steht kurz vor dem Ruin. Und dann schulden sie den „Arabern“ auch noch 17.000 $ für Diesel, ein Kleinkrimineller verschwindet, ein Sportangelboot explodiert und eine fachgerecht ausgenommene Leiche wird an Land gespült.

Geld, Gier und globale Verbrechen

Rasant geht es mitten hinein in die Lebenswelt eines bitterarmen und durch und durch korrupten Landes, in dem sich nicht nur Polizisten auf jede – und zwar wirklich jede – erdenkliche Art etwas dazu verdienen. Normalität eben. Eine Leiche bleibt da auch schon mal ein paar Tage auf dem Highway liegen.

Wertungsfrei erzählt Nick Brownlee, der Engländer ohne kolonialen Blick, in Mord in Mombasa vom Leben im heutigen Kenia, von Fischern, Prostituierten und Gestrandeten aller Couleur und Nationalität. Selbstverständlich ist die Gewalt allgegenwärtig. Ein 20-jähriger brutaler Gangsterboss kontrolliert die Unterwelt, jugendliche Banden morden und bestechen, Kinder stehen auf dem Straßenstrich – das Leben ist schnell. Vor allem schnell vorbei.
Genauso schnell geraten wir mit Jake in den Bann eines internationalen Verbrecherringes, in dem die Regeln klarer nicht sein könnten: Wer nicht mitspielt, stirbt.

Ermittlerduo mit großem Potenzial

Daniel Jouma, Inspektor aus Mombasa, gehört einer überaus seltenen Spezies an: Er ist nicht korrupt. Bei seinen Ermittlungen greift er auf Jake Moore’s Hilfe zurück. Bald entwickelt sich zwischen ihnen eine Nähe, die auf ähnliche Prioritäten und Haltungen beruht. Die zwei Helden mit hohen Symphatiewerten geraten actionreich in die inneren Zirkel eines Verbrecher-Netzwerkes, das noch viel perfider ist als es anfangs schien. Und da war es auch schon schlimm genug.

Glaubwürdige Figuren, Armut und Skrupellosigkeit, gnadenlose Gewalt, Faszination der Natur, eine kluge und schöne Frau mitten im Getümmel, eine verlotterte Krokodilfarm im Dschungel – Mord in Mombasa ist mit seiner spannenden und vielschichtigen Handlung erstklassige Unterhaltung und bietet gleichzeitig einen gnadenlos harten Blick auf die Ursachen der Verhältnisse. Mit Sympathie und klarer Sicht schildert Brownee das Leben der Einheimischen und Eingewanderten, ebenso die verbrecherischen Verflechtungen der armen und reichen Länder – und warum sie notwendiger das eine oder das andere sein müssen.

Wir erfahren fast mehr aus dem multinationalen Schmelztigel Mombasa als uns lieb sein kann. Denn eins wird in diesem packenden Thriller lakonisch auf den Punkt gebracht: Verbrechen ist Normalität. In einem Land ohne Sicherheiten und Strukturen lässt sich aus einem gnadenlosen System nicht aussteigen, ohne Kopf und Kragen zu riskieren. Viel Geld bleibt trotzdem nicht hängen, denn das wandert naturgemäß ab in die reichen Länder. Unterhaltung, die Haltung zeigt. So soll es sein.

Lena Blaudez

Nick Brownlee: Mord in Mombasa (Bait, 2008). Roman.
Aus dem Englischen von Wibke Kuhn.
Müchen: Knaur Taschenbuch Verlag 2009. 395 Seiten. 8,95 Euro.