Geschrieben am 23. Juli 2018 von für Allgemein, Musikmag

Blitzbeats – Le Pop, Dirty Projectors, The Beat

lepop9Le Pop 9: Au Début

Die Franzosen können nicht nur Weltmeister, sondern auch prima Popmusik – und zwar auch abseits der staatlich verordneten Radioquote. Die inzwischen neunte Ausgabe der stets geschmackvoll zusammengestellten „Le Pop“-Reihe konzentriert sich dieses Mal auf Künstler*innen und Bands, die noch nie auf den Compilations aufgetaucht sind und/oder noch vor Veröffentlichung ihres Debütalbums stehen. Und, hourra, fast alle der sechzehn Songs sind echte Entdeckungen – am Stück gehört klingt das Album wie ein besonders liebenswertes Mixtape, das die französische Brieffreundin aufgenommen hat. Die nostalgische Referenz ist durchaus beabsichtigt: French Pop hegt ein starkes Faible für die achtziger Jahre, was sowohl im Formatradio, aber auch in den Indieproduktionen durchkommt. Legendäre Bands wie Indochine scheinen auch heutzutage – berechtigte – Vorbilder für junge Musiker*innen zu sein: Songs wie „Les Insatisfaits“ von der Pariser Band Hollydays oder das unwiderstehlich swingende „Canopée“ des Produzentenduos Polo & Pan verströmen leichtfüßiges, positives Eighties-Flair mit Ohrwurmcharakter, die junge Sängerin Pomme aus Lyon steuert mit „De là-haut“ einen wahren Teenage-Schmacht-Foxtrott bei. Aber nicht alle „Debutanten“ schwelgen in vergangenen Jahrzehnten: Georges-Moustaki-Preisträgerin Laurie Darmont gibt mit dem Track „Rupture“ eine beeindruckende Kostprobe ihres Rap-Talents; Ezéchiel Pailhés kooperiert hin und wieder mit dem Duo Noze, deren Einfluss sich in seinem dezenten Disco-Stück „Éternel été“ niederschlägt. Aber ob Elektropop, Rap, Disco oder House: Les jeunes de France sind sowohl Erb*innen und Weiterentwickler*innen des Chansons – man vertraut darauf, etwas zu sagen zu haben, eine Geschichte erzählen zu können und diese Geschichten in elegante Sound-Couture zu kleiden. Die typisch französische Mischung aus Traditions- und Modebewusstsein (man verzeihe mir die Klischees) macht French Pop so einzigartig – auch die sechzehn Debuts auf Le Pop 9.

Christina Mohr

Le Pop 9: Au Début (Le Pop Musik / Groove Attack)
www.lepop.de

Video
Laurie Darmon: Rupture

dirtyprojectors_lamplitproseDirty Projectors: Lamp Lit Prose

Ja, man hat es schon gehört: „Lamp Lit Prose“ ist das erste Feelgood-Album von Dirty-Projectors-Mastermind David Longstreth. Im vorherigen, einfach „Dirty Projectors“ betitelten Album ging es um die Trennung von seiner Kollegin Amber Coffman, die ihn zu wunderbar verspulten Songs inspirierte. Jetzt ist alles anders, halt mit positiven Vorzeichen. Glücklicherweise hält ihn die gute Laune nicht davon ab, im Songwriting mal wieder die höchsten Höhen zu erreichen. Ich möchte mal den Radio-Eins-Musikexperten Professor Fladt hören, wie er Bachfugen und irgendwelche Harmonieverschiebungen aus dem Barock bei Longstreth freilegt, denn ich bin sicher, sie sind da, irgendwo. Dabei ist das alles ganz weltlich und sowas von HIER. Spätestens beim Funk von „Break-Thru“ kann man nicht mehr an sich halten und möchte am liebsten sofort anfangen zu tanzen. Zu weiten Teilen klingt „Lamp Lit Prose“, als wäre es unter der Ägide des frühen Prince entstanden. Viele Bläser, viel Funk, Energie zum Bersten (siehe „I Feel Energy“). Alter, man braucht doch wirklich kein Master-Degree, um an diesen Songs – die noch jede Idee, die grade im Hirn so aufpoppt, verwerten – Spaß zu haben!

Tina Manske

Dirty Projectors: Lamp Lit Prose (Domino).

a_beatThe Beat Starring Dave Wakeling: Here We Go Love

Mit Singlehits wie “Mirror in the Bathroom” oder “Ranking Full Stop” gehörte die aus Birmingham stammende Band The Beat (oder, wie sie in den USA genannt wurde, The English Beat) zu den wichtigsten Vertretern des Ska-Revivals in den späten Siebzigern. Wie The Specials bestanden The Beat aus schwarzen und weißen Mitgliedern, was sie zur würdigen und politisch expliziten 2-Tone-Band machte. Als sich The Beat 1983 auflösten, entstanden aus den Splittern viele neue Bands wie zum Beispiel The Fine Young Cannibals oder The International Beat, nicht zu vergessen die zahlreichen gemeinsamen und Soloprojekte der Hauptsänger Ranking Roger und Dave Wakeling. Beide treten heute wieder mit The Beat auf, jeweils versehen mit dem Zusatz “starring Dave Wakeling” oder “starring Ranking Roger” – ein bisschen verwirrend, zugegeben. Die Beat-Inkarnation mit Dave Wakeling hat gerade ein neues Album draußen, “Here We Go Love” heißt es und unterstreicht auch im Jahre 2018, dass The Beat mehr als eine reine Ska-Band waren und sind. Ska-Elemente wie der typische Off-Beat sind in einigen Songs deutlich zu hören – zum Beispiel im Titeltrack, der Single “How Can You Stand There?” oder in “Dem Call it Ska” -, aber ebenso Rock’n’Roll, Reggae, Pop und Punk. Wakelings charakteristisch heiserer Gesang klingt wie einst im Mai, und ebenfalls ungebrochen, vielleicht sogar noch stärker als früher ist Wakelings politisches Bewusstsein, das in kritischen Stücken wie “Redemption Time” und “If Killing Worked” zum Ausdruck kommt. Die Band um Wakeling agiert energiegeladen und lebendig, Gastmusiker wie Roddy Byers, der auch mal bei den Specials spielte, sorgen für Akzente – ein gelungenes Comebackalbum für Dave Wakeling und “seine” The Beat, dem man höchstens vorwerfen kann, dass manchen Songs kein knackiges Ende vergönnt ist, sondern ratloses Ausfaden. Aber Ska war ja schon immer für die Live-Bühnen gedacht, zum Tanzen und Mit-Skanken – und dafür ist “Here We Go Love” bestens geeignet.

Christina Mohr

The Beat Starring Dave Wakeling: Here We Go Love (absolute: / Sony)
www.davewakeling.com

Video “How Can You Stand There?”