Geschrieben am 15. August 2018 von für Crimemag, CrimeMag August 2018

Markus Pohlmeyer: „Da, ein Ufo!“ – Medienkritik in Entenhausen

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Das Lustige Taschenbuch 507[1] mit dem (rückschauend betrachtet illusorischen) Thema „Auf zum Titel!“ – wir sehen Donald auf dem Einband, schwungvoll, dynamisch, mit Leidenschaft, im Tor und in einem deutschlandfarbenen Trikot den gegnerisch Ball abwehren – dieses Taschenbuch bietet eine phantastische Geschichte, die in Kürze einiges über Postmoderne und Medien zu sagen weiß: „Eine Frage des Alters“[2]. Wie wunderbar und wunderbar irritierend auch das Theoriegedöns der Postmoderne sein kann, ich mag einfach ihre performativ-popkulturellen Epiphanien!

Nennen wir es ein Wirtschaftsdrama: Nicht Onkel Dagobert und auch nicht sein Erzrivale Klaas Klever erhalten den Geschäftsmann des Jahres-Preis, sondern Gitta Gans (Wichtig: Gitta ist unsterblich in Dagobert verliebt, der vor ihr jedoch und ihren bzw. seinen Gefühlen ständig auf der Flucht ist.), und zwar wegen ihrer „App: ‚Fang den VIP‘“[3]. Und kurz später rollt schon eine Fanwelle auf den ahnungslosen Brad Fitt zu.[4] Gitta wird von Gundbert Schlauch interviewt – und auf die Frage nach ihrem Alter schreit sie: „Da! Argh! Ein Ufo!“ Gundbert: „W-wo?“ [5] Gitta hat sich schon längst unter dem Tisch versteckt.

taWas jetzt kommt, nennen wir es eine Predator-Beute-Geschichte: Reporter samt Kamera versuchen, Gittas Alter herauszufinden. Sie versteckt sich z.B. bei Daisy vor dieser medialen Hexenjagd. Onkel Primus, zerstreuter Professor, der er ist, versucht, das Ganze (irgendwie quasi)wissenschaftlich zu analysieren, und scheitert. Mittlerweile verfolgen Zuschauer im Netz die flüchtende Gitta. Sie kommt bei ihrer unheimlichen (ehemaligen) Lehrerin unter: „Hihi! Da wäre noch …“ „… die Matheaufgabe Nummer 4 auf Seite 13 nachzuholen.“ „Übrigens fehlt noch immer deine letzte Krankmeldung.“[6] Gitta lässt die Schuljahrbücher verschwinden, organisiert eine Klassenfahrt und sucht verzweifelt am Ende Zuflucht vor Dagoberts Speicher.

Was jetzt folgt, nennen wir es einen Actionhammer: bedrängt vom Reporterteam – wir sehen ein süchtiges Publikum mitfiebern und sich an die Bildschirm klammern –, kann Gitta nur noch nach Dagoberts Hilfe schreien. Nächstes Bild: Gundel, die Hexe, immer auf der Jagd nach Dagoberts Glückszehner, dem er seinen Reichtum verdanke, düst mit ihrem Besen aus dem Geldspeicher – mit dem Objekt ihrer verzweifelten Begierde. Dagobert jammert theatralisch; der Reporter: „Die Sensation des Jahrhunderts!“[7] Medien und Publikum sind abgelenkt, als der Multimegamilliardär mit seinem vorsintflutlichen Doppeldecker Gundel hinterherdonnert.[8] Gitta ahnt etwas. Gundel und Dagobert hatten nämlich so ihren Spaß: nichts als ein Fake. Sie lachen sich kaputt, ach, diese beiden Todfeinde. Die Hexe ist gnadenlos analytisch in ihrer Intuition: „Wenn du alles für sie tust, heißt das ja …“ Dagobert: „Ähm … ich muss los!“ Er solle es zugeben! „Da! Ein Ufo![9] Ende.

Nennen wir es eine Liebesgeschichte mit einem leichten Touch von Akte X. Indem Dagobert, der Gitta wie ein Echo fast wörtlich zitiert, nutzt er ihre Ablenkungsstrategie – reiht sich aber damit in ihren Text ein, um etwas zu verbergen, vielleicht seine Gefühle für sie?[10] Es scheint außerdem bis heute nicht geklärt, was zwischen Dagobert (Reichtum + säkularisierte Arbeitsethik) und Gundel (fehlender Reichtum + Magie) eigentlich läuft, ob sie doch mehr sind als nur Gegner …, kompliziert. Kurz gefasst: „‘Liebe‘ könnte man fast sagen, ist nichts für Weicheier allerlei Geschlechts.“[11]

Gitta wird Opfer ihrer eigenen App. Medienhysterie entsteht, baut sich auf, nur um dann durch eine Steigerung in eine neue Bahn gelenkt zu werden. Der erste Auslöser war banal, der zweite ein Fake. Das Publikum leidet jedesmal mit und fällt jedesmal darauf hinein. Diese beliebige Serialität bedeutet ständige Selbstauslöschung des Post-Faktischen durch Post-Post-Faktisches ad infinitum – im Grunde banal, aber irgendwie auch hochgefährlich. Eine Strategie, damit umzugehen, zeigen der Superkapitalist und die Superhexe: herzlich darüber lachen; und das bedeutet letztlich nichts anderes als Entzauberung der Medien – vielleicht durch Liebe und Ufos.

Markus Pohlmeyer lehrt an der Europa-Universität Flensburg

[1] „Auf zum Titel“. Lustiges Taschenbuch (LTB) 507, Berlin 2018.
[2] LTB 507, 93-116.
[3] LTB 507, 95.
[4] Vgl. dazu LTB 507, 96.
[5] LTB 507, 99.
[6] Beide Zitate LTB 507, 109.
[7] LTB 507, 114.
[8] Vgl. dazu LTB 507, 113-115.
[9] Zitate von LTB 507, 116. Zu Ufos vgl. auch: U. Harendarski: Widerstreit ist zwecklos: Eine semiotische Untersuchung zum Diskurs „Entführt von Außerirdischen“, Tübingen 2003.
[10] Dagobert zwischen Kontrollverlust und Totalökonomisierung: vgl. dazu E. Illouz: Warum Liebe weh tut. Eine soziologische Erklärung, übers. v. M. Adrian, 4. Aufl., Berlin 2017.
[11] T. Wörtche: Penser Polar, Hamburg 2015, 107.

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