Geschrieben am 1. Dezember 2019 von für Crimemag, CrimeMag Dezember 2019

Hanspeter Eggenberger: 2 x North BritNoir

Brüder im Geiste

Hanspeter Eggenberger über »Smiling Man« von Joseph Knox und »Tod im Februar« von Alan Parks. Zweimal Noir aus dem Norden Großbritanniens. 

Zwillinge sind sie zwar nicht, aber zumindest Brüder im Geiste: Joseph Knox und Alan Parks, zwei neue Namen, die mit ihren je zwei ersten Büchern die britische Kriminalliteratur als starke Noir-Stimmen bereichern. Knox, der aus den Midlands stammt, ist Anfang dreißig, war Buchhändler. Der Schotte Parks ist bereits 56-jährig, er war in London in der Musikindustrie tätig. Sie mögen zwar eine unterschiedliche Geschichte haben, in den Geschichten, die sie schreiben, gibt es aber überraschend viele Parallelen. Das fängt schon damit an, dass beide an einer Serie schreiben, in der ein junger Detective in einer nordbritischen Stadt – im nordenglischen Manchester bei Knox, im schottischen Glasgow bei Parks – die Hauptfigur ist. Von beiden ist in den letzten Wochen der zweite Band ihrer Serie auf Deutsch erschienen: Smiling Man von Knox, Tod im Februar von Parks. Von Knox ist in England inzwischen bereits der dritte Band erschienen, und auch die Serie von Parks geht weiter (sie ist auf zwölf Bände angelegt). Während die Romane von Knox in der aktuellen Zeit angesiedelt sind, spielen jene von Parks im Jahr 1973.

Dennoch haben die beiden Helden, die eigentlich eher Antihelden sind, überraschend viel gemeinsam. Das ist nicht nur ihr Job bei der Polizei und dass sie noch junge sind, sondern vor allem auch, dass beide eher zufällig auf dieser Seite des Gesetzes gelandet zu sein scheinen, es hätte bei beiden auch die andere Seite sein können. Und auf der anderen Seite bewegen sich beide auch immer wieder. Aidan Waits heißt der Mann in Manchester, Harry McCoy der in Glasgow. Waits schiebt einem miesen Rechtspopulisten, der junge Frauen erpresst, Kokain in dessen Reisegepäck nach Dubai, um ihn so längerfristig aus dem Verkehr zu ziehen. McCoy hat ein enges Verhältnis zu seinem Jugendfreund Stevie Cooper, der als Drogenhändler und Bordellbetreiber tätig ist und der weitere Anteile an Glasgows Unterweltaktivitäten an sich reißen will. Zudem nahmen (Waits) oder nehmen (McCoy) beide Drogen, und beide neigen dazu, etwas viel zu trinken. Beide haben zwar irgendwie ein gutes Herz für Underdogs, aber sie schrecken auch nicht vor Gewalt zurück. Und beide kommen dabei auch mal selbst ziemlich heftig unter die Räder.

Bei beiden Autoren spielt im zweiten Band die prekäre Kindheit und Jugend ihrer Protagonisten eine wichtige Nebenrolle. Waits wurde als Kind von einem Freund seiner Mutter als Türöffner und mehr für brutale Raubzüge benutzt, landete dann zuerst in einem Kinderheim, später bei einer Pflegefamilie. In »Smiling Man« taucht der Mann wieder auf und stellt Waits nach. McCoy ist in Kinderheimen aufgewachsen und dort sexuell missbraucht worden, und er erinnert sich noch an jeden Einzelnen, »die ganzen Wichser, die immer ins Heim gekommen sind. Sie hatten gelächelt, Süßigkeiten verschenkt und gefragt, ob man mit ihnen in ihren großen eleganten Wagen wahren wollte.«. Als er auf einen davon stösst, der in der Provinz ein hohes Tier bei der Polizei war, will er ihm zusammen mit seinem Freund Stevie eine Abreibung verpassen. Die läuft dann aber böse aus dem Ruder.

Die Vorgeschichten der beiden Hauptfiguren sind in beiden Romanen ein Nebenplot. Im Hauptplot geht es bei Knox um den Fund eines mysteriösen Toten mit einem Lächeln auf dem Gesicht in einem leerstehenden Grandhotel in Manchester, auf den Waits und sein Partner Suttcliff stossen. Die beiden schieben gemeinsam Nachtschicht. »Zwar galten Sutty und ich beide als schlechte Polizisten, aber jeder auf seine eigenen Weise. Man hatte uns als Strafmaßnahme zusammengespannt, und jeder von uns bemühte sich nach Kräften, dem anderen das Leben schwer zu machen. Mehr hatten wir nicht gemeinsam.« Im Fall der lächelnden Leiche geht es unter anderem um Identitätsdiebstahl. Bei Parks wird ein junger Fußballstar, der mit der Tochter eines des großen Gangster der Stadt liiert ist, ermordet aufgefunden. Es gibt weitere Morde, und McCoy kommt einem ziemlich üblen Komplott auf die Spur.

Gemeinsam ist beiden Büchern die düstere Art, in der die jeweiligen Städte geschildert werden. Und die Gewalt, die Härte. Im direkten Vergleich der zweiten Bände favorisiere ich Joseph Knox gegenüber Alan Parks leicht. Wo Parks teils zu etwas klischierten Darstellungen neigt und beim Spannungsaufbau sehr konventionelle Wege beschreitet, ist der jüngere Kollege Knox im Aufbau der Geschichte etwas eigenwilliger und stilistisch überzeugender. Lesenswert sind, jedenfalls für alle, die Krimis von der düsteren und harten Seite mögen, beide Autoren. Beide stehen noch am Anfang ihrer Karriere, und es wird interessant sein, ihre Entwicklung zu beobachten. 

Hanspeter Eggenberger

  • Joseph Knox: Smiling Man – Das Lächeln des Todes (The Smiling Man, 2018). Aus dem Englischen von Andrea O’Brien. Knaur, München 2019. 445 Seiten, 14,99 Euro.
  • Alan Parks: Tod im Februar (February’s Son, 2019). Aus dem Englischen von Conny Lösch. Heyne Hardcore/Wilhelm Heyne Verlag, München 2019. 432 Seiten, 16 Euro.

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