Geschrieben am 1. August 2020 von für Crimemag, CrimeMag August 2020

Alf Mayer: Sechs Bücher zur Konsumgeschichte

© Peter Menzel: Material World, 1995

Haben und Sein

Das Kaufen und das Haben, das Rauben und das Nehmen, das Begehren und das Stehlen, das alles liegt nahe beieinander. Ein Magazin wie das unsere, das den Spektralfarben der Kriminalliteratur bis an die Enden der Regenbögen nachforscht, muss sich auch mit dem Reiz des Materiellen, mit dem Konsum und dessen Kulturgeschichte beschäftigen. Dazu schweifen wir hier durch eine Handvoll Bücher. – Von Alf Mayer.

Der schottische Philosoph David Hume (1711 bis 1776) sprach dem Genuss von Luxusgütern sowie der Betrachtung von Kunst eine zivilisierende Funktion zu: „In einer Nation, in der es für solche Überflüssigkeiten keine Nachfrage gibt, versinken die Menschen in Trägheit, verlieren alle Lebensfreude und sind nutzlos für das Gemeinwesen.“ Er setzte „Gewerbe, Bildung und Menschlichkeit“ in den Dreiklang einer bürgerlich-kapitalistischen Zivilgesellschaft.

600 Jahre globale Konsumgeschichte 

Natürlich kommt er bei Frank Trentmann vor, dessen faszinierende Studie Herrschaft der Dinge auf 1100 Seiten Die Geschichte des Konsums vom 15. Jahrhundert bis heute untersucht. Er kommt dabei immer wieder zu überraschenden Einschätzungen. Etwa der, dass im Florenz des Jahres 1500 kaum eine größere Ungleichheit geherrscht hat als in den Vereinigten Staaten des Jahres 2000. Die gängige Vorstellung, dass die Konsumgesellschaften vornehmlich ein von den USA geprägtes Phänomen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind, weist er zurück, ebenso wie den damit verbundenen Glauben, dass es Massenkonsum nur unter bestimmten, marktliberalen Bedingungen geben könne. Trentmann zeichnet stattdessen – äußerst lesbar, spannend und anschaulich geschrieben – Konsum-Ausprägungen quer durch verschiedene Jahrhunderte, Kontinente und politische Systeme nach. Präindustrielle Konsumgesellschaften sind für ihn zum Beispiel Italien zur Zeit der Renaissance oder China während der Ming-Dynastie (1520-1644). Begehrte Güter wie Porzellan oder Seide wurden bereits damals auf Märkten angeboten und über Grenzen hinweg gehandelt, der Alltag kommerzialisiert. Der Handel mit exotischen Genussmitteln entwickelte sich im 16. Jahrhundert: „Tee aus China, Kaffee und Rohrzucker aus dem arabischen Raum sowie Tabak und Kakao aus der neuen Welt“ wurden zu begehrten Konsumgütern, zeigt Trentmann. Besonders in Großbritannien entwickelte sich im 17. und 18. Jahrhundert eine „dynamische, innovative Konsumkultur“, die von der Imperiums-Expansion ebenso vorangetrieben wurde wie durch die ideengeschichtlichen Schubkräfte der Philosophen der Schottischen Aufklärung, nämlich etwa David Hume und Adam Smith, dessen „Wohlstand der Nationen“ (1776) als kopernikanische Wende des ökonomischen Denkens gilt. Smith war der Ansicht, dass das Anhäufen von Besitztümern eine zivilisierende Wirkung auf Menschen habe, weil dadurch Konkurrenz- und Aggressionstriebe auf harmlose Tätigkeiten umgeleitet würden.

Trentmann, Professor für Geschichte am Birkbeck College der Universität London, erzählt die materielle Geschichte des Konsums nicht nur am Beispiel einzelner Güter und Handelsrouten, er hat auch Faible und Auge für die kulturelle und emotionale Dimension des Konsums. Er empfiehlt sogar, dass Ökonomen mehr Henry-James-Romane lesen sollten, um die psychologische Bindung der Menschen an Gegenstände besser verstehen zu können. Die Brüder Henry und William, die sehr ausführlich bei ihm vorkommen, hatten für ihn im Amerika der 1890er Jahre den „Finger am Puls der Konsumleidenschaft“ (S. 309). „Henry James etwa erkundete in seinem 1897 erschienenen Roman ‚Die Schätze von Poynton’ einfühlsam die Macht der Dinge, indem er die Sammelwut der Epoche zum Gegenstand nahm.“ Nach Trentmann Einschätzung legte Henry darin die Psyche des Konsumenten als Sammler bloß. Das Buch ersetze zwar nicht das „Kapital“, aber es erfasse die sich erweiternde Empfindungswelt der Zeitgenossen.

Die Moderne als Erlebnis

Diese sich verändernde Welt ist auch anschaulich Thema in Peter-Paul Bänzigers „Die Moderne als Erlebnis. Eine Geschichte der Konsum- und Arbeitsgesellschaft 1840–1940“. Der Baseler Historiker hat für seine Habilitationsschrift 110 diaristische Medien aus dem deutschsprachigen Raum sowie illustrierte Blätter wie die „Gartenlaube“ und die „Schweizer Familie“ ausgewertet. Sein Buch präsentiert eine Art Kollektivbiografie und verwebt exemplarische Tagebuchschreiberinnen und –schreiber mit Sekundärliteratur und weiteren Quellen. Kempowski, sozusagen annotiert und kommentiert, Tagebücher jenseits ihrer Verkaufsargumente („einzigartig begabt“ usw) in Zusammenhänge gestellt, die „kleinen“ historischen Akteurinnen und Akteure im Zentrum der Aufmerksamkeit. Wir treffen Hausmädchen und Müllergesellen, einen Margarinereisenden, Kaufmannslehrlinge, Schüler, Künstler, Drucker, Wandergesellen.

In den Jahrzehnten um 1900 erfuhr der Alltag großer Bevölkerungsteile tiefgreifende Veränderungen. Das betraf die Arbeit ebenso wie den Konsum. Peter-Paul Bänziger zeigt mittels der Selbstthematisierung in Tagebüchern und Briefen, wie die Menschen ihren Alltag wahrnahmen. Anders als in vielen Tagebüchern des 19. Jahrhunderts verlor die einst so viel gepriesene Arbeitsamkeit und Mäßigung an Bedeutung. Jetzt sollte das Leben vor allem Spaß machen und Abwechslung bringen, und zwar in der Freizeit genauso wie am Arbeitsplatz. Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen wollte man eine gute Zeit und viel Spaß haben, die Intensität des Moments stand im Mittelpunkt. Man suchte angenehme Unterhaltungen, keine wertvollen Kunstgenüsse. Heute nennt man das Erlebnisorientierung. Ab 1900 also etwa arrangierten sich Berufsleben und Freizeit neu. Spannende Studie.

Kleine Kulturgeschichte des Kaufens

Nun ein harter Zwischenschnitt. Und Wechsel von der akademisierten Betrachtung der Welt zum „Corporate Publishing“, also zur Auftragskunst. Beim Münchner Callwey Verlag, wo jährlich etwa 40 Novitäten in den Themen Architektur, Bauen, Design, Wohnen, Gartengestaltung und Kochen erscheinen, ist das Sache von Verlegerin Marcella Prior-Callwey persönlich. „Was könnte Informationen, Werte, Emotionen und Geschichten eines Unternehmens oder einer Marke schöner transportieren als ein Buch? Das Zusammenspiel von hochwertigem Storytelling, starken Bildern und haptischem Erlebnis einer gedruckten und gebundenen Publikation ist Content Marketing im besten Sinn. Als unabhängiges und inhabergeführtes Verlagshaus bieten wir die gesamte Bandbreite bedarfsgerechter und hochwertiger Content-Dienstleistungen in Form von Corporate Books bis hin zu ganzheitlichen Corporate Media Realisierungen“, heißt es auf der Internetseite des Verlags. Manolo Blahnik International Limited, Hornbach („Es gibt immer etwas zu tun“), die Uhrenmanufaktur A. Lange & Söhne, Sternekoch Tim Raue oder die Tantris Restaurant GmbH & Co. Betriebs-KG zum Beispiel haben bei Callwey schon Bücher produzieren lassen.

In unserem Zusammenhang hier interessant: der reich illustrierte Band „Kaufen. Eine kleine Kulturgeschichte des modernen Einzelhandels in Deutschland“. Der HDE Handelsverband Deutschland, 1919 als Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels unter anderem vom deutsch-jüdischen Hertie-Erfinder Oscar Tietz gegründet, spricht für rund 400.000 selbständige Unternehmen mit knapp drei Millionen Beschäftigten und jährlich über 420 Milliarden Euro Umsatz. Er ist das offizielle Sprachrohr des deutschen Einzelhandels gegenüber der Politik auf Bundes- und EU-Ebene, gegenüber den anderen Wirtschaftsbereichen, den Medien und der Öffentlichkeit. Amazon zum Trotz ist der Einzelhandel immer noch mittelständisch geprägt. 98 Prozent der Handelsunternehmen beschäftigen weniger als 50 Mitarbeiter und erzielen nicht mehr als zehn Millionen Euro Umsatz im Jahr. Unter den über 100.000 Mitgliedern befinden sich einige wenige, aber umsatzstarke Branchengrößen. 

Aus Anlass des 100-jährigen Bestehens gab es die Idee zu diesem Buch, die Geschichte des modernen Einzelhandels entlang der großen Entwicklungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur zu erzählen. Große kritische Tiefe darf man sich bei Corporate Publishing nicht unbedingt erwarten. Textbeispiel aus dem Blog zum Buch: „Der Konsum und das Kaufen sind unweigerlich tief mit der deutschen Geschichte verwurzelt und begleiteten dieses Land durch gute und schlechte Zeiten… Anstatt zur Ruhe zu kommen, befinden wir uns in einem ständigen Zustand des „Haben-Wollens” und, vor allem, „Haben-Könnens“. Dieser Zustand ist jedoch keineswegs nur Fluch. Er schafft Arbeit, führt zu einem wachsenden Haushaltseinkommen und treibt so die Wirtschaft voran. Denn: Von nichts kommt nichts. Nicht umsonst trugen schon so manche Kapitel in der Geschichte Deutschlands den Untertitel ‚Wirtschaftswunder‘.“

©PE­TER KLEN​ FO­TO­AR­CHIV RUHR-MU­SE­UM

Auf der Bildebene ein Gewinn

Die Texte der insgesamt 24 Autoren sind meist recht knapp gehalten. Das liest sich etwa als Auszug so: „Die Weimarer Republik beschert dem von Weltkrieg und Wirtschaftskrisen erschöpften Deutschland einen Modernisierungsschub. Die soziale Dynamik jener Jahre spiegelt sich nicht zuletzt in veränderten Konsummustern wider. Traditionelle Strukturen werden allmählich von neuen Vertriebsformen abgelöst; im Zuge von Verstädterung, Industrialisierung und Massenproduktion verändern sich auch die Ansprüche und Bedürfnisse der Kundschaft. Der tief greifende gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandle in Deutschland erfasst auch den Einzelhandel.” 
Oder: „Nach der Machtergreifung Hotels im Januar 1933 gerät auch der Einzelhandel unter die Kontrolle der nationalsozialistischen Diktatur. Jüdische Händler werden enteignet und vertrieben. Eine bis dahin moderne, selbstbewusste Branche bekommt vom Regime die Aufgabe zugewiesen, den unleugbaren Mangel einer Kriegswirtschaft zu verwalten. Aus Handel wird Notversorgung, die unter Kriegsbedingungen zusammenbricht. Am Ende bleiben nur Ruinen.” 

Der textlich vermutlich keinem Verbandsvertreter auf die Zehen tretende Band, heißt es in der Selbstdarstellung, „ist in enger Zusammenarbeit zwischen dem HDE als Herausgeber und der planet c GmbH entstanden. Der Spezialist für Corporate Content der Handelsblatt Media Group zeichnet für Idee, konzeptionelle Entwicklung und Umsetzung verantwortlich und kooperiert für Produktion und Vertrieb mit dem Callwey Verlag“. Auf der Bildebene hingegen ist der reich illustrierte, großformatige Band absolut ein Gewinn, von den prächtigen ersten großen Kaufpaläste, dem gewaltigen Fuhrpark der Meierei C. Bolle in Berlin, den Bildern vom Kaufen (und Boykottieren) unterm Hakenkreuz, der Litfasssäule als Medium, dem Beginn der Selbstbedienung und dem Abschied von der Ladentheke, dem ersten Einkaufszentrum auf der grünen Wiese (das Main-Taunus-Zentrum vor den Toren Frankfurts) zu Fußgängerzonen, Wiedervereinigung, Discountern, Barcodes und Onlinehandel. 

„Eine Manufaktur hat ein Produkt“

Aus dem gleichen Verlag, aber als sozusagen achtspänniges Prunkgefährt kommt auch „Das große Buch der Manufakturen“, herausgegeben vom Publizisten Olaf Salié und in Kooperation mit der Zeit Verlagsgruppe entstanden. Es ist ein Coffee-Table-Produkt vom Feinsten, Hardcover gebunden, Leinenoptik mit Prägung und einem exklusiv von Mario Lombardo entworfenem Cover, der auch für das Innenlayout zeichnet. Ein Handwerksbetrieb im Unterschied zu einer Manufaktur, definiert Herausgeber Olaf Salié im Vorwort, „hat kein Produkt, er erfüllt nur Kundenwünsche und produziert gewissermaßen ausschließich ‚customized‘. Das tun viele Manufakturen auch, aber im Kern haben sie Produkte, die erst gefertigt und dann verkauft werden.“ Die Konzeptbeschreibung: „Ob großformatige exklusive Reportage oder kompaktes Porträt: Im großen Buch der Manufakturen finden sich knapp 300 sorgfältig ausgesuchte Unternehmen wieder, die handgefertigte Produkte aus den Bereichen Möbel, Tischkultur, Körperpflege, Papeterie, Textilen und vielen weiteren Geschäftsfeldern anbieten. Das Buch gibt einzigartige Einblicke in die Produktion und Arbeitsweise der Manufakturen und bietet im Anhang ein ausführliches Register nach Postleitzahl und alphabetisch gegliedert. Für die großen Bildstrecken konnte der renommierte Fotograf Enno Kapitza gewonnen werden, der die Faszination des Handwerklichen in eine hochwertige Bildsprache übersetzt.“

Tatsächlich sind die Fotos von Enno Kapitza ein sehr gelungener ästhetischer Balanceakt zwischen Produkt-, Industrie-, Werbe- und Reportagefotografie. Sollte es einmal die Ultra-Deluxe-Ausgabe dieses Luxusbandes geben, wünsche ich mir mindestens zwei Doppelseiten je Manufaktur – denn nicht wenige Doppelseiten sind sogar geviertelt, auf denen dann vier Manufakturen vorgestellt werden. Besonders dicht gedrängt sind die Kapitel Tischkultur & Küche sowie Uhren, Schmuck & Brillen. Vermutlich war es ein harter Auswahlprozess (oder bezahlter Content-Raum?), der hier die Gewichtungen gesetzt hat. Das Buch jedenfalls gewinnt sehr durch die jeweils verhältnismäßig üppig präsentierten „Eröffnungs“-Unternehmen der jeweiligen Sektoren. Das Entree machen Möbel mit je sechs Seiten für Janua, Freifrau, Schramm, Kettnaker und Brühl. Im Gegensatz dazu hat Thonet eine, Hülsta nur eine halbe Seite. Bei den Uhren sind es sechs Seiten für Leinfelder aus München, Matthey aus Telgte ist es für Bücher & Schreibtischprodukte (Faber-Castell, die es vermutlich nicht notwendig haben, folgt mit  nur einer halben Seite). Burmester Audiosystem hat immerhin eine Doppelseite mit vier Fotos, schön auch Hartmann Tresore aus Paderborn, aber jedes hier genannte Beispiel wäre willkürlich. Fest steht, Fotograf Kapitza hat ein Auge für die Details von Handwerksarbeit. 

Bei den Lederwaren geben die sechs Seiten für die Manufaktur Arsgalea einen bildhaften Eindruck in das Handwerk. Als jemand, der selbst einmal (mit Fotograf) eine der besten Gürtel-Manufakturen Europas porträtieren konnte – Kreis im hessisches Obertshausen, aus welchen Gründen auch immer nicht in diesem Buch vertreten –, kann ich zumindest hier einschätzen, wie ein Manufakturporträt ausfallen könnte. (Siehe hierzu auch den CulturMag-Text zu der Schweizer Publikation „Handwerkstätten“.) Hinzugenommen wurden auch Alkoholica & Genussmittel (etwa die von mit sehr geschätzte Apfelzauberei von Jörg Geiger auf der Schwäbischen Alb) oder der Elephant Gin aus Mecklenburg-Vorpommern), Süßwaren und Delikatessen. Was hiermit abschließend das Prädikat „appetitlich“ für dieses Buch erlaubt.

Besitzbewusstsein zu schaffen

Nun ist an der Zeit ist, etwas zurückzutreten und sich all diese materielle Welt etwas zurückgelehnter zu betrachten. Die Designerin Silke Wawro, die an der Universität Dortmund am Institut für Kunst und Materielle Kultur zum Verhältnis von Mensch und Gebrauchsgegenstand forscht und lehrt, hat dazu einige ungewöhnliche Ideen. Wie lang wird der Strang, wenn Sie alle Ihre Kleidungsstücke aneinander knoten? Wie hoch wird der Stapel all ihrer Küchenutensilien und welche Muster könnten Sie kreieren, wenn Sie alle Ihre Teller zu Hilfe nehmen? 

Ihre Studierenden in Dortmund lädt Silke Wawro gerne zu Streifzügen durch die eigenen vier Wände ein, ihr Ziel dabei: Besitzbewusstsein zu schaffen.  Das gibt sie nun auch in einem Buch weiter. „Alles, was ich habe. Installationen und Inszenierungen zur Bestandsaufnahme des persönlichen Besitzes“ ist in dem für schöne Bücher bekannten Verlag Hermann Schmidt, Mainz, erschienen und ist alles andere als ein Aufräumratgeber. Im Gegenteil: Die eigenen Zimmer oder die ganze Wohnung, das eigene Bad und die Küche werden mit Silke Wawro zum Atelier der Möglichkeiten.

Die Dinge des täglichen Lebens bekommen eine neue Rolle, sie werden Bausteine von Kunstwerken. Wawros kreative Inszenierungen helfen die eigenen Dinge durch künstlerische Installationen und Funktionsentfremdung neu zu sehen und anders wahrzunehmen. 

Es ist sozusagen das Aktiv-Buch zu einem Bildband, der zu meinen Schätzen gehört: Peter Menzels „Material World: A Global Family Portrait“, 1995 aus Anlass des von der UNO ausgerufenen Internationalen Jahrs der Familie entstanden. 16 Fotografen reisten dafür in 30 Länder und verbrachten je eine Woche bei einer Familie, die dem statistischen Durchschnitt für das jeweilige Land entsprach. Zum Ende des Besuchs entstand jeweils ein Familienporträt VOR der Behausung der Familie. Das Besondere dabei: alle Besitztümer, wirklich alle, wurden dafür mit vor das Haus geschafft. Die Fotos zeigen die Menschen inmitten ihrer Besitztümer – mitten in ihrer „Material World“.

Wir alle erkennen uns darin wieder.

„Unsere materielle Geschichte ist nicht vergangen“, schreibt Frank Trentmann , „wir tragen sie mit uns herum, und sie wird aller Voraussicht nach unsere Zukunft beeinflussen.“ 

Alf Mayer

Peter-Paul Bänziger: Die Moderne als Erlebnis. Eine Geschichte der Konsum- und Arbeitsgesellschaft 1840–1940. Wallstein Verlag, Göttingen 2020. 452 Seiten, 17 Abb., 34,90 Euro.

HDE Handelsverband Deutschland (Hg.): Kaufen. Eine kleine Kulturgeschichte des modernen Einzelhandels in Deutschland. Callwey Verlag, München 2020. 200 Seiten, 69,95 Euro.

Olaf Salié: Das große Buch der Manufakturen. Callwey Verlag, München 2020. Leinen, 416 Seiten, ca. 300 Farbfotos, 49,95 Euro.

Silke Wawro: Alles, was ich habe. Installationen und Inszenierungen zur Bestandsaufnahme des persönlichen Besitzes. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2020. Format 15,5 x 22 cm, durchgehend 4/4farbig, Fadenheftung. 216 Seiten mit 100 farbigen Abbildungen, 25 Euro.

Peter Menzel: Material World: A Global Family Portrait. Sierra Club Books Publication. Counterpoint. 1995. 256 Seiten.

Frank Trentmann: Herrschaft der Dinge: Die Geschichte des Konsums vom 15. Jahrhundert bis heute (Empire of Things. How we became a world of consumers from the fifteenth century to the twenty-first, 2016). Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt und Stephan Gebauer-Lippert, DVA, München 2017; Hardcover mit Schutzumschlag, 1.104 Seiten, 15,0 x 22,7 cm, 72 farbige Abbildungen, 40 Euro. Broschiert bei Pantheon, 2018, 20 Euro.

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