Geschrieben am 1. Oktober 2020 von für Crimemag, CrimeMag Oktober 2020

Christian von Ditfurth: „Terrorland“

Terrorland von Christian Ditfurth

Das Böse lauert immer und explodiert überall

Seine ultimativen, hochexplosiven Polit-Thriller liefert Christian von Ditfurth nun schon seit einigen Jahren. Aber nach „Giftflut“ (2017), „Schattenmänner“(2018) und „Ultimatum“ (2019) stellte man sich auch die Frage, ob der Berliner Autor seine Plots um Entführungen, Attentate und Massaker überhaupt noch steigern kann: War das Blut- und Mord-Limit nicht bereits in „Ultimatum“ überschritten?  Sein neuer Thriller „Terrorland“ demonstriert, dass in diesen chaotischen Zeiten sich weder Terroristen noch Autokraten oder Geheimdienstler an irgendwelche Normen gebunden fühlen und das Bomben, Abschlachten und Entführen offenbar zum Alltagsgeschäft geworden ist. – Von Peter Münder   

Worauf können wir uns in diesen chaotischen, von Pandemie und Terror gebeutelten Zeiten, in denen sich obendrein noch ein halbirrer egomanischer Selbstdarsteller im Weißen Haus per Twitter alphabetisieren und weltweit maximale Verwirrung stiften will, überhaupt noch verlassen? Selbst Ditfurths abgeklärter Kommissar und Hegel-Kenner de Both dürfte ins Grübeln kommen, wenn er Hegels Doppelsatz „Alles Vernünftige ist wirklich und alles Wirkliche vernünftig“ anhand einer Analyse gesellschaftspolitischer Entwicklungen überprüfen sollte: Was ist heute noch vernünftig, was wirklich? 

Wenn in „Terrorland“ schon in der Anfangsszene ein Berliner Touristenbus vor der russischen Botschaft explodiert und 82 Menschen sterben, dann ist absehbar, dass der Experte für brutale Eskalations-Szenarios Christan von Ditfurth noch weitere grausame Blut- und Terror-Splatter-Impressionen liefern wird. Diesmal ist aber auch der sonst so souveräne Ermittler de Bodt ratlos: Die Opfer des Bus-Anschlags kamen aus ganz unterschiedlichen Ländern, auch Russen, Amerikaner und Franzosen gehörten dazu. Die zerfetzten Körperteile im Vorgarten der russischen Botschaft waren grausame Indizien eines Kollateralschadens, für den man nicht einmal wahnsinnige IS-Terroristen verantwortlich machen könnte.  

„Zu RAF-Zeiten wusste man wenigstens, ob man zur Zielgruppe der Terroristen gehörte oder nicht“, sinniert de Bodt, „ob Terrorismus oder Sozialroulette, die Angst kroch ins Leben.“ 

Als auf russische Diplomaten und Geheimagenten mehrere Attentate verübt werden, spekuliert de Bodt, ob es dabei vielleicht um einen russischen Maulwurf im Weißen Haus gehen könnte, dessen Existenz geheim gehalten werden soll. Mit Hilfe seines russischen Kollegen Merkow will er diese Spur ohne konkrete Indizien zu haben weiter verfolgen – was schwierig wird, weil Dump, der tumbe US-Präsident, zum Berlin-Besuch erwartet wird und der Beamten-Apparat auf diplomatische Verwicklungen allergisch reagiert. So ist de Bodt mal wieder auf seine eigenen Intuitionen, gründliche Hegel-Lektüre („Wissenschaft der Logik“) und auf seine bewährten Mitarbeiter angewiesen. Und die Kollegen vom BND sowie diverser anderer Sicherheits-Apparate versuchen, die Frage zu beantworten, ob der große Ermittler mit dem riesigen Zitat-Fundus nun ein Genie oder nur ein verrückter Angeber ist. 

Nicht nur der geniale de Bodt, auch der brillante, schlagfertige Yussuf und die zynisch-sarkastische Salinger vermitteln dem Leser zum Glück dann doch noch das Gefühl, wieder Beobachter eines eingespielten Teams zu sein,  auf das trotz aller Ambivalenzen und chaotischen Wirrungen Verlass ist. 

Doch bis zum großen Showdown  während des Staatsbesuchs von Dumpfbacke Dump in Berlin dreht Ditfurth dann aber noch  am großen, bisweilen ziemlich irritierenden  Rad und entfaltet ein explosives Finale, das an der Grenze zum Slapstick angesiedelt ist.

Sicher, die brisante Konstellation eines russischen Maulwurfs in Washington – oder war es ein für Moskau spionierender US-Politiker? – ist faszinierend. Aber „Terrorland“ fädelt dann doch- nach etlichen Massakern allzu lässig-ironisch die Schiene zum ziemlich bequemen Mainstream-Ausgang ein. 

Christian von Ditfurth: Terrorland. Ein De-Bodt-Thriller. Bertelsmann/ Penguin Random House, München 2020. 442 Seiten, Paperback, 15 Euro.

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