Die Volten des Schicksals
Mit „Der Name der Welt“ legt Denis Johnson, der zu den eigenwilligsten und exzentrischsten Stimmen der amerikanischen Gegenwartsliteratur zählt, einen überraschend ruhigen und feinfühligen Roman vor.
Nach dem Unfalltod seiner Frau und seiner Tochter ist Johnsons Ich-Erzähler Michael Reed in eine „anhaltende Lähmung“ verfallen und kreiselt um sich selbst und seinen schmerzhaften Verlust. Ohne Ambitionen erledigt er seinen Job als Assistenzprofessor für Geschichte in einer Stadt des Mittleren Westens der USA.
Dann lernt Michael Reed bei einem Essen mit Kollegen die junge Flower Carmen kennen und erlebt sie schon kurze Zeit später bei einer gewagten Kunst-Performance und als Stripperin in einer Bar. Er fühlt sich „wie von einer Kanonenkugel getroffen“, und Stück für Stück platzt sein Kokon aus betäubter Gleichgültigkeit. Magnetisch wird er aus seinen ewig gleichen Kreisbahnen gezogen und beginnt wieder den wilden und überraschenden Puls des Lebens zu spüren: „Alles geschah trotz seiner völligen Unmöglichkeit.“
Sämiger Erzählfluss
Denis Johnson treibt seinen neuen Roman, der eher einer Novelle gleicht, in einem ruhigen, sämigen Erzählfluss dahin. „Der Name der Welt“ ist nach den ebenso faszinierenden wie verstörenden Vorgängern „Fiskadoro“ und „Engel“ einer seiner am wenigsten exzentrischsten und am leichtesten zugänglichen Romane. Johnson, der uns wie David Lynch mit Bildern von großer Intensität immer wieder in die dunklen und gewalttätigen Abgründe der menschlichen Seele und Amerikas geführt hat, zeigt hier, dass er auch ein Meister der leisen und feinfühligen Töne ist. Mit wenigen Federstrichen verewigt er hier die oftmals so unmerklichen Momente des Lebens, „in denen wie bei einem Münzwurf das Schicksal seine größten Volten schlägt“.
Karsten Herrmann
Denis Johnson: Der Name der Welt. Aus dem Englischen von Tobias Überhoff. Rowohlt 2007. 150 Seiten. 19,90 Euro.