Geschrieben am 21. Februar 2004 von für Bücher, Litmag

Tristan Egolf: Monument für John Kaltenbrunner

Ein unwiderstehliches Inferno

Fiebernd-furios jagt Tristan Egolf seine Geschichte dahin, voller ungezügelter Energie, sarkastischem Humor und sprühendem Sprachwitz.

Tristan Egolf schreibt mit der unwiderstehlichen Wucht einer Dampfwalze: anarchisch, sinnlich, roh. Der 29jährige Debutant aus den USA hat mit in seinem „Monument für John Kaltenbrunner“ eine Geschichte in die Tasten gehämmert, die weit entfernt ist von standardisierten „Creative Writing“-Produkten und ihrem Marktkalkül. Hier hat ein ungeheuer kraftstrotzendes und eigenwilliges Leben seine Spuren eingebrannt, wie es Tristan Egolf geführt haben mag, nachdem er das College geschmissen, in einer Punkrockband gespielt und durch Europa getrampt ist.

Von einem Chronsiten wird in diesem „Monument“ das explosive Leben des John Kaltenbrunner erzählt, der als Halb-Waise in dem verkommenen Corn Belt-Kaff Baker aufwächst. Hier, wo „der Konsum von Alkohol in jeglicher Darreichungsform“ und das „tiefsitzende Credo von Neid, Mißtrauen und Verachtung für den Nächsten“ eine schäbige Verbindung eingehen und Dantes Hölle als gemütlichen Ort erscheinen lassen, ist er von vornherein der Außenseiter: gehänselt, gequält und gedemütigt. Doch unbeeindruckt hiervon hat John Kaltenbrunner schon im Alter von zehn Jahren den elterlichen Hof auf Vordermann gebracht hat und züchtet erfolgreich Hühner und Schafe. Kurz vor seiner Volljährigkeit zerstört ein Twister das gesamte Aufbauwerk, seine Mutter siecht dahin und „Hortense Allenbach, die ungekrönte Königin der Methodisten-Vetteln, die angriffslustige Krustenechse par excellence“ reißt sich die Reste des Besitzes unter den Nagel. Ungeheure Ohnmacht und grenzenlose Empörung heizen den brodelnden Vulkan John Kaltenbrunner an. Nach einem ersten amokösen Ausbruch wird er zu drei Jahren Zwangsarbeit verurteilt – nur um dann nach Baker zurückzukehren, sich „durch die Arbeitswelt vom Fließband zum Schlachthaus, vom Schweineimbiß in die Kanalisation“ zu pflügen und seinen großen Rachefeldzug vorzubereiten: „Er hegte einen tiefen, unstillbaren Haß … einen Haß, wie ihn jeder andere einigermaßen vernünftige Mensch gehegt hätte, der im hintersten Winkel der Provinz auf die Welt gekommen, von einer Bruderschaft aus Läusetretern und frauenprügelnden Bauerntrampeln als Spinner ausgestoßen und als Schwachsinniger, Versager und Mißgeburt gebrandmarkt worden ist.“

Im wohlkalkulierten Domino-Effekt und mit Hilfe des aussätzigen Baker-Bodensatzes, den „Haldenschraten“, bringt John Kaltenbrunner schließlich „hemmungslose Paranoia und Kriegslüsternheit im großen Stil“ in seinen Heimatort – bis zum lodernden Inferno.

Fiebernd-furios jagt Tristan Egolf seine Geschichte dahin, voller ungezügelter Energie, sarkastischem Humor und sprühendem Sprachwitz. Doch gerade der zweiten Hälfte seines Erstlings hätte die bremsende und ordnende Hand des Lektors gut getan – denn streckenweise dreht Egolfs Dampfwalzenprosa-Prosa allzu hochtourig auf der Stelle durch und spritzt dabei in einem geradezu wahnwitzigem Ausmaße Dreck und Zerstörung hervor.

Karsten Herrmann

Tristan Egolf: Monument für John Kaltenbrunner. Suhrkamp, 502 Seiten, 49,80 DM