Des Fakirs fabelhafte Fugendüse
– Mit cooler Ironie bewältigt Jakob Zoche künstlerisch die Tücken einer Staubsauger-Betriebsanleitung – ein Ausstellungsbericht von Peter Münder.
In der Altonaer Galerie Holzhauer, einem geräumigen Hamburger Hinterhof-Loft, steht der 33-jährige Künstler Jakob Zoche vor einem Bild, auf dem das Reinigen einer Sofaecke mit einem Staubsauger gezeigt wird. Auf knallrotem Teppichboden parkt da das 1800 Watt starke Fakir-Modell 350, dessen hellgrüner Staubbeutel prächtig mit der dunkelgrünen Bluse der Dame harmoniert, die die Fakir-Fugendüse beflissen in die Sofaecke hält. Belustigt zeigt Zoche auf sein Acrylbild (Format 120 x 120) mit dem packenden Titel „Reinigen zwischen den Polstern mit der Fugendüse“ und erklärt, dass ihn die Muse beim Begutachten der Fakir-Betriebsanleitung küsste: „Meistens wird ja in diesen Anleitungen im pathetisch klingenden Tonfall etwas völlig Banales formuliert – das ist einfach grotesk und wunderbar, deswegen habe ich ein so großes Faible für Betriebsanleitungen.“ Diese ungewöhnliche Ausstellung ist eine veritable Fakir-Hommage: Auf den anderen Bildern sieht man Staubsaugerschläuche, Sauguntersätze, Papierfilter (Titel: „Papierfilter einlegen, mit der Öffnung und Gummimanschette über das Anschlussstück im Staubsack stülpen“), das „Entstauben von Bildern mit dem Möbelpinsel“ oder Bodengelenkdüsen in voller Aktion. Endlich erfährt der Besucher also, wie es richtig funktioniert, das in der Anleitung beschriebene „Reinigen zwischen den Polstern mit der Fugendüse“, das auch auf Englisch, Französisch, Spanisch und Holländisch („Schoonmaken van stofferingsnaden met het platte mondstuk“) übersetzt ist!
Schade nur, dass der französische Kulturphilosoph Roland Barthes das nicht mehr erleben durfte, denn wenn man heute noch irgendwo den „Mythos des Alltags“ zelebrieren kann, dann bestimmt hier in dieser Altonaer Galerie! Als Pendant zum verklärten avantgardistischen Citroën DS 21 (mit Einspeichenlenkrad, Hydropneumatik und knopfartigem Bremspedal), den Barthes in seinem grandiosen Essay ja als „magisches Objekt“ und neuzeitliches Äquivalent einer gotischen Kathedrale bezeichnete, wäre der unscheinbare, aber so effizient und altruistisch laborierende Fakir 350 natürlich auch ein fabelhaftes Beispiel für einen Beutel tragenden Mythos des Alltags.
Ein Beutel tragender Mythos des Alltags
Der kreative, locker-ironische Unruhestifter Zoche, der schon als 14-Jähriger das Fanzine „Sauercrowd“ gründete, 2001 die „Erste Transnationale Republik“ in München ausrief und bereits viele erfolgreiche Ausstellungen zwischen Australien und Finnland bestritt, ist natürlich kein Fakir-Fetischist. Obwohl das sicher nachvollziehbar wäre, schließlich kann man den Klopfsauger auch als erstes alltagstaugliches rollendes Kleinraum-Hybrid-Vehikel und magisches Wohnzimmerobjekt klassifizieren. Zoche interessiert jedoch vor allem die Abbildung realistischer Segmente. Ähnlich wie der große US-Fotorealist Chuck Close, der für seine riesigen Porträts zuerst einmal die Leinwand in kleine Quadrate aufteilt und von Fotos minimale Pigmentpunkte mit dem Pinsel auf die Leinwand überträgt, pixelt Zoche auch kleinere Ausschnitte, die er fotografiert und dann auf der Leinwand festhält. Und in der Tradition des „Readymade“-Spezialisten Marcel Duchamps treibt ihn natürlich auch die Frage um: Wie lässt sich ein Ausschnitt der Realität – nämlich eine profane Gebrauchsanweisung – mit einer gemalten Abbildung erfassen und sogar künstlerisch überhöhen oder verdichten? Ist also eine gemalte Zeichnung, zumal noch im Großformat 120 x 120, die puristische Quintessenz für den alltagstauglichen Umgang mit dem Fakir-Klopfsauger?

Sauguntersatz für den Saugschlauch: Am Bodenblech andrücken. 2009, Acryl auf Alu-Dibond, 120 x 120 cm
Kein Elfenbeinturm-Ästhet
Keine Frage, Zoche ist einer der faszinierendsten deutschen Künstler. Er will uns nie zeigen, wo der große Kulturträger-Hammer hängt, sondern dosiert lieber ironisch-dadaistisch kleine subversive Botschaften: Wenn er etwa einen alten Benz in blau-weißen Farben fast UNO-mäßig besprühen und ihn dann als „Dienstwagen der Transnationalen Republik“ vorstellt, dann soll das sein Plädoyer sein für eine neue Form des Umgangs mit dem Gespenst des Globalismus: „Es kann doch nicht sein“, meint er über die etablierten Regierungschefs, „dass jeder Regierungschef sich wie ein Bürgermeister eines Provinzkaffs aufführt und wichtige grenzübergreifende Entscheidungen auf der Strecke bleiben.“ Daher findet man in seinem abwechslungsreichen Oeuvre Titel wie „Globalisierung für Anfänger“, „Subduktive Maßnahmen“, „The Future of Money“ oder „Bürgermeldeamt“.

Wie man mit der Bodendüse des Klopfsaugers Fakir 350 auf Teppichböden staubsaugen kann 2009, Acryl auf Alu-Dibond, 120 x 120 cm
Er ist jedenfalls kein Elfenbeinturm-Ästhet, dieser aus München stammende experimentierfreudige Jakob Zoche, sondern ein munter zwischen allen Kategorien laborierender Artist, der humorvoll-pragmatisch und basisverbunden immer auf der Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen ist. Bedauerlicherweise wird diese schöne Ausstellung nicht von der Firma Fakir gesponsert, denn für einen werbewirksamen Firmenprospekt würde ich den Slogan vorschlagen: „Horch, wer klopft den Teppich rein, kann doch nur ein Fakir sein!“
Peter Münder
Jakob Zoche: Klopfsauger Fakir 350, Galerie Holzhauer Hamburg, Borselstr. 9, Tel. 040-18884552 begin_of_the_skype_highlighting 040-18884552 end_of_the_skype_highlighting. Noch bis 3. April, Mi.–Fr. 15–19 Uhr, So. 15–18 Uhr, www.holzhauerhamburg.de
Abbuldung 1: Wie man der Fugendüse des Klopsaugers Fakir 350 zwischen den Fugen reinigen kann. 2009, Acryl auf Alu-Dibond, 120 x 120 cm