Geschrieben am 21. Oktober 2004 von für Litmag, Lyrik

Rainer Malkowski: Die Herkunft der Uhr

Die Zärtlichkeit des Nashorns

Letzte Gedichte des wenig bekannten deutschen Lyrikers Rainer Malkowski, der kaum beachtet von der Öffentlichkeit vor einem Jahr gestorben ist.

So müssen die Cover von Büchern gemacht werden. Was soll ein überdimensionierter Kopf eines Nashorns und dann noch ein scheinbar überhaupt nicht passender Titel „Die Herkunft der Uhr“? Welche Beziehungen bestehen zwischen dem schweren gepanzerten Tier und der Feinmechanik einer Uhr? Und Rainer Malkowski, der Autor, ist ja auch nur wenigen Lyrikkennern ein Begriff. Alles zusammen reizt im besten Sinne zum Aufschlagen des schmalen Bändchens. In der Innenseite dann ein Porträt des Lyrikers, das sofort die Assoziation eines Nashorns erweckt. Selbstironisch hat Malkowski diesem Reptil dann auch ein Gedicht gewidmet: „Das Nashorn,/reglos steht es da,/ denkt unbekannt.// Das ist sein gutes Recht.// Es zählt’s uns heim:/ als ungelöstes Rätsel.“//. Und warum macht uns die Frage nach der Herkunft der Uhr neugierig? „Die Uhr kommt von der Sonne./ Die Uhr kommt von der Nacht.// Die Uhr kommt von der Einsamkeit,/ sie kommt vom Warten.// Die Uhr kommt von der Leere,/ die sie fein zerteilt.// Die Uhr kommt von der Hoffnung.// Die Uhr kommt vom Sterben“//. Das ‚Nashorn‘ Malkowski schrieb Gedichte, die alles andere ‚gepanzert‘ und schwergewichtig waren. Aber sie besitzen eine im besten Sinne starke Kraft, um auch unseren ‚Panzer‘ an Denkfaulheit und Sprachverwüstung zu durchbrechen.

Ein leiser Erzieher

Gedichte, zumal wenn sie ‚zu Herzen‘ gehen, vielleicht noch eine heitere, manchmal auch melancholische Grundmelodie besitzen, sind zur Zerstreuung oder aus Anlass gelegentlicher Feste, durchaus beliebt. Versehen mit dem Zusatz ‚modern‘ oder ‚zeitgenössisch‘ jedoch, beginnt das allgemeine Interesse schon zu zögern. Sie gelten als ‚schwierig‘, nicht so leicht ‚eingängig‘. Der 2003 verstorbene Rainer Malkowski hatte – zu Unrecht – unter den zeitgenössischen Lyrikern keinen ganz großen Namen. Liest man jetzt aber seine posthum erschienene Sammlung seiner zuletzt verfassten Gedichte, dann setzt sofort eine große Neugier auf weitere Gedichte von ihm
ein. In seinem „Epitaph für einen leisen Erzieher“ ist versteckt genau das enthalten, was einem bei der Lektüre aller Gedichte von Malkowski ergreift: „Du hast etwas/ von mir erwartet./ Aber ich wusste nicht, was// Irgendetwas,/ hast du geglaubt,/ wird deutlich geschehen.// Einige Zeit später/ begann ich,/ danach zu suchen.“ Von jedem dieser in der Form selten besonders langen Gedichte bleibt immer ein Echo, das erst lange nach der Lektüre zu vernehmen ist: „Im Grunde ist Heimatliebe nichts/ als Angst vor Veränderung“//. Mit einem ausgezeichneten längeren Nachwort führt Albert von Schirnding in das Werk von Rainer Malkowski ein. Diesem Gedichtband kann man nur eine große Verbreitung, vielleicht auch unter allen ‚Nashörnern‘ wünschen, denen moderne Lyrik angeblich immer zu unverständlich, zu ‚gepanzert‘ erscheint. Wer sich von diesen Versen nicht angesprochen fühlt, der ist nicht zu retten. Der soll lieber in den Zoo gehen, und sich dort vor das Nashorn-Gehege stellen. Er wird sich aber wundern, wie empfindsam diese Tiere sein können.

Carl Wilhelm Macke

Rainer Malkowski: Die Herkunft der Uhr. Gedichte. Hanser-Verlag, München, 2004, Gebunden. 92 Seiten. 14,90 Euro. ISBN: 3-446-20557-8