Annika an der Sonnenküste
Es muss nicht immer Kaviar sein, Hausmannskost ist gelegentlich auch ganz nett. Und die bietet die Schwedin Liza Marklund mit ihrem nunmehr achten Krimi um die Stockholmer Boulevard-Journalistin Annika Bengtzon. Diesmal treibt es sie in die weite Welt, an die spanische Costa del Sol und nach Marokko. Thematisch oder stilistisch bringt Marklunds Kalter Süden das Genre nicht weiter, aber sie versteht es, Spannung zu erzeugen, meint zumindest Eva Karnofsky.
Marbellas Diebesbanden haben eine neue Methode gefunden, um in die Villen der Reichen und Schönen des spanischen Badeorts einzudringen. Sie leiten betäubendes Gas in die Klimaanlagen und klauen dann nach Herzenslust, ohne jemandem ein Haar zu krümmen. Doch diesmal ist etwas schiefgegangen: Der ehemalige schwedische Eishockeyspieler Sebastian Söderström, seine Frau, die beiden Kinder und die Schwiegermutter sterben bei der Gasattacke. Söderström ist ein Star in Schweden und somit ein Fall für Annika Bengtzon.
Bald stellt sich heraus, dass es sich um keinen gewöhnlichen Bruch gehandelt haben kann, werden doch zwei der drei Einbrecher gefunden. Offensichtlich hat sich ein Dritter im Bunde ihrer entledigt, mit einer Überdosis Morphin im Bier. Und den Schuhspuren am Tatort zufolge war dieser Dritte weiblichen Geschlechts. Eine ganze Weile stochern die spanische Polizei, ihr schwedischer Verbindungsmann sowie unsere Journalistin vergeblich im Umfeld des einstigen Sportasses herum, bis Annika bei einer ihrer unkonventionellen Recherchetouren entdeckt, dass es noch ein drittes Kind gegeben hat, eine halbwüchsige Tochter Söderströms aus erster Ehe. Doch sie bleibt wie vom Erdboden verschluckt.
Bengtzon recherchiert in Schweden, kommt in der britischen Kolonie Gibraltar geldwaschenden Immobilienhändlern auf die Schliche und findet sich schließlich im Dickicht des internationalen Drogenschmuggels wieder. Die Zeitung verliert schnell das Interesse an der verschwundenen Tochter Söderströms, doch Annika lässt, wie üblich, nicht locker (richtig, hier kritisiert die Autorin den Boulevard-Journalismus). Bengtson reist ein paar Monate nach dem Mord an Söderström auf eigene Faust nach Marokko, wo es schließlich zum dramatischen Showdown kommt.
Marklund erzählt chronologisch, schiebt jedoch zwecks Erhöhung der Spannung kurze Kapitel über ein namenloses deutsches Flüchtlingsmädchen ein, das kurz nach dem zweiten Weltkrieg nach Schweden gekommen, dort in einer Pflegefamilie aufgewachsen und misshandelt worden war. Logisch, dass am Ende die Fäden zusammenlaufen.
Kein Crime ohne Sex, also flirtet Annika mit einem Staatssekretär, was einen Skandal heraufbeschwört, und leistet sich zwischen Recherche und Artikel einen One-Night-Stand mit einem Bilderbuch-Mann. Schließlich taucht dann auch noch Ex-Ehemann Thomas in Marbella auf. Liza Marklund weiß, wie man einen unterhaltsamen Schmöker strickt. An einem Lehrbuch in Sachen Journalismus würde sie allerdings scheitern, denn sie lässt Annika in nur zwei Tagen eine ganze Artikelserie recherchieren, und dann wieder braucht die Reporterin Tage, um ein paar kurze Interviews für einen Artikel auszuwerten. Umgekehrt würde eher ein Schuh daraus. Eine Journalistin, die es ablehnt, mit Politikern zu essen, hat zudem den Beruf verfehlt, und wenn Bengtzon zunächst nicht weiß, wie sie etwas über Ereignisse in Spanien in Erfahrung bringen soll, beherrscht sie ihr Handwerk nicht. Aber Marklunds Story treibt es weiter.
Ihr Stil ist flüssig und sie verzichtet auf Schnörkel, und damit ist sie gut beraten, denn Vergleiche oder Bilder sind nicht ihre Stärke. Da brutzelt dann Käse unheilverkündend oder Blut brennt in den Adern wie Säure. In ihre zahlreichen spanischen Zitate haben sich ein paar Fehler eingeschlichen, und es ist etwas peinlich, nicht zuletzt auch für das Lektorat, wenn ausgerechnet Annikas Dolmetscherin sie mit einem dicken Grammatikfehler auf spanischem Boden willkommen heißt. Doch sei’s drum, kurzweilig war’s trotzdem.
Eva Karnofsky
Liza Marklund: Kalter Süden (En plats i solen, 2008). Roman.
Deutsch von Anne Bubenzer und Dagmar Lendt.
Berlin: Ullstein 2009. 518 Seiten. 19,90 Euro.