Geschrieben am 26. März 2011 von für Carlos, Crimemag, Kolumnen und Themen

Markt&Totschlag: Carlos Regiokrimi-Fortsatz

Carlos,

heute als Markt & Totschlag: Regio cont. Die Debatte (Links siehe unten!) geht weiter, wo aber hört Carlos auf und fängt Carlo Schäfer an? Oder umgekehrt …

So ist das also!

Lumpenleser, Ihr! Konsumenten, Faulpelze! Niemand hat bei meinem schönen Lokalkrimiwettbewerb mitgemacht. Stattdessen habt Ihr aber, Ihr enttäuschenden Menschen, allerhand Debatten über eben das Phänomen „Lokalkrimi“ auf Cult-Mag über Euch ergehen lassen, habt sie quasi intellektuell verspeist.

Das EINE MAL, wo es gegolten hätte, seinem Onlineautor etwas zurückzugeben, sogar mit Aussicht auf eine großartige Belohnung, kommt nichts, nichts und abermals nichts.

Pfui!

Also dann beteilige ich mich halt etwas ernster an der Debatte um das Phänomen „Regionalkrimi“.

Wer meine Kolumne liest (und ach, die Wettbewerbsverweigerung zeigt mir ja, das tut kaum jemand), dürfte herauslesen, wem ich ein wirklich gerüttelt Maß an Schuld gebe, dass man über diesen Begriff überhaupt in Harnisch gerät: uns Autoren.

Dass Verlage das verlegen, von dem sie denken, dass es Kohle bringt, dürfte einigermaßen klar sein. Es gab und gibt rühmliche Ausnahmen, die eben das sind: zwar rühmlich, jedoch Ausnahmen. Ich bin mir sehr sicher, dass die Heldengeschichten, wie viel besser es früher alles war, ebensowenig zutreffen, wie die der Weltkriegssoldaten und (ähnlich unerträglich) der Alt-68er.

Natürlich muss der gute, unschuldige Autor Kompromisse eingehen, aber das zwingt ihn ja eigentlich noch nicht, jedes Niveau lustvoll zu unterschreiten, um eventuelle anbrandende Kritik augenzwinkernd abzutun: „Bin doch nur Krimiautor, bzw. Regionalkrimiautor …“

Der Kollege Burger hatte vor einigen Jahren einen Krimiknigge auf seiner Homepage (heute nicht mehr), wo sinngemäß stand, dass der Krimi keinen Kunstanspruch haben dürfe, jedermann zugänglich sein müsse – ect., ich habe es anderer Stelle schon erwähnt. Bei all solchen Sätzen frage ich mich immer nur: Warum?

Ich möchte Bücher schreiben. Ich möchte fast sagen: Etwas drängt mich dazu, auch wenn’s ein bisschen romantisch klingt. In der Regel werden daraus krimiähnliche Dinge, die mir gleich von zwei Seiten schroffe Rügen eintragen: von den Krimilesern, dass es keine „richtigen“ Krimis sind, von den Krimiverächtern, dass es halt doch welche seien. Das muss mir scheißegal sein.

Die Verlage, so sich welche finden, wollen mich in eine Schublade zwängen, das muss mir klar sein. Warum mein Schreiben immer wieder Kriminelles aufgreift, weiß ich eigentlich nicht und will es auch nicht wissen. So man mich des Interpretierens für würdig hält: Bitteschön – aber ich mache nicht mit. So man mich für zu leicht befindet – danke gleichfalls.

Es ist diese literarische Selbstkastration unserer Zunft (s. auch meine verjährten Mühen „Schlagersänger der Literatur“), die mich ziemlich nervt und die ich reichlich peinlich finde: Unsere Autorenvereinigung heißt: „Das Syndikat“, deren jährliches Treffen „Criminale“, die jeweilige Abschlussveranstaltung „Tango Criminale“. Das ist nicht lustig, sondern peinlich – im Leben trete ich da nicht ein. Mir wird ebenso etwas blümerant, wenn, wie im Rahmen der hiesigen Diskussion, Verzeihung lieber Kollege Wolf, eine scharfe Blondine ersonnen wird, die den Disput mit dem (natürlich) Studienrat über das Ettiket „Regionalkrimi“ erzählerisch anheizt.

Es hätte keines Tabubruchsenkels bedurft: „Nun, keiner von uns schleppte die Blondine ab.“ Warum dann davon berichten?

Und ehrlich gesagt: Wenn man betont, dass man zwar wohl schon regional verhaftet schreibt, aber natürlich anders, friert es mich auch schon ein bisschen. Ich zitiere die Kollegin Lehmann: „Als ich Anfang der 90er Jahre meine Serien-Figur entwarf, sollte sie vor allem eines nicht sein: schon mal dagewesen. […] So ist Lisa Nerz entstanden, eine Figur, die auf der Gender-Grenze balanciert und mal nach der einen, mal nach der anderen Seite kippt.“

Was auch immer das heißt, ich möchte dann Pforzheim doch einmal loben – und zwar für die dortige Redewendung: „Es wird au‘ wahr sei!“

Warum können wir nicht möglichst gute Bücher schreiben, die die anderen von mir aus Regional- oder Genital- oder Kleinwalsertalkrimis nennen, und wir wehren uns dagegen, benehmen uns aber ansonsten so, dass man uns ernstnehmen kann, so man denn will?

Ständig erklären Krimiautoren eigentlich nur zwei Dinge:

Entweder: „Ich schreibe Krimis und will auch gar nicht richtige Literatur schreiben.“

Oder: „Ich schreibe Krimis, die anders sind, als die Krimis, die keine richtige Literatur sind, es merkt nur niemand.“

Beide Fraktionen tragen ihr Schicksal mit Humor, so er denn vorhanden. Denn: Nein, Frau Lehmann, ich finde nicht, dass Regionalkrimis witzig sind, ich muss kaum je lachen, es wird freilich eine Menge im deutschen Krimi gewitzelt – mir hängt das Etikett „witzig“ als Negativum an – und das liegt an der durch andere verdorbenen Semantik. Jawohl!

Denn ich bin sehr witzig! Ich habe mir sogar selbst einen Witz ausgedacht!

Gaddafi und Guttenberg unterhalten sich. Sagt Gaddafi: „Mich darf man noch nicht abschreiben!“

Antwortet Guttenberg: „Das hätten Sie aber auch früher sagen können!“ Und schließt enttäuscht seine Kladde.

Na ja geht so, ich weiß …

The World´s Most, ähmm ….

Und zum Schluss: Heute war da eine scharfe blonde Studienrätin, die mir ein Schild entgegenhielt: „Fick mich, mein Regiohengst.“ Aber ich bin vor allem eins – gar nicht dagewesen.

Carlo Schäfer

Klaus-Peter Wolfs Artikel zum Regiokrimi
Carlo Schäfers Regiokrimiwettbewerb
Thomas Wörtches Einschätzung
Ein Artikel zum Thema von Christine Lehmann

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