Geschrieben am 16. September 2004 von für Musikmag

Patricia Barber: A Fortnight in France

Ein leicht unangenehmes Pathos des eminent Bedeutsamen

Patricia Barber ist, das kann man hier schön hören, eine sehr eigenwillige, sehr prägnante Pianistin und hat an dieser Rolle hörbar großen Spaß.

Wenn Patricia Barber so weitermacht, dann wird sie bald zum Durs Grünbein des Songwriter-Gewerbes. Zumindest befürchte ich das, wenn ich die Drohung lese, sie arbeite gerade Ovids Metamorphosen zu Songs um. Jooh ….

Bis es so weit ist, gibt es Live-Aufnahmen von drei Stationen ihrer Frankreich-Tournee im März und April dieses Jahres, zusammen mit Neal Alger an der Gitarre, Michael Arnapol am Bass und Eric Montzka am Schlagzeug. Die Truppe ist phantastisch gut aufeinander eingespielt, die musikalische Kommunikation funktioniert perfekt, die rein instrumentalen Passagen des Programms entwickeln ein schönes Eigengewicht zu den Songs. Patricia Barber ist, das kann man hier schön hören, eine sehr eigenwillige, sehr prägnante Pianistin und hat an dieser Rolle hörbar großen Spaß. Die französische Atmosphäre inspiriert sie zudem, auch französisch zu singen, „Dansons la Gigue“. An solchen Stellen wird dann ganz besonders ihre europäische Prägung hörbar, denn Barber ist eher eine europäische Chansonniere denn eine amerikanische Songwriterin, was auch ihren Erfolg in den USA erklärt, der sich deutlich auf ein akademisches Publikum beschränkt, das Europa für chic und anders hält. Und wir erinnern uns da an frühere Alben: Gezwungene Peinlichkeiten wie der postmoderne Dekonstruktions-Blues (oder war es ein dekonstruktiver Postmoderne-Blues) strahlen nachgerade die anämische Fahlheit leicht prätentiöser Abendunterhaltung für den Postgraduate mit ennui ab.

Ein paar dieser Untugenden sind auch hier zu hören: Der Zwang, originell und witzisch zu sein.: „Did you ever think a piano would fall o­n your head“, so eine Zeile (hallo, Mr. Waits …) gilt vermutlich als humorvoll, wirkt aber mit brüchigem Existentialisten-Pathos vorgetragen, eher arg bemüht. Das ist überhaupt ihr Problem: Ihre kühle Stimme hat an vielen Stellen ein leicht unangenehmes Pathos des eminent Bedeutsamen, das ihre komischen Brechungen (wenn überhaupt vorhanden) nicht verdecken können. Der Weg zu Ovids Metamorphosen ist so gesehen nur logisch.

Thomas Wörtche

Patricia Barber: A Fortnight in France. Blue Note 70876 18520 2 BV