Hochreflektierte Musik im leichten, vergnüglichen Bereich
Um abenteuerlichen Interpretationen gleich das Wasser abzugraben: Ja, „Gypsy Schaeffer“ war eines von Jelly Roll Mortons Lieblings-Hangouts in New Orleans, und dieses Gypsy Schaeffer hier ist ein Quartett aus Boston und gleichzeitig dessen erste CD. Das Quartett besteht aus Saxophonisten Andy Voelker, dem Bassisten Edward Perez, dem Schlagzeuger Chris Punis und last but nt least aus dem Posaunisten Joel Yennior, der uns schon in der Formation von Fellipe Salles sehr positiv aufgefallen ist. Weil er, wie auch hier schön zu hören ist, erstens ein Atmosphären-Macher auf der Posaune ist, wie selten einer seit Curtis Fuller, und zweitens ein geschmeidiger, intelligenter Improvisator. Andy Voelker hingegen ist deutlich vom Stamme Adderley und Perez und Punis haben den latin tinge in jeder Hautpore (hören Sie mal die Intro zu „I want to go to Havanna“!). Aus all dem ergibt sich eine sehr konzentrierte, im besten Sinn von aller Ornamentik abstrahierte, kommunikationsfreudige Musik – Klavier oder Gitarre als Füllsel braucht diese Truppe nicht. Bass und Schlagzeug sind neben den Bläsern voll gleichberechtigt, jeder „spricht“ mit jedem, aus kurzen, einfach anmutenden Phrasen (manchmal zu mitschnippen) entwickeln sich komplexe, kunstvoll gewobene Linien, denen ihre Komplexität zunächst kaum anzumerken ist.
Da ist viel Intelligenz, viel Witz und viel Bereitschaft zu hören, ein Publikum mit Substanz zu unterhalten und selbst hochreflektierte Musik im leichten, vergnüglichen Bereich zu halten. Dazu steht den Musikern die gesamte Jazz-Geschichte offen, aus der sie sich fröhlich bedienen, ohne daraus eine Wer-kennt-das-Zitat-Nummer zu machen. Ein beeindruckend kluge Truppe, von der wir sicher noch viel hören werden.
Thomas Wörtche
Gypsy Schaeffer. PeaceTime Records PTR 1001