Gar nicht unerhört
Echos allerorten – mal ein bisschen John Lurie und früher John Zorn, natürlich jede Menge Glass und Reich, dann wieder Marimba- und Steelband-Gutlaunigkeit und plötzlich Ornette-Coleman-affine free jazz-Teile mit kleinen elektronischen Blitzen. Von Thomas Wörtche
Wann und wo immer man in letzter Zeit über die vier britischen Jung-Musiker liest und hört, die sich als Kreativ-WG zu dem Shooting-Star-Quartet namens Portico zusammengeschlossen haben, trifft man auf Bezeichnungen wie „noch nie gehört“, „unvergleichlich“, „setzte alle bekannten Parameter außer Kraft“. Und so weiter … Das ist für eine gerade mal zweite CD, „Isla“ (die erste hieß lustiger „Kneedeep In the Northsea“), schon ziemlich starker Weihrauch und selbst in Zeiten des ubiquitären Marketing-Delirierens bemerkenswert.
Beim ersten Anhören stolpert man deswegen erst recht, wenn das Sopransaxophon von Jack Wyllie bei der Klangbildung ein klein wenig wackelt und wankt (ohne dass dahinter irgendeine Absicht, ein Personalstil oder dergleichen auszumachen wäre), was aber in der Tat nur auf dem Hintergrund des superlativistisch aufgeheizten Hypes aufstößt – bei anderen Saxophonen, die Wyllie benutzt, sind solche Unsicherheiten nicht zu hören.
Abmarschieren wie die Hölle
Zweiter Stolperer ist der überall mit ähnlich euphorischen Worten bedachte Hang oder die hang drum … Dabei handelt es sich schlichtweg um ein Idiophon, um ein melodisches Perkussionsinstrument, das nunmehr auch schon seit fast einem Jahrzehnt aus der Werkstatt der Schweizer Instrumentenbauer PANArt seinen Weg in die diversen Musikwelten unserer Zeit gefunden hat. Immerhin, für die Arbeit von Portico ist das Hang schon wichtig, weil es die Mischung aus Perkussivität und manchmal nur minimaler melodischer Variation befördert, die das Quartett braucht, um unter den Saxophonlinien wie die Hölle abzumarschieren. Auch dynamisch sind die vier Jungs erste Klasse, haben von lyrisch bis rockig, von swingend bis groovend alles drauf.
Irgendwie meta-postmodern hört sich das Ganze auch an. Echos allerorten – mal ein bisschen John Lurie und früher John Zorn, natürlich jede Menge Glass und Reich, dann wieder Marimba- und Steelband-Gutlaunigkeit und plötzlich Ornette-Coleman-affine free jazz-Teile mit kleinen elektronischen Blitzen. Spannend und vielfältig und mit sehr reflektierter Lust am Musizieren ist das sowieso gemacht. Wirklich große Klasse. Aber wo bleibt das Unerhörte, Nie-Dagewesene, Unvergleichbare? Naja, never judge a band by its reviews …
Thomas Wörtche
Portico Quartet: Isla. Real World Records (Vertrieb: Indigo).