Geschrieben am 28. November 2009 von für Bücher, Crimemag

Kwei Quartey: Trokosi

Gedemütigte Götterfrauen

Kwei Quartey wurde als Sohn einer afroamerikanischen Mutter und eines ghanaischen Vaters in Accra, der Hauptstadt von Ghana geboren. Wegen Verteilens von Flugblättern gegen die Militärregierung wurde er kurzzeitig inhaftiert. Deswegen, aber auch ausgelöst durch den Tod seines Vaters, verließ er als junger Mann das Land und siedelte zusammen mit seiner Mutter in die USA über. Heute lebt und praktiziert er als Arzt in Kalifornien und schreibt (jeden Morgen vor seinem Klinikalltag) an seinem zweiten Roman.Ein Kauftipp vom Krimibuchhändler unseres Vertrauens, Christian Koch (zur Buchhandlung).

Bei Bedome, einem kleinen Dorf in der Voltaregion Ghanas, wird eine junge Frau erwürgt aufgefunden. Es handelt sich dabei um die beliebte Gladys Mensah, einer Medizinstudentin, die als Volontärin beim AIDS-Programm des „Ghana Health Service“ arbeitete. Gefunden wurde ihre Leiche von Efia, einer der Frauen des Obersten Priesters Togbe Adzima. Efia ist eine Trokosi (Trokosi leitet sich von den Ewe-Wörtern tro = Gottheit oder Fetisch und kosi = Sklavin ab), d.h. sie wurde als jungfräuliches Mädchen dem Priester eines Schreins übergeben, um Unglück von ihrer Familie abzuwenden.

Aus Accra, der Hauptstadt des Landes, wird Detective Inspector Darko Dawson entsandt und mit der Aufklärung des Falls beauftragt. Er nimmt den Fall nur widerwillig an, weil vor 25 Jahren genau in dieser Region des Landes seine Mutter spurlos verschwunden war. Bis zum heutigen Tag ist er von diesem Ereignis traumatisiert.

Diese knapp zusammengefasste Exposition ist nur der Einstieg in einen ganz außergewöhnlichen Debütroman. Beeindruckend gelingt es dem Autor, Spannung über den Plot hinaus durch pure Informationen zu erzeugen. So durchzieht Trokosi von Anfang bis Ende ein ganz starkes Grundmotiv, nämlich die tiefen Verwerfungen und Gräben zwischen Tradition und Moderne im heutigen Afrika.

Kwei Quartey gelingt es, sein Grundthema sowohl mit der eigentlichen Krimihandlung, dem Mord an der jungen Medizinstudentin, wie auch mit Inspector Dawsons persönlicher Geschichte zu umgeben. So stellt der Herzfehler seines Sohnes mit dem innerfamiliären Streit um dessen Behandlungsweise nur ein Beispiel für die Vermischung von „modernen“ Ansichten mit Mythen, Aberglauben, aber auch der Macht von traditionellen Heilern dar.

Das Schicksal der Trokosi-Mädchen hat Kwei Quartey zentral in seine Story eingebettet, und das ist ihm wahrlich gelungen. Laut der australischen Hilfssorganisation „International Needs“ werden bis heute Tausende Mädchen in Ghana, Benin und Togo als „Sklavinnen der Götter“ an traditionelle Priester „abgegeben“. Auch wenn jährlich Hunderte pro Jahr befreit werden können, wurde in den letzten Jahren kein einziger dieser Fälle vor Gericht gebracht. Und dies, obwohl die Trokosi-Sklaverei in allen drei Ländern gesetzlich verboten ist.

Letztlich noch ein Lob für die feine und liebevolle Übersetzung von Sabine Schilasky sowie für die tolle Covergestaltung die, selten genug, sogar etwas mit dem Romaninhalt zu tun hat.

Christian Koch

Kwei Quartey: Trokosi (Wife of the Gods, 2009). Roman.
Deutsch von Sabine Schilasky.
Bergisch Gladbach: Luebbe Verlag 2009. 349 Seiten. 14,99 Euro.