Geschrieben am 10. Mai 2008 von für Bücher, Crimemag

Elmore Leonard: Killshot

Im hintersten Winkel der USA

Elmore Leonhard ist unerreicht in Sachen Tempo, Coolness und Situationskomik.

Erinnern wir uns nur an Schnappt Shorty (Get Shorty, 1990) und Jackie Brown (Rum Punch, 1992) – hätte Mr. Tarantino ohne diese Bücher die cineastische Ästhetik der 90ies so bereichern können, wie er es getan hat? Killshot, zuerst erschienen 1989, wurde kürzlich bei Heyne neu aufgelegt. Passend zum Start des gleichnamigen Films (Produktion: Quentin Tarantino, Regie: John Madden, Darsteller: Diane Lane, most of all der große Mickey Rourke u. a.) und ganz abgesehen davon völlig zu Recht.

Unterwegs in den hintersten Winkeln der USA: Die Risse an der Decke eines heruntergekommenen Motels gleichen einer Straßenkarte, deren Wege (Highways, Flüsse, Trampelpfade durchs Unterholz) irgendwohin führen, vielleicht einfach nur raus aus dem Suff und der Langeweile. Oder von den Großen Seen im Norden bis zum Mississippi, nach Cape Girardeau, einem Kaff in Missouri. Diese hintersten Winkel sind bewohnt von Leuten, die Stahlbauarbeiter sind oder Immobilienmaklerinnen auf Provisionsbasis oder Schwiegermütter. Das Leben dieser Leute ist nicht spektakulär, aber in Ordnung. Wayne weiß genau, warum er lieber auf Stahlgerüsten schuftet als sich dem Chef seiner Frau anzudienen – der verdient zwar als Immobilienmakler viel Geld, ist aber ein Weichei. Carmen träumt in schwachen Momenten davon, ihren Wayne als Immobilienhai zu sehen, aber eigentlich findet sie ihn seit zwanzig Jahren nicht nur gut wie er ist, sondern auch immer noch aufregend. Dass ihre Mutter geschwätzig, intrigant und manipulativ ist, weiß sie genauso sicher wie dass Wayne willensstark und mit einem enormen Ego ausgestattet ist. Auf der High School hatte sie einen Kurs in Handschriftenanalyse belegt, und mit ihrem graphologisch geschulten Blick beobachtet sie andere und auch sich selbst genau und klug.

„If it sounds like writing, rewrite it“

Und dann kommen zwei Gangster daher, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Ein Indianer, der Mann fürs Grobe beim lokalen Mob ist und eigentlich zu cool, um ganz unten in der ethnischen, sozialen und kriminellen Hierarchie zu stehen. Und ein durchgeknallter, größenwahnsinniger White-Trash-Lümmel, gegen den der Ethno-Killer wie ein Ausbund an Reflexion, Integrität und Selbstbeherrschung wirkt. Es ist ein unerfreulicher Zufall und eine grandiose Inszenierung debil grinsender Kontingenz, dass diese beiden Typen in das Leben der Leute aus dem hintersten Winkel geraten. Die schweben plötzlich in Lebensgefahr – und das ist fast noch das kleinere Übel. Denn eine handfeste Lebensgefahr könnte erträglicher sein als eine Heimsuchung durch freilaufende FBI-Agenten, gegen die der White-Trash-Strolch fast schon wieder handhabbar zu sein scheint – immerhin wird der vom Ethno-Killer so halbwegs an der Kandare gehalten.

„If it sounds like writing, rewrite it“ – die Verwandlung von gesprochener Sprache in quicklebendige Literatur ist für Elmore Leonard ein Qualitätskriterium, an dem er seine eigenen Texte misst. Diesem Anspruch wird er seit Jahrzehnten gerecht, und auch Killshot setzt genau das kalkuliert, lakonisch und hochintelligent ins Werk. Und das muss ihm erstmal jemand nachmachen.

Nele Hoffmann

Elmore Leonard: Killshot (Killshot, 1989). Roman. Deutsch von Peter Pfaffinger, vollst. überarbeitet von Jochen Stremmel. Heyne 2007. 334 Seiten. 8,95 Euro.