Alles ist aus dem Wasser entsprungen!
– Joe Paul Kroll über den Philosophen Hans Blumenberg und die aus dem Nachlass edierte Textsammlung „Quellen, Ströme, Eisberge“.
World’s Largest Metaphor Hits Iceberg überschrieb die amerikanische Satirezeitschrift „The Onion“ ein Titelblatt (hier), das vorgab, den Lesern des Jahres 1912 die Kunde vom Untergang der „Titanic“ zu überbringen. Hans Blumenberg hätte wohl seine Freude an diesem Witz gehabt. Denn in ihm verknüpft Blumenbergs Leidenschaft für die Metaphorologie, und der „Daseinsmetapher“ des Schiffbruchs im Besonderen, sich mit einem Thema, das vor allem in den Büchern „Die Legitimität der Neuzeit“ (1966) und „Arbeit am Mythos“ (1979) hervortritt: Die vermeintliche Überhebung des Menschen, der Vorwurf der Hybris, für welche die Götter an Prometheus ein Exempel statuierten. Der Kulturkritik der letzten 100 Jahre ist das Schicksal der „Titanic“ nicht nur ein Omen des herannahenden Krieges gewesen, sondern sie hat den Eisberg, der den Bug des Dampfers aufriss, auch als substanzgewordene Technikkritik aufgefasst, mithin als Gericht der Natur über einen Frevel.
Blumenbergs Auffassung des Schiffbruchs als „Paradigma einer Daseinsmetapher“, wie er sie in „Schiffbruch mit Zuschauer“ (1979) darlegt, macht diesen Gedanken begreiflich. Das Wasser gilt Blumenberg als unsicheres Element, als Metapher für jenen Bereich, in dem Philosophen – als „notorische Nichtschwimmer“, wie es andernorts heißt* – den festen Boden unter den Füßen verlieren. Sie sind gezwungen, sich aufs Ungewisse, Ungefähre, Unbegriffliche hinauszuwagen. Während zu Lande das Gesetz herrscht, die Räume eingegrenzt sind, stellt das Meer dieser Ordnung Chaos, Formlosigkeit, Entgrenzung gegenüber. Hier hat Blumenbergs Gegenspieler Carl Schmitt mit seiner Verachtung des Ozeanischen, einschließlich der Seemacht England und des von ihr verkörperten Liberalismus, die einschlägigen Stichwörter geliefert. Doch Blumenberg begreift den Gegensatz von Land und Meer weniger politisch denn anthropologisch. Das Meer ist ein dem Menschen nicht natürliches Element, und gerade deshalb stellt es dem Menschen als Mängelwesen, als sich durchschlagendes Wesen, so viele Metaphern bereit, die ihm helfen, die Welt sprachlich zu bewältigen.
Die Erfahrung der Grenzverletzung ist dabei nicht wegzudenken. „Aber“, heißt es im „Schiffbruch“-Büchlein, „Verbote haben immer auch definiert, was die Extreme von Kühnheit und Herausforderung sind.“ Das Sich-Hinauswagen aufs Wasser ist die Aneignung eines fremden Elements, mythenträchtig wie der Feuerraub des Prometheus. Es war damit „zwar nicht der Sündenfall, aber doch der Verfehlungsschritt ins Ungemäße und Maßlose zuerst getan“. Was dem Waghalsigen die Herausforderung, das Ungenügen an Kargheit und Begrenzung des Festlands, ist dem am Ufer Zurückgebliebenen tendenziell verdächtig. Bedeutet die Seefahrt einerseits, sich gegen eine übermächtige Wirklichkeit zu behaupten, so bieten die dabei unweigerlich erlittenen Schiffbrüche dem Beobachter an Land die Kompensation, des eigenen Standorts, des festen Bodens unter den Füßen umso sicherer zu sein. Verkürzt gesprochen ist damit auch die Position des Theoretikers (gr. theorein „beobachten, betrachten, [an]schauen“) benannt.
Die verflixten sieben Achtel
Nun geht es in der hier zu betrachtenden, aus dem Nachlass edierten Textsammlung nicht um die Schiffbrüche, die beim Übergang von einem Element zum anderen passieren, sondern um die drei titelgebenden Figurationen des Wassers: Quellen, Ströme, Eisberge. Ihre Entstehung fällt in die Zeit um 1980. Obwohl die Herausgeber betonen, Blumenberg habe sie quasi publikationsfertig zusammengestellt, fehlen diesen Texten überwiegend die Eleganz, die Pointierung und schlicht die Aussagekraft, die den von Blumenberg selbst in den Druck gegebenen Essays dieser Jahre eigen sind.
Das interessanteste der drei Kapitel ist den Eisbergen (einen Auszug finden Sie hier) gewidmet. Hat sich Blumenberg für Quellen und Ströme noch aus der Philosophiegeschichte von Heraklit bis Husserl bedient, meint er hier insbesondere in der aktuellen Presse eine neue Metapher entdeckt zu haben, die erst in den 1970er-Jahren „in Schwung gekommen“ sei. Dieses war das Jahrzehnt, in dem die Umweltbewegung sich etablierte, deren Neigung zum zivilisationskritischen Fundamentalismus Blumenberg stets kritisch beäugte. Es war auch das Jahrzehnt, in dem die Ideologiekritik den akademischen Diskurs bestimmte. So begreift Blumenberg die Konjunktur der Eisbergmetapher als Indikator eines schnell ins breitere Bewusstsein durchgesickerten ideologiekritischen Duktus, eines Argwohns gegenüber dem überall unter der Oberfläche lauernden Unsichtbaren.
Mit seinen sprichwörtlichen sieben Achteln, die unter der Meeresoberfläche versteckt liegen, lässt sich der Eisberg als Metapher für die Grenzen des menschlichen Wahrnehmungsvermögens verstehen: Für den „Sachverhalt, daß die Reichweite des menschlichen Wahrnehmungsvermögens nicht mit der Ausdehnung der Welt identisch ist“. Damit fügt sich die Metapher zunächst in ein Muster, das durch die kopernikanische Kränkung und die darauffolgende Geschichte der neuzeitlichen Naturwissenschaft, insonderheit der Kosmologie, vorgegeben ist. Nach dieser und der Evolutionstheorie hat man die Psychoanalyse oft als die dritte Kränkung des Menschen bezeichnet, und es mag auch an deren weiterem Vordringen liegen, dass sich der Eisberg als Metapher des Verhältnisses von Bewusstem zu Unbewusstem in Dienst nehmen ließ. Allein: Freud, wie Blumenberg nachweist, hat dieses Bild nicht geprägt. Vielmehr lässt es sich auf die Fehldeutung einer Passage in Ernest Jones’ Freud-Biografie zurückführen – ein Paradebeispiel also, wie Metaphern untergeschoben werden.
Dennoch fand das Bild vom „Eisberg mit seinem Mißverhältnis von sichtbarem und unsichtbarem Teil“ in den 70er-Jahren dankbare Anwender: „Immer wenn es um schwer Beweisbares geht, hilft die Metapher.“ Und schwer zu beweisen, doch in den Köpfen allgegenwärtig war die Vorstellung, unter jeder Oberfläche verberge sich – besser: sei mit Bedacht versteckt worden – Unsichtbares, Verdächtiges, Gefährliches. Damit passt die Metapher „in eine Welt der Hinterhältigkeit, in der man nichts so nehmen darf, wie es sich zeigt. Ganze wissenschaftliche Disziplinen sind zu Instrumenten der Entlarvung, der Hinterfragung, der Kritik verdeckter oder uneingestandener Voraussetzungen geworden.“
Aus der alltäglichen Anschauung wird die Metapher des Eisbergs wohl kaum ihre Prägnanz bezogen haben. „Die rhetorische Stärke der Metapher liegt also nicht darin, daß auf eine allen vertraute Erinnerung Bezug genommen werden kann, sondern daß ein Gesetz der Natur im Spiele ist.“ Das Verhältnis von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit am Eisberg wird demnach als eine Art Konstante des Misstrauens verstanden. So werden der Mensch und „seine ganze psychische, soziale und politische Wirklichkeit“ mit einem Untergrund versehen, der methodisch aufzudecken ist. Folgerichtig spricht Blumenberg denn auch von einer „hochgradig politisch[en]“ Metapher.
Als solche konnte sie auch zur Selbststilisierung einer revolutionären Avantgarde herangezogen werden, die sich als Spitze eines Eisbergs revolutionärer Energie und allgemeiner Unzufriedenheit vermeint. Hierin sieht Blumenberg jedoch dasjenige konstante Größenverhältnis aus dem Blick geraten, das er für die Wirksamkeit der Metapher als wesentlich betrachtet. So sei die Zeitungsphrase „[d]er Terrorismus ist nur die winzige Spitze eines Eisbergs von Gewalt, Lebensverachtung und Verzweiflung“ unplausibel, da „der unter der Fläche liegende Teil des Eisbergs nicht beliebig groß sein kann“. Blumenberg scheint hier einer merkwürdigen Pedanterie zu erliegen. Aus dem Gebrauch der Metapher lässt sich schließen, dass ihre suggestive Wirkung ganz unabhängig von einer bestimmten Proportionalität ist. Eher noch könnte man sagen, gerade durch den Verlust der Rückbindung an ein naturwissenschaftliches Faktum gewinne die Metapher an rhetorischer Potenz bei der Erzeugung von Angst. Jedoch hat Blumenberg insofern recht, als solche Proportionen nicht beliebig oft missachtet werden können, ohne dass die Metapher – pardon – sich verwässerte.

„Auch die Bibel kannte dieses grundlegende Mißtrauen gegenüber dem Meer; nur in ihm glühte kein Fünkchen Skepsis: er liebte das Meer.“ Sibylle Lewitscharoff über Hans Blumenberg, hier 1956 in Ägypten.
Metaphern, bedarfsgerecht
Lange schon kannte die Literatur den Begriff des Eisbergs, ohne dass er zur Metapher für eine verborgene Gefahr geworden wäre. Der Bedarf, das Interesse also macht die Metapher. Im Fall des Eisbergs habe ein „Verdacht auf hinterhältige Verhältnisse im Bewußtsein, in der Gesellschaft, in der Wissenschaft“ sich Ausdruck verschafft. Damit wird die Metapher mit der Grundstimmung der Zeit nach 1968 verknüpft. Frühere Anwendungen – so zum Beispiel 1917 durch Georg Simmel – fallen demgegenüber als ungelenk ab, als habe die Metapher noch nicht zu sich gefunden. Spätestens hier, wo die Metapher ein Jahrfünft nach dem Untergang der „Titanic“ erscheint, fragt man sich, ob Blumenberg dieses Ereignis als möglichen Einbruch des Eisbergs ins kollektive Bewusstsein mit Bedacht übergeht. Nur einmal ist beiläufig von der „Titanic“ die Rede, und doch hat dieses Ereignis wohl wie kein anderes unsere Vorstellung von der destruktiven Macht des Eisbergs bestimmt. Es wäre in der Tat bemerkenswert, wenn Hans Blumenberg, der sich, während er Eisbergzitate aus Zeitungen schnitt und auf Karteikarten klebte, auch am Prometheus-Mythos abarbeitete, sich nicht der Kollision mit dem Eisberg als vermeintlichem Menetekel angenommen haben sollte.
Man könnte wohl einen Unterschied geltend machen: Hier der für sich genommene Eisberg, ein Objekt, dessen Größenverhältnisse auf bestimmte Phänomene übertragen werden; dort der Eisberg als stummer Antagonist des Menschen in einer viel weitere Kreise ziehenden, Mythen gebärenden Erzählung. Doch die Verwunderung darüber, dass ein Spezialist für Schiffbrüche und Gegner der wohlfeilen Technikkritik dieses Ereignis in einer Untersuchung der Eisbergmetapher beinahe ganz übergehen sollte, lässt sich dadurch nicht überwinden. Martin Meyer, Feuilletonchef der Neuen Zürcher Zeitung und selbst hervorragender Blumenberg-Kenner, hat die „Titanic“-Katastrophe als Erschütterung des neuzeitlichen Selbstbewusstseins gar mit dem Erdbeben von Lissabon verglichen (zum Artikel). Auch wenn Meyer konstatiert, die „nachgereichte Arbeit am Mythos von Überheblichkeit und strafender Replik“ verlaufe sich oft in Spekulationen über Zufälligkeiten, bleibe es doch „ein Fanal aus dem Repertoire der Geschichte von Technik und Fortschritt“.
Blicken wir zurück in „Schiffbruch mit Zuschauer“, so finden wir auch dort die „Titanic“ genau ein Mal erwähnt: „Die Natur manifestierte sich bis zum Untergang der ‚Titanic’ überzeugender als jemals zuvor“, heißt es dort – bis, wohlgemerkt, nicht im. Denn, so scheint Blumenberg einer Mythisierung der Katastrophe vorzubeugen, im 19. Jahrhundert habe es vor Großbritannien allein Jahr für Jahr hunderte von Schiffbrüchen gegeben, wobei Tausende ums Leben gekommen seien. Damit scheint er dem Ereignis „Titanic“ das Neue schlechterdings abzusprechen. Es mag natürlich sein, dass Blumenberg hier eine Verlegenheit preisgibt: Der Untergang der „Titanic“ wird allzu oft als eine Variante des Promethischen betrachtet – Prometheus gehörte bekanntlich zu den Titanen und wurde für seine Tat am Felsen bestraft. Diese Verbindung zog auch der unerschütterliche Optimist Settembrini in Thomas Manns „Zauberberg“, der noch im Untergang der „Titanic“ einen Fortschritt der Humanität erkennen wollte. Sich in solche Verrenkungen zu begeben wird kaum in Blumenbergs Interesse gewesen sein.
Man muss, es wurde schon angedeutet, unterscheiden zwischen dem Eisberg als Metapher und der Chiffre „Titanic“. Dennoch bleibt der Verdacht, es werde etwas bewusst übergangen. Blumenbergs kursorische Erwähnungen der „Titanic“ legen die Abwehr einer vertiefenden Beschäftigung nahe. Darin eine Gefahr für Blumenbergs Ehrenrettung der Neuzeit zu vermuten hieße, diese zu unter- und die Macht der „Titanic“ als Metapher zu überschätzen. Der Eindruck, Blumenberg habe sich dieses Komplexes nur mit Unbehagen angenommen, bleibt jedoch bestehen. Wahrscheinlich ist der Untergang der „Titanic“ dasjenige Ereignis, das den Eisberg in die allgemeine Wahrnehmung gerückt hat und es dort auch 100 Jahre später hält. Blumenberg umgeht es, indem er sich dem Eisberg unter einem gänzlich anderen Blickwinkel nähert. Hier kann der Rezensent nicht umhin, die Eisbergmetapher im Blumenberg’schen Sinn zu gebrauchen: Es ist an Blumenbergs Beschäftigung mit derselben wohl viel mehr, als sich dem Auge erschließt.
Nachgelassenes Unbehagen
Auch Blumenbergs Nachlass in seiner Gesamtheit betrachtet legt das Bild vom Eisberg nahe. Setzte man die Menge des daraus bereits Publizierten in ein Verhältnis mit dem, was noch zu erschließen wäre, käme man wahrscheinlich auf eine Proportion, die Blumenbergs strengen Kriterien leidlich genügte. Problematischer wäre schon die Behauptung, das zu Lebzeiten veröffentlichte Werk sei nur die Spitze eines Eisbergs, dessen Sockel wiederum vom Nachlass gebildet würde, das Unveröffentlichte also durchweg von gleicher Qualität. Nicht, dass man aus Letzterem nichts über die Denk- und Arbeitsweise Blumenbergs lernte. Aber die Lehre ist nicht zuletzt, dass Blumenbergs Kunst auch darin lag, noch in den dicksten Büchern sein Material zu verdichten und auf geradezu mitreißende Art auszulegen und zu kombinieren. Gerade diese Qualitäten fehlen manchen Nachlasstexten, die darum, auch wenn sie druckreif ausformuliert zu sein scheinen, wohl besser als Vorarbeiten betrachtet würden. Ein von Blumenberg tatsächlich autorisiertes Buch zu den Wassermetaphern läse sich gewiss anders.
Die Erschließung und Erhaltung des Nachlasses finden seit einigen Jahren im Deutschen Literaturarchiv (DLA) zu Marbach statt. Den Verantwortlichen ist hoch anzurechnen, dass sie den Nachlass nicht nur für die Wissenschaft zugänglich gemacht, sondern auch die Aufmerksamkeit für denselben unter der interessierten Öffentlichkeit geschärft haben. Die editorische Praxis jedoch, die an diese Arbeit anschließt, ist nicht immer nachvollziehbar. Dass die Veröffentlichung gerade der hochinteressanten frühen Aufsätze Blumenbergs nicht unbedingt in den Zuständigkeitsbereich des DLA fällt, ist noch am ehesten verständlich. Dass Dissertation und Habilitationsschrift Blumenbergs noch der Veröffentlichung harren, verwundert dagegen. Nun ist dies kein neues Problem. Sogar eine Tagung in Marbach hat sich mit ihm befasst, allerdings ohne dass dabei eine konsequente Editionspolitik herausgekommen wäre. Es steht außer Frage, dass der Anspruch auf Vollständigkeit angesichts der Menge an Notaten, Fingerübungen, Merkzetteln und Briefen bis hin zu ausformulierten Vorträgen, Artikeln und Buchkapiteln illusorisch wäre. Wünschenswert wäre für die Forschung aber ein Publikationsplan, der etwa beim Briefwechsel ansetzen oder Paralipomena zu erschienenen Werken versammeln könnte. Ein solches Vorgehen diente eher einer Schärfung des bestehenden Blumenberg-Bildes, das vor vermeintlichen Nebenwerken zu verschwimmen droht.
Nachlasseditionen lenken die Rezeption immer in bestimmte Bahnen. Der bisherigen Politik muss man immerhin zugute halten, dass sie derer viele gezeigt hat: Blumenberg als Technikphilosoph, Phänomenologe, Anthropologe, Leser Ernst Jüngers und Briefpartner Carl Schmitts – als Metaphorologe sowieso. Doch nicht immer geschah dies auf eine Weise, die den Zusammenhang mit dem Gesamtwerk deutlich gemacht hätte. Im vorliegenden Fall etwa gibt das Nachwort zwar alle Auskünfte, die Forscher sich zur Edition wünschen könnten, doch es kann die Einordnung der Texte zwischen die frühe Metaphorologie Blumenbergs und seiner späteren (ebenfalls größtenteils nachgelassenen) „Theorie der Unbegrifflichkeit“ nur knapp umreißen. Ein Band wie der vorliegende ist also nur als Beginn der notwendigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den nachgelassenen Texten zu betrachten. Auch deshalb überrascht es ein wenig, dass diese doch vor allem für Spezialisten interessante Sammlung ausgerechnet in der „Bibliothek Suhrkamp“ (im Großformat) herausgekommen ist, in der bislang literarisch ausgefeilte, essayistische Texte Blumenbergs erschienen sind. Immerhin wurde so „Quellen, Ströme, Eisberge“ die für diese Reihe übliche, äußerst sorgfältige Ausstattung mit Fadenheftung und Lesebändchen zuteil.
Nachlassbände, von denen man sich eine Komplettierung des Werkes erhoffen würde, tragen gerade im Fall Blumenbergs manchmal zur Verwirrung bei. Man wird allerdings nicht mit Gewissheit zu behaupten wagen, derlei könne unmöglich im Sinne eines Philosophen sein, der auf das Recht seines Standes pochte, Antworten zu verweigern und sich der Festlegung nach Möglichkeit entzog. Eine Maxime Senecas hat er sich vorsorglich zurechtübersetzt: „Wer sich davonzumachen weiß, ist nicht bedrückbar.“**
Joe Paul Kroll
Hans Blumenberg: Quellen, Ströme, Eisberge. Beobachtungen an Metaphern. Herausgegeben von Ulrich von Bülow und Dorit Krusche. Berlin: Suhrkamp Verlag 2012 (= Band 1469 der Bibliothek Suhrkamp). 303 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. 21,95 Euro. Zur Leseprobe des Buches (PDF) hier.
* Hans Blumenberg: Die Sorge geht über den Fluß. Suhrkamp 1987.
** Hans Blumenberg: „Ein mögliches Selbstverständnis“, in ders.: Die Verführbarkeit des Philosophen. Suhrkamp 2000.