Fragen an mich im Park
– Kurzer Vorbericht zu den 36. Tagen der deutschsprachigen Literatur. Von Senta Wagner.
Während ich mir Luft zufächelnd etwa im Ingeborg-Bachmann-Park stehe, bietet es sich an, sich erste Fragen zu stellen zu den knapp bevorstehenden Literaturtagen (4.–8. Juli 2012) rund um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt. Man muss wissen, es ist sehr heiß heute, wie seit Tagen jeden Tag, und der Park liegt in Wien, genauer im Ortsteil Kagran im 22. Bezirk Donaustadt, und ich fahre morgen zum ersten Mal nach Klagenfurt. Wer in „Malina“ über die „Geheimnisse der Prinzessin von Kagran“ schreibt, an den erinnert nun seit 2003 selbstverständlich ein Park. Der Ingeborg-Bachmann-Preis, den die Landeshauptstadt Klagenfurt in Höhe von 25.000 Euro stiftet, wird dagegen in diesem Jahr bereits zum 36. Mal vergeben – eine Würdigung der bedeutenden österreichischen Dichterin (geb. 1926 in Klagenfurt, gest. 1973 in Rom) und einer der bedeutendsten deutschsprachigen Literaturpreise.
Mit meinem zweckfreien Herumstehen im Park mache ich mich innerlich also intensiv an das „Bachmannkampflesen“ heran, bereite mich vor. Die erste Frage lautet: Ist es am Wörthersee auch so heiß? Das ORF-Theater, wo die Veranstaltung stattfindet, ist sicher klimatisiert. Bei den Liveübertragungen von 3sat sah das dort bisher immer irgendwie so beengt aus, nur bei der Jury ging es luftig zu. Überhaupt die Jury, die ist siebenköpfig, und die Kritikerin Daniela Strigl immer noch dabei seit ihrer ersehnten Rückkehr 2011. Es muss laut Tex Rubinowitz einen „Templ-of-Strigl“ gegeben haben, sie gilt als Idol. Dies wäre eventuell vor Ort zu überprüfen. Letztes Jahr hat sie „mit ihrem guten Riecher“ die Kärntner Slowenin Maja Haderlap vorgeschlagen und zur Bachmannpreisgewinnerin gemacht. Die war ja auch meine Favoritin. Werden wir wieder einer Meinung sein? Ich könnte ihr mit einem Kopfnicken aus dem Publikum beipflichten, oder blickt die Jury nur in ihre Zettelwirtschaft? Schreiben die eigentlich mit? Kriegt das Publikum, wenn es denn einen Platz gefunden hat und nicht das Public Viewing von 3sat vorzieht, auch wirklich die Texte zum Mitlesen? Ich stelle mir vor, was für ein Geraschele und Gefächere das wird.
Die jeweils sieben Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden vorab von der Jury begründet vorgeschlagen und dann von den Veranstaltern eingeladen. Dem gehen eine Bewerbung und eine Verlagsempfehlung voraus. Die Vortragstexte müssen im Sinne der Statuten unveröffentlichte Manuskripte sein. Haben die alle einen Roman, eine Erzählung in Petto? Jeder Juror ernennt also zwei Teilnehmer, ob das ein Pärchen sein muss, wäre die Frage. Wahrscheinlich nicht, aber paritätisch soll es wohl zugehen. Der Kritiker der ZEIT Hubert Winkels hat zwei Nachwuchstalente ausgewählt, nämlich die 25-jährige Österreicherin Cornelia Travnicek (zur CM-Rezension) und die 29-jährige Ravensburgerin Lisa Kränzler. Strigl setzt auf ältere Semester: Sabine Hassinger und den Romanautor und Übersetzer Leopold Federmair. Juror Paul Jandl hat den in Leipzig lebenden Matthias Senkel (zur CM-Rezension) vorgeschlagen, der jetzt mit einem Romandebüt überzeugen konnte, und die auf Russisch und Deutsch schreibende Dichterin Olga Martynova. Was machen die bloß, wenn ihre Texte ausdauernd oder wohlmöglich heftig diskutiert werden? Schwitzen oder Löcher in die Luft starren?
Dann frage ich mich noch: Lässt mich meine Konzentration auch nicht im Stich bei fünf Stunden Literatur pro drei Tage? Und werde ich auch weinen müssen am wunderschönen Klagenfurter Lendhafen („dem kleinsten Hafen der Welt“), wenn es am Abend Literaturdjing mit DJane Commander Venus und sporadisch auch Tex Rubinowitz geben wird? Am besten sollen sie, wenn ich im Liegestuhl liege, ihre Kosesongs vom letzten Jahr spielen, „Musik, die so dezent ist, dass man nicht genau weiß, träumt man gerade vom Schlaf oder ist man hier soeben aus der Kohlenstoffwelt in eine Wahrnehmungsritze gefallen, …“ (Rubinowitz)
Keine Fragen mehr für heute: Ich freue mich auf die Texte, auf die Vortragenden, auf alles. Den Stand der Literatur.
Senta Wagner
Preise 2012
Ingeborg-Bachmann-Preis
Kelag-Preis (10.000 Euro), gestiftet von der Kärtner-Elektrizitäts-Aktiengesellschaft
3sat-Preis (7.500 Euro), gestiftet von 3sat
Ernst-Willner-Preis (5.000 Euro), gestiftet von deutschen und österreichischen Verlagen
BKS Bank Publikumspreis (7.000 Euro)Programm 2012
Mittwoch, 4. Juli: Eröffnung. 13. Klagenfurter Rede zur Literatur von Ruth Klüger. Auslosung der Reihenfolge. Donnerstag bis Samstag: Lesungen und Diskussionen. Sonntag, 8. Juli: Preisverleihung. Liveübertragung auf 3sat. Mehr hier. Foto: Grafitti von Jef Aerosol am Musilhaus in Klagenfurt. Quelle: Wikipedia.Literaturquelle
Tex Rubinowitz: Rumgurken. Reisen ohne Plan, aber mit Ziel. Reinbek, Rowohlt Verlag 2012. 224 Seiten. 11,99 Euro