Na also, geht doch … Carlos hat’s drauf und der Markt endlich den Regio-Noir, den er wirklich verdient, knallhart, schonungs- und tabulos, realistisch und verdammt ehrlich …
Halten Sie den Kindern die Augen zu und ab die Post:
Es wird Zeit, dass ich mal einen richtig harten Thriller schreibe. Und das läuft wie geschmiert! Das wird mein Durchbruch. Ich werde reich! Der geneigten Probeleserschaft sei ein Blick ins Werk gegönnt:
Joe Monaco-Gutfleischs erster Heidelbergfall
Blutpansen Groundzero
„Du denkst vielleicht, das Leben wäre so, wie es dir vorkommt. Du denkst, dass es gute und schlechte Tage gibt, Tage, an denen du die Sonne spürst, Tage, an denen du dir mit einem doppelten Scotch die Sonne ins Herz holen musst. Du denkst, dass da draußen eine Frau ist, die du lieben wirst, die dir drei Kinder schenkt, zwei süße Töchter, einen strammen Sohn. Du denkst, du wirst Sorgen haben, um deine Drei, du wirst Nächte am Bett deiner Kinder verbringen, ihre fiebrigen Stirnen kühlen, ihnen ein Lied singen, das sie schlafen lässt. Aber du denkst, sie werden wieder gesund, wachsen heran, gehen ihren Weg.
Und eines Tages, o ja, das denkst du, sitzt du auf deiner Veranda, deine Frau im zweiten Schaukelstuhl neben dir und ihr habt zwei süße Enkel auf den Knien. euer Labrador Kai döst in der Sonne, euer Auto steht im Schatten, du weißt, da draußen gibt es das Böse, aber es ist weit weg und du hast deine Familie beschützt.
Du denkst, du bist eines Tages in einem Hospiz, wo sich üppige osteuropäische Pflegerinnen um dich kümmern, im Bett daneben deine Frau – viel könnt ihr nicht mehr tun, aber es reicht immer noch für eine Partie „Rate, rate, was ist das, es ist kein Fuchs, es ist kein Has!“ Und bis vor kurzem, denkst du, ich weiß es doch, konntet ihr auch noch „Ich sehe was, was du nicht siehst!“ spielen, aber du bist an deinem Tumor erblindet. Und dann, denkst du, wird eines Tages alles leicht und du siehst auch ohne deine Augen ein helles Licht, in das du eingehst, mit deiner Frau.
Und außerdem denkst du ja sowieso die ganze Zeit, dass du beruflich erfolgreich sein wirst, von vielen Menschen bewundert, dabei immer noch Zeit für deine Hobbys hast, die da wären Cembalo spielen, nach antiken Münzen tauchen und freiwillig bei Darmspiegelungen helfen.
Ich kann dir sagen, das Leben ist nicht so.
Das Leben ist ganz und gar nicht so.
Ich heiße Joe Monaco-Gutfleisch und gelte als harter Hund. Die Leute engagieren mich, wenn sie einsehen, dass das Böse nicht irgendwo ist, sondern auf ihrem verschissenen Spießersofa sitzt und die Chips wegfrisst.
Ich mache die schmutzigsten Sachen, aber ich lege mich nicht mit den Cops an, das sollst du wissen. Denn ich rede nicht mit den Cops. Ich rede nicht mit aufgepumpten Schwächlingen, die sich zum 50ten von ihrer Scheißgewerkschaft einen blasen lassen. Und ich töte keine Kinder.
Denn ich war selbst einmal ein Kind.
Ich war ein süßes Baby, es gibt einige wenige Fotos, die das belegen, ich war honigsüß. Dann kamen sie, die sogenannten Männer, der sogenannten ehrenwerten Gesellschaft, töteten meine Eltern und schnitten mir die Ohren ab. Da wusste ich, dass mein Leben ein Kampf werden würde. Und ich wusste auch: Ich will diesen Kampf gewinnen. Ich höre nicht besonders gut und ich sehe auch nicht besonders gut, denn ich kann ohne meine Ohren ja keine Brille tragen. Und doch, Jemand hat mal gesagt: Man sieht nur mit dem Herzen gut.
Er hat teilweise recht. Aber das Herz muss hart wie ein Diamant sein, damit wir klar sehen. Und nur mit Hass und Zorn kann es uns gelingen diesen Diamanten zu schleifen, zu polieren.
Ich bin nie zur Schule gegangen, musst du wissen. Ich habe alles in den Straßenschluchten dieses Dschungels, den wir unsere Stadt nennen, gelernt.
Ich kann sagen, dass ich Heidelberg kenne.
Und daher sage ich dir, wie dein Leben sein wird. Das wird nicht schön. Aber du musst als allererstes wissen: Es ist nichts schön. Es wird nur die Scotch-Tage geben. Keine Sonne, nie. Höchstens ein fahles Licht, kaum heller als die Venus. Und du wirst keinen Scotch vertragen.
Da draußen ist auch keine Frau für dich, das denkst du nur, du findest sie süß, du magst, wie sie sich anzieht und du wirst verrückt, wenn sie mit dir schläft. Aber sie ist keine Frau, sie ist ein perverser Transvestit namens Hubert. Ein Bursche, den ich mindestens schon so oft in den Knast gebracht habe, wie ich Chemotherapien hatte – aber er schafft es immer wieder sein schmutziges Leben in Freiheit zu genießen. Und also wird das nichts mit Kindern mein Freund. Ihr adoptiert zwar eines, ein hässliches, erbkrankes Geschöpf aus den Anden, aber das ertrinkt in den reißenden Fluten des Neckars, als du einen Moment nicht aufpasst, weil dich ein verdammtes Wildschwein aus dem Odenwald in deinen bleichen, weichen Stubenhockerarsch beißt.
Was soll ich sagen?
Du wirst es nicht wahrhaben wollen, wirst nicht einsehen wollen, dass es auf dieser verschissenen Erde keinen Ort gibt als der der Hölle – und ich meine die richtige Hölle, nicht diese Kindersauna für feige Katholiken, Protestanten und sonstige Gottesel – kein Ort ist der Hölle so nah wie Heidelberg.
Ihr adoptiert noch ein Kind, ein verschlagenes verstrahltes ukrainisches Weibstück, wie zum Hohn namens Maria, so radioaktiv, dass ihr Laufstall schmilzt. Sie will keine Geschichten hören, sie will nicht, dass du ihre kochende, vernarbte Tschernobylstirn kühlst, du probierst es dennoch und deine Hand verdampft. Das war es mit dem Cembalo spielen, mein Freund. Die einzige antike Münze, die du je findest, ist in Wirklichkeit eine Blechmedaille, verliehen an irgendeinen verschissenen Hurensohn, der in irgendeinem verschissenen Jahr gegen ein paar andere Hurensöhne im gottverdammten Sackhüpfen gewonnen hat.
Bleiben die Darmspiegelungen. Du darfst tatsächlich bei Darmspiegelungen mithelfen. Aber das wird dir lange nicht so viel Spaß machen, wie du heute denkst. Es wird dir überhaupt keinen Spaß machen, mein Junge, ja, du wirst es hassen.
Und gleichzeitig wirst du nicht davon loskommen. Glückwunsch – der einzige Darmspiegelungenjunkie auf unserem herrlichen Terrorfelsen, genannt Hurenmutter Erde.
Und während sich dein Mariamonster munter jedem Kerl auf den Schritt wirft, der dann nur noch ein blutiger, verstrahlter Klumpen ist, während Hubert sich davon macht, um mit deinem Sparbuch in der Hölle, die da Brasilien heißt, eine Ranch zu kaufen, die eigentlich schlimmer als jedes Gefängnis ist, während allem diesem sitzt du nicht auf der Veranda, denn du wohnst in einer Sozialwohnung der billigsten Sorte: Ohne Veranda, ohne Balkon, ohne Fenster, vor allem: Ohne Klasse, ohne Stil.
Du sitzt ohne Enkel in deiner dunklen Stube und dir fällt nicht einmal mehr auf, dass du mal Kai, den Labrador, wolltest, du bist mit der Riesenratte Kevin zufrieden. Okay, du hast ein Auto. Aber es fährt nicht. Es fährt nie, ist noch nie gefahren!
Aus all dem kannst du schließen, dass es auch beruflich nicht so richtig vorangeht – genauer gesagt, man hat dich gefeuert, wegrationalisiert, wie das die sodomitischen Schweine aus der Hochfinanz nennen, wenn sie sich nicht gerade ihre grindigen Körper von importierten Tantranuttensklavinnen massieren lassen. Deine Pflichten wurden unter dreien aufgeteilt: Einem Kaffeeautomaten, einem Absperrband und einem Albaner.
Also wird dein Hospiz eine Zeitung unter der alten Brücke sein, inmitten des barbarischsten Gesindels, inmitten der Crackzombies, Leprösen, der illegalen kambodschanischen Garrottmörder, die zerstören, was in dieser stadtgewordenen Apocalypse noch halbwegs funktioniert hat.
Das wirst du sein: Gerade noch lebend – unter den Totengräbern von Heidelberg.
Ich glaube kaum, dass jemand etwas mit dir spielen wird, vielleicht irgendein paranoider Klebstoffschnüffler mal Stein, Schere, Papier, aber mehr ist nicht drin.
Und geschissen auf dein helles Licht zum Abgang. Du wirst eine gigantische Jauchegrube sehen, und kaum hast du sie gesehen, bist du auch schon für alle Ewigkeit in Scheiße gepackt.“
Monaco-Gutfleisch löschte seine Zigarette im rechten Auge und wies auf den freien Stuhl vor seinem Schreibtisch. „Aber setz dich erst mal, Junge. Was kann ich für dich tun?“
Carlo Schäfer
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