Old Man Travelling
Animal Tranquillity and Decay,
a Sketch
— The little hedge-row birds,
That peck along the road, regard him not.
He travels on, and in his face, his step,
His gait, is one expression ; every limb,
His look and bending figure, all bespeak
A man who does not move with pain, but moves
With thought – He is insensibly subdued
To settled quiet : he is one by whom
All effort seems forgotten, one to whom
Long patience has such mild composure given,
That patience now doth seem a thing, of which
He hath no need. He is by nature led
To peace so perfect, that the young behold
With envy, what the old man hardly feels.
– I asked him whither he was bound, and what
The object of his journey ; he replied
„Sir ! I am going many miles to take
„A least leave of my son, a mariner,
„Who from a sea-fight has been brought to Falmouth,
And there is dying in an hospital.“
Alter Mann, zu Fuß
Lebens Stille und Verfall,
eine Skizze
— Die kleinen Heckenvögel,
die an dem Wegrain picken, achten seiner nicht.
Er stapft dahin. Sein Antlitz und sein Schritt
und Haltung tragen einen Ausdruck : jedes Glied,
sein Blick, der eingekrümmte Rumpf beschreibt
den Mann, der nicht mit Schmerzen sich bewegt,
doch unter Nachdenken – empfindungslos wattiert
in abgesunkner Ruh – einer, dem alles Mühen
vergessen scheint – dem lang Gedulden
so mild Ergebenheit verliehen hat, daß nun
Gedulden selber scheint als etwas, dessen
er gar nicht mehr bedarf. Natur hat ihn geführt
zu so vollkommner Ruhe, daß der Junge
mit Neid betrachtet, was der Alte kaum mehr spürt.
– Ich fragte ihn, wohin er gehe, und was
die Zwecke seiner Reise seien. – Er sprach :
„Sir ! Viele Meilen geh ich, um von meinem Sohn
„Abschied zu nehmen, einem Seekadetten,
„der aus dem Seegefecht nach Falmouth ward gebracht,
wo er in einem Lazarett im Sterben liegt.“
Übersetzt von Wolfgang Schlüter
Einen Dichter des 18. Jahrhunderts in eine Lyrik-Reihe aufzunehmen, in der bislang ausschließlich Autorinnen und Autoren des 20. Jahrhunderts vorgestellt wurden, bedarf einiger begleitender Worte. Dass WILLIAM WORDSWORTH (1770-1850) zu den bedeutendsten Lyrikern der Weltliteratur zu zählen ist, würde in England niemand zu bezweifeln versuchen. Dort wird er selbstverständlich neben Shakespeare und Dickens gestellt.
Im deutschsprachigen Raum jedoch ist er bislang merkwürdig wenig beachtet worden. So ist sein Werk beispielsweise bislang eher rudimentär und an verstreuten Orten in deutscher Sprache bekannt gemacht worden. Besonders hervorzuheben ist hier der von Wolfgang Schlüter übersetzte und in den „Straelener Manuskripten“ edierte, zweisprachige Band „I wandered lonely as a cloud“.
Jahrhunderte später glaubt man in den Langgedichten etwa von Michael Hamburger, Seamus Heaney oder auch Derek Walcott ein fernes Echo von Wordworth zu vernehmen. In Distanz stehend zur „Französischen Revolution“ war Wordworth sicherlich ein konservativer Kritiker seiner Zeit, aber den Stil seiner Gedichte würde man aus heutiger Sicht als bereits sehr „modern“ bezeichnen. Erzählend, keine Reime, Alltäglichkeiten nicht zugunsten erhabener Poesie verdrängend, nicht ohne Tempo geschrieben.
Warum Wordworth bei uns so wenig beachtet worden ist, hat Wolfgang Schlüter in einem Gespräch mit dem „Deutschlandfunk“ zu erklären versucht: „Wenn es darum gegangen wäre, Wordsworth ins Deutsche zu bringen nun ja, es hätte im 18. Jahrhundert in der Wielandzeit die Generation um Goethe, Kleist und Wieland sich Wordsworthens annehmen können. Aber dagegen stand offensichtlich ein Verdikt Goethes, der ganz eindeutige Prioritäten setzte: Nein, die englische Romantik wird repräsentiert von Lord Byron. Was nicht Byron ist, ist nicht gut, nicht gut genug. Und was Goethe sagte, war verbindlich für lange Strecken des 19. Jahrhunderts.“
Sorry, Geheimrat Goethe, hier irrten Sie…Wenn auf Gedichten wie denen von Wordsworth noch nach Jahrhunderten kein Staubkorn von Patina, Kitsch und Pathos liegt, dann handelt es sich um gute Lyrik, die vermutlich auch noch weitere Jahrhunderte Bestand hat.
Carl Wilhelm Macke
Aus: William Wordsworth: I wandered lonely as a cloud. Balladen, Sonette, Versepen. Übersetzt und herausgegeben von Wolfgang Schlüter. ‚Straelener Manuskripte‘, Neue Folge, 2011. 208 Seiten. 24,90 Euro.
Bild: Benjamin Robert Haydon: Porträt des William Wordsworth, 1842. Quelle: Wikipedia Commons.