Geschrieben am 16. März 2013 von für Bücher, Crimemag

Bettina Raddatz: Die Kanzlerkandidatin

053488786-die-kanzlerkandidatinTypisch für den Sumpf in Hannover!

Es hätte ein guter Politthriller werden können, dieser letzte Teil der Trilogie von Bettina Raddatz. Die Autorin hat jahrelang in der niedersächsischen politischen Administration gearbeitet und Insiderwissen schadet nie. Aber Christiane Geldmacher ist enttäuscht …

Nach dem „Spitzenkandidat“ und der „Staatskanzlei“ geht es auch in der „Kanzlerkandidatin“ um Macht und Morde im politischen Milieu. Das Problem ist: Man muss sich bei Raddatz durch zu viele Klischees lesen, als dass es wirklich interessant werden könnte. Da gibt es die tüchtige, aber humorlose Büroleiterin; die langweiligen oder zynischen Politiker und Bürokraten; die Männer, die sich fragen, wie Frauen in hohen Stöckelschuhen laufen können; die Ehemänner, die immer als Letzte von den Affären ihrer Frauen erfahren; die Männer mit Geld, die Frauen wie Motten das Licht anziehen. Die titelgebende Kanzlerkandidatin schläft sich natürlich nach oben durch: Sie geht mit Männern ins Bett, die ihr eigentlich zuwider sind. Ja, manchmal möchte sie kotzen.

Amtsdeutsch

Sprachlich wird der Leser von Raddatz mit zu vielen Redewendungen abgespeist. Da glaubt die Kriminalbeamtin auf dem Gesicht eines Abgeordneten „Trauer zu erkennen“; da fällt auf das Gesicht eines ehemaligen Stasibeamten „ein Schatten“ (als ihn die Erkenntnis durchdringt, dass ein Aufmucken der Stasi vielleicht schon früher das Ende der DDR bedeutet hätte!), da ist der Tod eines Abgeordneten ein „herber Schlag“: Raddatz’ Dialoge sind durchsetzt von Amtsdeutsch, auch im Privaten. Hier „obliegen strategische  Aufgaben“, hier „fallen Kosten für die doppelte Haushaltsführung an“ und hier muss man „unverzüglich tätig werden“. Keine eigene Sprache, keine mitreißenden Figuren, kein Flow.

Der Plot ist eigentich okay, ein Whodunnit: Ein Landtagsabgeordneter wird ermordet, später ein Großinvestor, dabei geht es gar nicht mal unklug um Macht, Korruption, Lobbyismus, Organhandel, Flüchtlinge in der BRD. Es gibt viele Querverbindungen und der Täter ist zum Schluss einigermaßen plausibel. Ab und zu gibt’s sogar einen Mehrwert, etwa wenn „Jürgen“ der Lebensgefährtin „Verena“ (und Ermittlerin) die Rückvergütung erklärt:

 „Es heißt, dass er mithilfe willfähriger Politiker anderen Unternehmen Staatsaufträge vermittelt hat, vorneweg dem Bauunternehmer Schlenkermann. Der wiederum hat fingierte, will sagen, überhöhte Rechnungen ausgestellt. Ein Teil des Geldes, zehn Prozent oder so, soll später an Baumgart und an die beteiligten Politiker zurück geflossen sein. Daher der Name Rückvergütung.“
„Das ist doch Betrug“, empörte sich Verena.
„Ja, und? Interessiert keine Sau. Zumindest nicht solange die Hintermänner im Geld schwimmen. Geld, mit dem sie Politiker ködern: Parteispenden, Sponsoring, Einladungen zu Luxusfeten und Luxusurlauben. Das ist ein geschlossener Kreislauf. Solange die Beteiligten die Klappe halten, fliegt das nicht auf. Die Dummen sind die Steuerzahler. Sie müssen für die überhöhten Rechnungen aufkommen.“

Jo. Das liest sich aber dann doch in jedem SPIEGEL-Artikel irgendwie unterhaltsamer. Sprachmächtigere Autoren können bei solchen Themen richtig hinlangen. Dazu braucht es einfach ein paar Umdrehungen mehr.

Christiane Geldmacher

Bettina Raddatz: Die Kanzlerkandidatin. Roman. Wien: Braumüller Verlag 2013. 456 Seiten. 19,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Homepage von Bettina Radatz. Die Staatskanzlei und „Der Spitzenkandidat“ bei culturmag. Zum Weblog von Christiane Geldmacher.

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