… wir erinnern uns: Carlos war im Urlaub, daraus entstand die Kanarische Trilogie (zu Teil I), deren zweiten Teil Sie hier und heute lesen …
Kanarische Trilogie II: Das Haus, der Pool
Wir verlassen das Hotel, diese Maschine zur Erzeugung von schalem Urlaubsgenuss. Mein vorletzter Blick gilt einem ostdeutschen Rentner im Rollstuhl, dem das halbe Gesicht fehlt.
Der letzte der Rezeptionistin, die auf unsere Nachfrage sagt, sie kenne diese Feriensiedlung, in der unser Haus steht, nicht. Nach einem Blick ins Internet fügt sie hinzu, sie finde sie auch nicht auf diesem Wege.
Sie lernt eine neue Kraft ein. Wie schon die sibirische Stewardess. Lässt uns denn diese Krise alle alles neu lernen?, philosophiere ich. Und ist sie also etwas Gutes, die Krise? Und gibt es unser Haus denn überhaupt?
Keine drei Stunden, nach zahllosen Nachfragen und Rettung durch eine dicke Spanierin aus Essen finden wir es. Die ganze Siedlung ist, so lese ich später nach, wie alles (!) in dieser Gegend der Insel, illegal errichtet, darf aber trotzdem stehen bleiben. Und die Betreiber sind in Freiheit, Amt und Würden.
„Werfen Sie nichts weg, verbrauchen Sie möglichst wenig Wasser, fahren Sie nicht Auto! Lanzarote ist eine sensible Insel.“ So flötet es einem am Flughafen von mehreren Wänden entgegen. Allein das Chlorhotel hatte zwei riesige Pools. Ich werfe meine Kippe aus dem Auto und biege das letzte Mal ab. Wir sind da.
„Sorry for the delay!“ Der Hausverwalter küsst meine Frau, ergreift meine Rechte mit beiden Händen. „Sorry, sorry!“ Um uns gänzlich zu umgarnen, überreicht er Geschenke. Eine winzige Flasche Wein. „There is nothing chemical inside!“ (Prima, demnach alkoholfrei.) Und einen Käse: „Is smoked! Is very good for …“ Er macht eine kreisende Bewegung über seinem gesamten Oberkörper. Freilich – der Pool sei noch nicht gereinigt. Man könne ihn dennoch benutzen, aber morgen komme ein Mann, der ihn ganz sauber mache, alles, ganz, richtig. Kein Problem! „Good bye!“
Ein pyknischer Inka mit Baseballmütze und sein rundköpfiger Kollege beginnen am nächsten Morgen wortlos ihre Arbeit. Wir sitzen daneben und trinken Kaffee. Da es eine sensible Insel ist, spüle ich meine Tasse nicht.
Schnell wird klar, dass auch der Rundkopf angelernt wird – der Trend setzt sich fort. Was, wenn ich krank werde? Wer wird mich aufschneiden und vernähen, wer mich (hoffentlich) betäuben? Ich schwitze.
Der Rundköpfige öffnet schwungvoll eine Flasche mit schwarzer Flüssigkeit und will sie in den Pool kippen. Mit panischem Gesichtsausdruck verbietet dies der Inka. Stattdessen rührt er in einem großen Eimer eine milchige Flüssigkeit an. Es riecht sofort wieder nach Chlor, und wie. Er kippt das Gebräu ins Wasser und hustet ein wenig. Dann stehen die beiden einfach da. Minutenlang. Da es eine sensible Insel ist, und eine Chlorgasexplosion gar nicht gut wäre, verzichte ich trotz ansteigender Nervosität auf’s Rauchen. Wir machen einen Ausflug.
Es klingt unglaublich, aber als wir Stunden später heimkehren, stehen die beiden scheinbar unverändert einfach da. Ich kämpfe Panik nieder. Was, wenn sie einfach bleiben? Tagelang, die ganzen zwei Wochen?
Eine halbe Stunde später kommt aber Bewegung in das Ganze – ein wenig:
Auf dem Pool haben sich kleine Schaumkronen gebildet. Hier und da schwimmen Algeninseln, die der Adept hilf- und erfolglos mit einem Pappbecher abzuschöpfen versucht. Der Inka steht stoisch, ja apathisch daneben.
Ich greife zum letzten Mittel und schenke ihm eine Flasche Wein. Er freut sich, packt sie rasch, ohne, dass sein im Trüben fischender Kollege von der Gabe etwas mitbekommt, zu seinen Sachen.
„Tomorrow is finish! Tomorrow morning!“
Und was soll man sagen – das stimmte. Im Lauf der ersten Woche kamen aber ein paar resistente Algen wieder und in deren Gefolge auch der Inka. Erneut, diesmal aber rasch, kippte er allerhand Höllengifte (zumindest der Pool und wir sind wohl nicht sensibel) ins Wasser und empfahl sich. Innerhalb von 24 Stunden verdreifachte sich die Algenmenge.
Nächste Woche: Der perfekte Mann
Carlo Schäfer
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