Schönheit der Melancholie
– Was macht einen guten Coversong aus? Versuch einer Antwort: Dem gecoverten Titel ein eigenes Gesicht verleihen. Ihm einen Twist geben, den man so in dem Song gar nicht vermutet hätte. Richtig gute Beispiele: die Coverversion der Band Cake von „I Will Survive“, in einer komplett verschleppten Slackeraufnahme, oder auch „Gfickt für immer“ von der Neigungsgruppe Sex, Gewalt und gute Laune, die das Original von den Babyshambles schön ins Wienerische transportiert.
Wenn die Kür gelingt, dann ist die Coverversion sogar besser als das Original, dann okkupiert der Kopierer den Erfinder und macht den Song zu seinem eigenen. Bestes Beispiel hierfür natürlich Johnny Cash, nach dessen monumentalem „Hurt“ man die ebenfalls großartige Version von Nine Inch Nails niemals mehr mit denselben Ohren hören wird (dasselbe gilt nach Cash für Depeche Modes „Personal Jesus“).
Scott Matthew, der große Leidensmann der zeitgenössischen Popmusik, hat nun auch ein Coveralbum herausgebracht. Und auch er drückt den Songs unwiderstehlich seinen Stempel auf. Stark, wie er aus einem Disco-Pop-Hitchen wie Whitney Houstons „I Wanna Dance With Somebody“ ein fragiles Sehnsuchtslied macht, oder Joy Divisions „Love Will Tear Us Apart“ gleich mit auseinanderreißt. CULTurMAG hat Matthew ein paar Fragen zu seinem Album „Unlearned“ gestellt.
Tina Manske: Wie kam es zu der Idee für dieses Album?
Scott Matthew: Eine Coverplatte zu machen war schon seit Jahren ein Traum von mir. Ich habe nur noch auf den richtigen Moment gewartet, und nach drei eigenen Alben fand ich, ich hatte bewiesen, dass ich es kann. Bei jeder Liveshow haben wir ein paar Coverversionen gespielt, und die wollte ich zusammen mit anderen Tracks auf eine Platte bringen.
Was ist dein Lieblingstrack der Platte und warum?
Für mich ist das meine Version von Kris Kristoffersons „Help Me Make It Through The Night“, weil mein Vater bei diesem Song mitwirkt, er singt und spielt Gitarre.
Nach welchen Kriterien hast du die Songs ausgewählt?
Das war etwas völlig Unakademisches. Ich horchte einfach in mich hinein, auf welche Songs ich reagierte, auch wenn ich zunächst dachte, das sei irgendwie ‚uncool‘. Ich tauchte in meine Vergangenheit ab und fischte bei den Songs nach Bedeutung, die mich unbewusst beeinflusst hatten. Hauptkriterium war, dass ich mich durch die Lyrics und die Melodien berührt fühlte.
„Unlearned“ ist – wie all deine Platten – sehr emotional. Hören wir da den ganz privaten Scott Matthew in diesen Songs?
Natürlich, ja. Ich finde es sehr einfach, mit Musik und Songs diese Seite zu zeigen. Auf eine gewisse Art und Weise ist dieses Album tatsächlich noch persönlicher, weil es zeitlich Jahrzehnte meines Lebens umspannt, anders als eine Platte mit eigenen Songs, bei der es nur ein oder zwei Jahre sind. Vielleicht bekommen das die Hörer gar nicht in dieser Fülle mit, aber ich hoffe, dass sie ihre eigenen persönlichen Bezugspunkte finden.
Planst du nach Berlin zu ziehen, wie es gerade alle anderen tun? 😉
Im Moment nicht, nein. Ich liebe Berlin, aber ich will auch, dass es etwas Besonderes bleibt. Sag niemals nie, aber momentan bin ich einfach froh, dass ich Berlin, diesen fantastischen, einzigartigen Ort, oft besuchen kann. Und New York verlässt man auch nicht einfach so.
Deine Songs klingen immer irgendwie traurig, um das Mindeste zu sagen. Bist du eigentlich ein glücklicher Mensch?
Ja und nein. Ich bin vieles. Ich glaube, das ist auch normal. Nur immer glücklich zu sein ist meiner Meinung nach sicher nicht normal. Ohne die Dunkelheit nimmst du auch das Licht nicht wahr. Und es liegt eine Schönheit in der Melancholie, von der die Kunst seit Jahrhunderten besessen ist. Mit diesem Gedanken fühle ich mich nicht alleine. Was meine Musik angeht, fühlt sich das sehr organisch und beinahe notwendig an, diese Seite von mir zu zeigen. Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich bin eine fröhliche Person und ich liebe es zu lachen.
Tina Manske
Scott Matthew: Unlearned. Glitterhouse (Indigo). Zur Homepage des Musikers.