Geschrieben am 21. August 2013 von für Comic, Litmag

Albert Camus, Katia Fouquet: Jonas oder der Künstler bei der Arbeit

Albert Camus und Katia Fouquet_Jonas oder der Künstler bei der ArbeitZeitlos aktuell

– Am 7. November 2013 würde Albert Camus 100 Jahre alt. Anlässlich dieses Ereignisses erscheint seine Erzählung „Jonas oder der Künstler bei der Arbeit“, die erstmalig 1957 veröffentlicht wurde, als Graphic Novel. Von Anne Kuhlmeyer.

Bevor die Geschichte beginnt, beginnt sie mit der Verzweiflung des leeren Blattes. Der Künstler, das Papier und die Farben … Wer kennt nicht die Faszination und die Qual des Anfangs?

Jonas Eltern trennen sich. Die Mutter ist caritativ tätig und ständig unterwegs, der Vater ist Verleger und unzufrieden mit der Abwesenheit seiner Frau. Nach der Trennung verwöhnen sie Jonas ebenso ausufernd, wie es die Eltern des Freundes Rathenau tun. Jonas ist ein freundlicher und fügsamer junger Mann, als er in den Verlag des Vaters eintritt, eigene Pläne und Ambitionen hat er nicht. Das Verlagsleben langweilt ihn.

Doch während er in seinem Büro herumlungert, entdeckt er seine Leidenschaft: die Malerei. Das ist ganz wunderbar, denn es ist das Einzige, was er tatsächlich will, was ihn treibt, was ihn lebendig macht, ansonsten ist er ein höchst angepasster Mensch, der versucht, allem und jedem zu entsprechen. Schwierig, denn unglücklicherweise ist er erfolgreich mit seinen Gemälden und hat plötzlich eine Armada von Freunden, Schülern, Kritikern und Schnorrern um sich, die die enge Wohnung okkupieren und Zeit und Kraft rauben. Seine Frau unterstützt ihn bis zur Selbstaufgabe, aber auch sie ist mit den drei Kindern, dem wenigen Geld und der Übervölkerung der Wohnung am Rande ihrer Kräfte. Wie nicht anders zu erwarten, versagt Jonas schließlich. Burn out ist das Modewort dafür, Depression trifft es besser, was Jonas heimsucht, im inneren Konflikt zwischen wollen und (mutmaßlichem) müssen.

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Camus‘ Erzählung findet sich in Gänze am Ende des Buches. Abgesehen davon, dass es wenig einleuchtend erscheint, weshalb ein Mensch, der unter solcher Verwöhnung aufwuchs wie Jonas, eine derart ausprägte Strategie der Anpassung entwickeln sollte, ist es eine Geschichte über die Versuchungen und Entbehrungen, über die Leidenschaften, Illusionen und Risiken, die jemand eingeht, wenn er sich für ein Leben als Künstler entschieden hat. Großartig das Skurrile und Absurde darin! Camus eben.

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Die Berliner Künstlerin Katia Fouquet bebildert die Geschichte mit zunächst kindlich-naiv anmutenden, farbstarken Graphiken, die zunehmend wilder, düsterer und monochromer werden. Der Text dazu ist knapp und sinnvoll adaptiert. Einzelne Elemente – Popcorn mampfende, fernsehende Kids, Architektur oder technische Requisiten zum Beispiel – weisen ins Jetzt, was dem Comic, der Erzählung angemessen, etwas zeitlos Aktuelles verleiht.

Im Klappentext heißt es, die Künstlerin ließe subtil ihre eigene Lebenssituation einfließen. Gewiss ist die Situation von Künstlern ein Spagat zwischen kreativem Schaffen und der Notwendigkeit, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Dennoch ist die Geschichte keine, die den Nicht-Künstler nichts anginge. Vielmehr befindet sich ihr Protagonist in einem klassischen Konflikt, den er auf neurotische Weise löst und damit seine Familie in Not und sich selbst in Lebensgefahr bringt. Die finsteren Bilder, die Katia Fouquet dazu gestaltet, illustrieren den existenziellen Kampf auf dramatische, ironische und gekonnte Weise.

Anne Kuhlmeyer

Albert Camus, Katia Fouquet: Jonas oder der Künstler bei der Arbeit. Graphic Novel. Edition Büchergilde, Berlin, 2013. 160 Seiten. 24,95 Euro.

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