Bloody Chops – swusssssch, hack, sprotz ….
Heute am Beil: Frank Rumpel (rum) zu Adrian McKinty: „Der katholische Bulle“, Alf Mayer (AM) zu Garry Dishers „Dirty, Old Town“ und Stefan Linster (SL) zu Corinna T. Sievers „Maria Rosenblatt“.
Unter Katholiken
(rum.) Einen klasse Nordirland-Roman hat Adrian McKinty mit „Der katholische Bulle“ vorgelegt, dem ersten Teil einer neuen Trilogie, die im Belfast von 1981 beginnt, einer Stadt in bürgerkriegsähnlichem Zustand, über der Tag und Nacht die Hubschrauber kreisen, in der sich IRA und deren protestantische Gegenspieler, Militär und Polizei gegenüber stehen. Die Paramilitärs kontrollieren ganze Viertel, kassieren Schutzgeld, handeln mit Drogen. Die Schlagzeilen werden indes von zwei Themen beherrscht: der anstehenden Hochzeit von Lady Di in London und dem Hungerstreik der IRA-Häftlinge, die als politische Gefangene anerkannt werden wollen. Am Ende sterben zehn von ihnen. Großbritanniens Premierministerin Margret Thatcher lehnt Zugeständnisse ab. Ein Waffenstillstand ist noch in weiter Ferne, Nordirland fest im Griff des Terrors.
Die Polizei hat derweil ganz andere Sorgen. Zwei homosexuelle Männer werden ermordet. In einem anonymen Brief kündigt der Täter an, weitere Homosexuelle töten zu wollen. Allerdings passt die Art der Morde so gar nicht zu den Paramilitärs, weshalb die Polizei mutmaßt, es womöglich mit dem ersten Serienkiller Nordirlands zu tun zu haben.
Hier spielt Adrian McKinty mit einem Motiv, das er, wie er in seinem unterhaltsamen Blog „The Psychopathology of Everyday Life“ schreibt, nur zu gerne für die nächsten Jahre aus dem Genre verbannt wüsste: Serienkiller, ganz egal, ob die sich nun enorm clever oder völlig dämlich anstellen. Auch hier, das wird bald klar, führt die Spur keineswegs zu einem homophoben Killer, sondern in die Reihen der Paramilitärs.
Adrian McKinty, der in Carrickfergus, jenem Vorort von Belfast aufwuchs, in dem auch der Roman spielt, erzählt wendungsreich und komplex, hat einen zupackenden Humor und weiß eine Story intelligent und vielschichtig zu entwickeln. In „Der katholische Bulle“ ist ihm das besonders gut gelungen. Außerdem fängt er durch die Augen seines Ich-Erzählers Sean Duffy die Zeit differenziert ein, zumal der noch ein weiteres Problem hat. Er ist Katholik und katholische Polizisten betrachtet die IRA als Verräter. Dass die Geschichte gelegentlich eine Spur zu glatt inszeniert ist, ihr Protagonist etwas zu smart und nicht immer ganz plausibel daher kommt, stört da nicht wirklich.
Adrian McKinty: Der katholische Bulle. (The Cold Cold Ground, 2012). Roman. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Berlin: Suhrkamp-Verlag. 384 Seiten. 19,95 Euro. Verlagsinformationen zum Buch. Mehr zu Adrian McKinty.
Wyatt ist zurück – horrido!
(AM) Wie sagt Bob Dylan: „To live outside the law, you must be honest.“ Schweigsam, zielstrebig, no-nonsense, hart, gefährlich, ultratough, das ist der australische Outlaw Wyatt. Ein Profigangster. Ein beinahe ausgestorbener Beruf, jedenfalls in der Krimiliteratur. Lohngelder, Banken, Werttransporte, da greift er zu; diesmal geht es um einen Juwelenraub. In Schwierigkeiten gerät er meist nur, weil seine Jobs die partielle Mitarbeit anderer bedingen. Unsicherheitselemente, „the human factor“, mit dem er notfalls klarzukommen versteht. So war das seit 1991. Sechs schnelle, harte, lakonische und dunkle noirs lang. Dann war Schweigen, seit 1997. Wyatt im Ruhestand? Nicht so richtig vorstellbar. Sein Erfinder, der australische Autor Garry Disher, stolzer Träger des Deutschen Krimi Preises und bei Frank Nowatzkis edel-dreckigem Pulp Master Verlag bestens aufgehoben, hatte sich den Polizisten Challis und Destry zugewandt, die metro im Unionsverlag vorbildlich betreute. Lesernachfragen, möglicherweise auch solche des manchmal im Boxring die Fäuste schwingenden Nowatzki und wohl auch der Kitzel, es selbst noch einmal wissen zu wollen, bewogen Disher 2010 zur Reaktivierung. Gut Ding will ein wenig Weile haben, jetzt ist sie da, die sorgfältige Übersetzung des siebten Wyatt-Abenteuers. Volle Punktzahl für Nowatzki. Jetzt sollte es nur noch zu schaffen sein, dass Kohle aus dem neuen Aussie-Job auch nach Berlin fließt. Jeden Leser kann der mit Schweiß und Herzblut betriebene Kleinverlag brauchen, also auf in die Buchläden. Nach „Dirty Old Town“ fragen. Mitnehmen. Aber zahlen!
Nowatzki hat den Titel des Manuskripts übernommen, weil er fand, dass der „schneller, härter und dreckiger daherkommt“ wie eben das ganze Buch. Wyatt, das sei hier als Ringrichter gesagt, ist der real deal. Ein Schwergewicht im Gangsteruniversum, der legale Vetter und Nachfahr des Profidiebes Parker, mit dem Donald Westlake uns als Richard Stark beglückte. (Ein Einwand zu Parker von Christopher C. Moore findet sich hier, ebenso ein Nachruf auf Westlake/ Stark)
Kerle wie Wyatt und Parker, die es wagen und schaffen, sich unabhängig vom organisierten Verbrechen zu behaupten, sind die letzten Samurai. Sie halten einen Kodex am Leben, der Bewunderung verdient. Falls Wyatt aber je wieder solch eine lange Pause machen sollte, würde ich nach Kanada emigrieren. Dort wachsen bei John McFetridge (Let It Ride), und bei Mike Knowles (Darwin’s Nightmare/ Grinder/ In Plain Sight/ Never Play Another Man’s Game) Wyatts-Cousins heran. Er aber ist und bleibt „The King of Heists“.
Garry Dishers Wyatt-Romane:
Kickback (1991), dt. Gier
Paydirt(1992), dt. Dreck
Deathdeal (1993), dt. Hinterhalt
Crosskill (1994), dt. Willkür
Port Vila Blues (1996), dt. Vergeltung/ Port Villa Blues
The Fallout (1997), dt. Niederschlag
Wyatt (2010) dt. Dirty Old Town, 2013Garry Disher: Dirty Old Town (Wyatt, 2010). Ein Wyatt-Roman. Aus dem australischen Englisch von Ango Laina und Angelika Müller. Verlag Pulp Master / Frank Nowatzki. Berlin 2013. Pulp 33. 322 Seiten. 13,80 Euro. als E-Book 9,99 Euro. Verlagsinformationen zum Buch und Garry Disher.
Eher Dornenkost!
Die Männer … warfen einander Blicke zu, ihre einzige Gemeinsamkeit die Schmach, dieser Frau Gehorsam leisten zu müssen. (S. 71)
(SL) Dies ist die Geschichte von einer, die aufbricht, einen Fall von Kindesmissbrauch und –pornographie aufzuklären, und dabei unversehens in die eklen Niederungen von Mord und Nekrophilie vordringt, was letztlich nicht nur ihre Bezugspunkte ins Wanken bringt, sondern ihr gesamtes bisheriges Leben. Allerdings hat das Ganze ein paar Haken.
Denn gewiss mag es interessant, ja womöglich dringend erforderlich sein, all den real- und fiktionalexistierenden Ermittlermachos mal ein ebenbürtiges weibliches Pendant entgegenzusetzen, welches dem Genre gut täte, nur warum muss es dann ausgerechnet jene „Maria Rosenblatt” sein, eine divers frustrierte Mittvierzigerin hart an der Magersucht, die von ihrem reichen Gatten (nach der von ihr aufgenötigten Zeugung zweier Kinder) zwar vollends vernachlässigt, doch zumindest finanziell verhätschelt wird, was sie zum Trugschluss führt, sich alles gönnen und insbesondere alles erlauben zu dürfen. So gerät ihre sattsam abgefederte Eigenwilligkeit, ihr anarchischer Arbeitsstil als Zürcher Kommissarin, die natürlich keinerlei Teamwork kennt, bloß zur Egomanie – ein Topos ist hier (das Imperium schlägt zurück?) die Ausnutzung des Rangs und besonders ihrer körperlichen Größe (185 auf Absätzen) im Umgang mit männlichen „Giftzwergen”, bevorzugt ihren

Corinna T. Sievers
Untergebenen, die auch mal „Detlev Schimanski” heißen und „Demut zu lernen” haben. Brüller über Brüller! Und was als selbstbewusster, offensiver Umgang mit der eigenen Sexualität daherkommen soll, ist wohl eher die spiegelbildliche Kraftmeierei einer Selbstverliebten, die sich – mittels Botoxspritzen für schlappe 1300 Fränkli frisch haltend – selbst überschätzt als Femme fatale und den lange ungestraft bleibenden Egotrip als Emanzipation vor sich her trägt. Dass die Autorin ihre Heldin, die selbstverständlich auch Klavier spielt und sich historisch versiert gibt, am Ende im Privatleben scheitern lässt, erscheint dann aufgesetzt, fehlt doch von Distanzierung oder auch einem Hauch Ironisierung m.E. jede Spur. Vieles in diesem Roman bleibt dazu noch bloß gesagt, postuliert, unbewiesen, Rosenblatts Klugheit etwa oder, nein vielmehr vor allem ihre angebliche Wortgewandtheit: Denn die Autorin huldigt warum auch immer der indirekten Rede, fast seitenweise, die sie bisweilen aus nicht erkennbarem Beweggrund mit Bröckchen direkter Rede unterbricht, p. ex.: „Grüezi”, sagte Maria, und so gut es ging im Dialekt: Sie sei Polizistin, aber eine luschtige … (S. 51) Mutmaßlich noch schicker, gewagter(?) sollen aber wohl elliptische Konstruktionen („Ihr Gesicht im Spiegel fahl”, S. 60) sein, deren inflationärer Gebrauch jedoch nur manieriert wirkt und ermüdet, statt zu pointieren.
Da werden selbst 140 Seiten lang.
Corinna T. Sievers: Maria Rosenblatt. Roman. Edition Nautilus (Hamburg) 2013. 144 Seiten. 16 Euro. Verlagsinformationen zum Buch und Corinna T. Sievers. Foto: © Stefan Baumgartner, RGB PHOTO SWITZERLAND