Geschrieben am 11. Oktober 2008 von für Bücher, Crimemag

Norbert Horst: Sterbezeit

Die Mühen des Alltags

Der schreibende Kriminalhauptkommissar Norbert Horst überzeugt auch mit seinem vierten Kriminalroman Sterbezeit. Ein gekonntes Stück Kriminalliteratur, in dem es um unspektakulären Ermittleralltag und einen spektakulären Fall von vorgestern geht. Frank Rumpel klärt auf …

Wer schon mal bei einer Feuerwehrübung zugeschaut hat, wird gemerkt haben, dass es die dort vermutete Hektik nicht gibt. Genau dieses professionell Unaufgeregte prägt auch den neuen Roman von Norbert Horst. Er will Ermittlungsalltag beschreiben. Ermittlungen aber, lässt Horst seinen Protagonisten, den Kriminalhauptkommissar Konstantin Kirchenberg sagen, sind „eine Menge kleiner Schritte, von denen die meisten umsonst sind“.
Keine prickelnde Ausgangslage also und doch schafft es Horst, ein zusammengeschraubtes Universum einigermaßen echt erscheinen zu lassen, ohne es unnötig zu dramatisieren. Hört sich langweilig an, ist es aber überhaupt nicht.

Professionell unaufgeregt

Gleich drei Fälle hat Kirchenberg diesmal parallel auf dem Tisch. Ein alter Mann hat seiner Frau in den Tod geholfen, ein junger Junkie hat sich mit einer Überdosis im elterlichen Haus aus der Welt gemacht und im Keller eines alten Wohngebäudes findet einer beim Umbau ein paar menschliche Handknochen. Kirchenberg kümmert sich vornehmlich um die Hände. Erste Untersuchungen zeigen, dass sie jemandem in den 70ern abgesägt und im Keller verscharrt wurden. Eine passende Leiche suchen die Ermittler zunächst vergebens. Erst über Anfragen bei Dienststellen in anderen Bundesländern findet sich ein ähnlich weit zurückliegender Fall. Seinerzeit konnte eine handlose und auch sonst übel zugerichtete Bahnleiche nicht identifiziert werden. Beides scheint zusammenzupassen, doch wissen die Ermittler damit längst nicht, wer der Tote war und wer ihn so zurichtete. Eile jedenfalls ist bei einem über 30 Jahre zurückliegenden Fall nicht unbedingt angebracht.

Die Spannung des Banalen

Norbert Horst, selbst Kriminalhauptkommissar, der einige Jahre als Ermittler arbeitete, hat gegenüber den drei Vorgängerbänden, wenig verändert. Er erzählt seine Geschichte nach wie vor linear, in lockerem Protokollstil, was erstaunlicherweise auch im vierten Buch noch funktioniert. Es erlaubt ihm, Szenen nur zu skizzieren und erhöht zudem das Erzähltempo, auch wenn’s nur um die ganz normale Alltagshektik geht:

„Beide Fahrstühle weit weg. Dann die Treppe. Leerer Flur. Die Tür zu Hartmuts Büro ist zu, klopfen, rein. Bianca sitzt vor seinem Schreibtisch, er dahinter, steht auf, kommt mit nach draußen, angelehnte Tür.“

Horst lässt seinen Protagonisten erzählen, der auch im vierten Buch konsequent das „Ich“ umschifft, diesmal aber mehr über sich und seinen Job nachdenkt und sich fragen muss, wie stark die emotionalen und psychischen Schutzmechanismen, die er sich im Lauf der Jahre zurechtgezimmert hat, sein Leben bestimmen. So pflegt er einen gesunden Zynismus, der ihn beim Anblick einer Pathologin, die ein exhumiertes Skelett zusammensetzt, schon mal an die Tausender-Puzzle denken lässt, die es in Kinderjahren zu Weihnachten gab. Die Mails an seine Freundin hält er im absurdesten Bürokratenstil und sie fragt sich und ihn, ob hinter all diesen Vermeidungsstrategien tatsächlich noch Empathie möglich ist.
Der Rest ist Büroarbeit, tägliches Kompetenzgerangel. Dazu sich überlagernde Ermittlungen, mit überraschendem Ausgang, wobei Horst seinen Lesern auch langwierige Alibiüberprüfungen, unergiebige Verhöre und umständlich formulierte Berichte zumutet.
Das ist alles nicht neu, doch bringt Horst es in Sterbezeit herrlich unaufgeregt auf den Punkt und hält mühelos die Balance. Gutes Buch.

Frank Rumpel

Norbert Horst: Sterbezeit. Roman. Goldmann 2008. 285 Seiten. 7,95 Euro.