Geschrieben am 29. März 2014 von für Carlos, Crimemag

Carlos

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Lebensweisheiten

Maximen, Sprüche und Ähnliches sind, fand schon Roland Barthes, autoritär, Anti-Erklärungen, „Wahrheit, die je nach Willkür des Sprechers zum Stillstand kommt“.

Carlos sieht das genauso und nimmt sich ein paar „ewige Weisheiten“ vor:

Lebe jeden Tag so, als ob es dein letzter wäre.
Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum.
Der Weg ist das Ziel.
Der Tod gehört zum Leben.

Was haben diese vier Sätze gemeinsam? Sie sind von einer hundsgemeinen Dummheit, ja, sie sind in ihrer dennoch zu konzedieren Wirkmacht schlechterdings kriminell. Sie sind eine Sauerei ersten Ranges. Es darf sie nicht geben. Sie sind darüber hinaus hochinfektiös für die weiche Birne, Hirnfresser. Es sind summa summarum schon keine Kriegserklärungen mehr, sonder semantisch-syntaktische Terrorakte.

Im Einzelnen:

Wüsste ich, dass ich morgen stürbe, was ja eigentlich nur bei kalt geplantem Suizid oder wohl kaum ersehnter Exekution der Fall sein könnte, so wäre das kein guter Tag. Ich würde vor Angst heulen, meinethalben saufen, aber auch das in miserabler Stimmung. Und niemand ist zu blöde, das zu wissen. Den Satz nicht zu hassen, ihn gar zu nutzen, ist eine klare Entscheidung gegen Vernunft, Kultur und alle guten Sitten.

Der nächste „bitte“: Ich habe heute Nacht von einem Kind geträumt, das so lange in die Sonne schaute, bis es erblindete. Jaja, ich weiß, das ist nicht gemeint, es geht um den Lebenstraum.

Ich wollte als kleines Kind Bauer werden. Ich, der ich bei so gut wie jedem Tier außer Katzen in Panik gerate, habe das erfreulicherweise keineswegs gelebt, auch der darauffolgende Astronautentraum hätte mich, so gelebt, komplett ins Elend gestoßen, als Fußballnationalspieler hätte ich mit Matthäus, am Ende den Förster-Brüdern duschen müssen.

Es steckt in diesem Satz kein Gedanke, nichts, es ist einfach ein klebriges Ding, achsengespiegelt an der wahren, schlimmsten Achse des Bösen.

Der Weg ist das Ziel. Aber ja doch! Wenn ich abnehmen will, ist das eigentliche Ziel zu hungern. Wenn ich essen will, ist das Ziel in einer schleppend bewegten Schlange an der Kasse zu stehen. Wenn ich gesund werden will, ist das Ziel krank, leidend und stöhnend im Bett zu liegen und Medikamente zu fressen. Der Instantbuddhismus dieses kleinen Ungetüms aus Schleim und Sabber weist immerhin auf die kaum mehr zu toppende esoterische Vergiftung unserer Gesellschaft hin. Für die, die sehen wollen.

Nun also, er gehöre zum Leben, der Scheißsensenmann. Wissen um Sterblichkeit, das häufig qualvolle Sterben, das gehört zum Leben. Aber der Tod gerade nicht, weil er nach dem Leben eintritt. Was macht denn nur diesen Ballen Affenscheiße so erfolgreich? Wohl einfach der soziale Mehrwert: Oma liegt im Sterben, aber ich habe keinen Bock sie zu besuchen, sie riecht nach Pisse und außerdem kommt Fußball.

Man fühlt sich doch gleich ein bisschen besser, wenn man dann sagen kann, pathetisch tremolierend: „Sie stirbt! Aber der Tod gehört nun mal zum Leben!“ Es ist ein Arschlochsatz.

So, jetzt wünschte ich, die vier rasch zu vergessen, aber es geht ja nicht: Sie werden weiter ihr verderbtes Werk vollführen, ergriffen gestammelt, belehrend gesäuselt, uninformiert geplappert, in die Welt geschissen. Jetzt und in alle Ewigkeit.

Carlo Schäfer

Mehr von Carlos gibt es hier. Und zu seinem eBook Tod dreier Männer bei CulturBooks.

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