„… sie gingen raus, gemeinsam, das war wichtig“
– Im Aisthesis Verlag ist Frank Göhres früher Roman „So läuft das nicht“ als Neuauflage erschienen. Ein großes Lesevergnügen, findet Anne Kuhlmeyer.
Das Ruhrgebiet in der Mitte der 1970er Jahre, als es noch von Kohle und Industrie geprägt war. Jens, Antje, Jule, Otto, Rita, Carsten, Bernadette, Hugo, Fred, Petra und Charly sind eine Clique, junge Leute, die erwachsen werden müssen. Was sie eint, ist das Viertel, aus dem sie stammen, die Jugend und der Zeitgeist. Was sie trennt, ist ihre jeweilige Herkunft, sind die Ressourcen und Beschränkungen in ihren Familien. Nichts Spektakuläres passiert. Erwachsen müssen schließlich alle Leute werden.
Das Bemerkenswerte an diesem frühen Roman von Frank Göhre ist die Atmosphäre, das Lebensgefühl dieser Zeit – und seine Textur. In reportageartigen Versatzstücken stellen die Protagonisten (jeder bekommt seinen Raum) in ihrem eigenen Jargon die typischen Fragen der Adoleszenz: Was fange ich an mit diesem Leben? Was sind meine Fähigkeiten? Was kann ich bewegen in der Welt? Wer bin ich überhaupt, wenn ich ICH und nicht mehr ICH in der Familie bin? Wie viel Freiheit kann ich mir nehmen? Welchen Zwängen muss ich mich unterwerfen? Und wie krieg ich das alles auf die Kette?
Die Alten schlagen sich durch, noch sind sie hungrig nach Wohlstand und Konsum. Das Wachstum stagniert durch die Ölkrise, die Arbeitslosigkeit steigt. Die ersten Gentrifizierungsmaßnahmen bedrohen das Viertel und das Leben der Menschen dort. Fred setzt die väterliche Tradition des Arbeiterprotestes fort und muss sich fragen lassen, wen er dafür opfern will. Jens geht zum Bund, weil der gelernte Koch kein Bein an die Erde kriegt, bei Antje nicht und auch sonst nicht, er macht sich zum Außenseiter und Versorgungsbedürftigen. Jule wird eingesperrt von ihrem Alten, Bernadette von der Clique wegen ihrer bildungsbürgerlichen Herkunft geschnitten … Aber man ist jung. Es gibt wilde Autofahrten durch die Nacht, Feten, Liebe, Trennung, The Rolling Stones, die Kneipe und die Suche.
Was diesen Roman heute zu einem Lesevergnügen macht ist seine unorthodoxe, popkulturelle Erzählform, die eine eigene Intensität erzeugt – und es sind die genauen Beobachtungen und die realitätsverhafteten Charaktere. Ein Glück, dass Walter Gödde ihn neu herausgegeben hat. Sein Nachwort ordnet den Text in das Gesamtwerk Frank Göhres ein und lässt den Autor selbst zu Wort kommen.
So richtig gut geht der Roman nicht aus. Wie könnte auch? Das Leben der jungen Leute fängt ja gerade erst an. Aber er endet mit: „… und sie gingen raus, gemeinsam, das war wichtig, jetzt und überhaupt.“
Anne Kuhlmeyer
Frank Göhre: So läuft das nicht. Roman. Neuauflage. Aisthesis Verlag, Bielefeld, 2014. Hrsg.: Walter Gödden. 183 Seiten. 12, 80 Euro.