Geschrieben am 3. Mai 2014 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Moving Targets: Team Wallraff – Reporter Undercover

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Muckraking ‒ Es geht also doch.

Die investigative Meisterleistung des „Team Wallraff“ in Sachen „Burger King“. Alf Mayer ist beeindruckt.

Eine Sternstunde des Fernsehens, nichts weniger, das waren die Enthüllungen von „Team Wallraff“ über die Zustände in den Fast-Food-Restaurants des hierzulande größten Franchise-Nehmers der Kette „Burger King“. Durch die Recherche eines Undercover-Reporters und die Arbeit der neuen Wallraff-Redaktion manifestierte sich in der Sendung: Nicht der Kunde, der Gewinn ist King im Imperium der „Yi-Ko-Holding“ des Geschäftsmannes Ergün Yildiz, der deutschlandweit mehr als 91 der 671 Burger King-Restaurants betreibt.

Montag, 28. April, 2014, 21.15 Uhr: Was da der von Werbung abhängige Privatsender RTL in der Pilotsendung der neuen Wallraff-Rechercheredaktion servierte, das gehört auf einen Ehrenplatz in der Geschichte des deutschen Fernsehens. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, mit Worten und kritischen Titulierungen, wie wir sie im öffentlich-schnarchenden Programm niemals vorfinden – die sogenannten „Marken-Checks“ sind dagegen zahnlose Lachnummern ‒, ging es hier zur Sache. Und zwar, das ist eben Wallraff, nicht nur in Sachen Hygiene und Arbeitsstress, sondern auch strukturell und arbeitsrechtlich anschaulich genau. Immer wieder rechneten Grafiken vor, wie sich zum Beispiel die nicht bezahlte Umkleidezeit bei 3000 Beschäftigen im Jahr auf eine Millionensumme addiert oder erst recht der 30-Stunden-Vertrag, obwohl doch 40 Stunden Realität sind, Urlaubsgeld aber nur auf die vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden angerechnet wird. Die Arbeit der versteckten Kameras war im buchstäblichen Sinne erhellend. Manchmal fragte ich mich, wie wurde denn nun das gefilmt?

wallraff_undercover_2Zeigen, was Journalismus kann

Aufwendig und investigativ, gründlich in den vorgetragenen Befunden und Belegen, zeigte die bewundernswert solide Recherche in einem wirklich neuen Höhepunkt des hiesigen Undercover-Journalismus, was die Vierte Gewalt im Staate eigentlich kann – und was sie viel zu selten macht. Unerbittlich und eben unkorrumpiert hinschauen.

RTL setzt hier gerade neue Maßstäbe. So mit der kürzlichen „Zalando“-Reportage, für die eine 21-jährige Journalistin drei (!) Monate in deren Lager schuftete und Beweise sammelte, nun mit der Arbeit des „Team Wallraff“, auf dessen weitere Arbeit man mit Fug und Recht gespannt sein kann. Das gute alte „muckraking“, die hemdsärmlig-ehrwürdigste aller Journalistentraditionen, ist zurück. Wir brauchen das auch dringend. Schön, dass es anscheinend eine neue Generation junger Journalisten gibt, die da unerschrocken anpacken und Lust auf Wirklichkeit haben. (Vielleicht schlägt sich das ja dann auch einmal auf die Fiktionen nieder, im Fernsehen wie in der deutschen Kriminalliteratur.)

Das verheerende Ergebnis der schwierig zu beschaffenden Hygieneproben wurde in dem TV-Bericht auch noch in drei anderen Filialen wiederholt. Drei Wochen Recherchearbeit, mindestens, wurden da visuell sorgsam in wenigen Sekunden abgebildet, sorgten mit für das standfeste Fundament dieser neuen RTL-Sendereihe. Da kann und darf und muss und soll dann gerne der asketische Günter Wallraff wie die leibhaftige Antithese der dicken Schwallbacke vom „Focus“ am Redaktionstisch sitzen, sein Team mit verschmitztem Lächeln ermuntern und weiterführende Hinweise geben: „Lass uns da doch Hygieneproben nehmen …“

Diese Sendung über die Ekel-Burger ‒ welch ein Beitrag zur geistigen Hygiene in einer verlogen produktfetischistischen Weichspül- und in Wirklichkeit doch knallharten Ausbeutungsarbeitswelt, in der die Niedriglöhner beständig zunehmen und nie hochkommen, während uns auch eine SPD-Arbeitsministerin angeblich freudigste Arbeitsmarktzahlen verkündet.

Go, Team Wallraff! Go!

PS: Eigentlich hätten am Dienstagmorgen nach der Sendung bundesweit die Gewerbeaufsichtsämter ausrücken und die „Burger-King“-Filialen filzen bzw. wegen ekligster Hygienemängel vorübergehend stilllegen müssen. Eigentlich müsste die Staatsanwaltschaft jetzt gegen Yildiz und seine Manager ermitteln, die erklärtermaßen in großem Stil gegen geltendes Arbeits- und Tarifrecht handeln.

Im Internet brach ein – wie passend – Shitstorm über die Burgerbratereien herein. Die Hashtags dazu gehen herunter wie Öl.

Burger King selbst äußerte sich, wenn auch erst am nächsten Nachmittag, mit einer derart in der deutschen Unternehmensgeschichte noch nicht gehörten Einlassung. „Die Vorwürfe aus diesem Beitrag sind sehr beunruhigend“, schrieb das Unternehmen auf seiner Facebook-Seite und versprach: „Wir arbeiten bereits daran, mit diesem Franchisenehmer einen Aktionsplan zu entwickeln und zu implementieren, um solche Handlungen zukünftig zu unterbinden.“

Alf Mayer

Die ganze Reportage hier ansehen. Hier zum Artikel der FAZ. Fotos: Screeshots der RLT-Sendung Team Wallraff.

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