Geschrieben am 21. Mai 2014 von für Film/Fernsehen, Litmag

Im Kino: Godzilla

Godzilla-PosterGodzilla Come Home

– Wenn Städte zerfallen und Gedankengebäude einstürzen – dann ist er zurück: der Alleszermalmer. Natürlich nicht Philosoph Immanuel Kant,sondern der King of the Monsters: Godzilla, der kategorischen Imperativ des Trashkinos. Von Christopher Werth

Zurzeit gibt es in Berlin mindestens zwei Arten, sich mit den Folgen der Nuklearkatastrophe von Fukushima auseinanderzusetzen. Intellektuell: im Theater Hebbel am Ufer mit dem sehenswerten Festival Japan Syndrom (hier der Link zum Programmheft). Oder mit einem krachenden Blockbuster: Zu Godzillas 60. Geburtstag gibt es jetzt den 30. Film.

Regisseur und Monster-Fan Gareth Edwards begegnet dem Koloss mit dem Atom-Atem dementsprechend mit angemessenem Respekt. Sein Ansatz: Er nimmt Gojira, wie er auf Japanisch heißt,ernst und versucht, ihm in seiner ganzen Komplexität als Phänomen gerecht zu werden. Er ist ein Mythos der Moderne. Seine Wurzeln reichen zurück zum größten japanischen Trauma: dem bisher einzigen Einsatz von Atomwaffen, der ohne militärische Notwendigkeit hunderttausenden Zivilisten in Hiroshima und Nagasaki den Tod brachte.

Godzilla ist in seiner Essenz also immer auch ein Versuch, ein Bild für die unberechenbare Zerstörungskraft der Kernspaltung zu finden. Ein Geist der Pandora, der seit seiner Erfindung als todbringender, geostrategischer Schatten über der Menschheit liegt. Godzilla als unterbewusste Spiegelung der atomaren Ängste unserer Zeit. Und Gareth Edwards weiß: Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima sind wir definitiv reif für ein Update.

Der Anfang im Schnelldurchlauf

Die atmosphärische Opening Titles Sequenz fasst zur Einstimmung die Godzilla Historie vor Beginn der Filmhandlung zusammen: Die Atomtests der Fünfzigerjahre im Pazifik haben etwas aufgeweckt. Das erste Auftauchen, die ersten Spuren eines Monsters werden angedeutet. Doch nur einige wenige Militärs sind ihm bisher begegnet und haben die Sache unter Verschluss gehalten.

Prolog: 1999. Breaking Bad Star Bryan Cranston spielt Joe Brody, einen amerikanischen Nuklearwissenschaftler in einem japanischen Atomkraftwerk, der erleben muss, wie seine Frau bei einem Störfall ums Leben kommt. Dann macht der Film einen Sprung. 15 Jahre später lassen ihm gewisse Unstimmigkeiten keine Ruhe, und er kommt zurück nach Japan. Die ganze Stadt um das Atomkraftwerk ist immer noch gesperrt. Messungen ergeben aber, dass es keine nennenswerte Radioaktivität mehr gibt. Seine Verschwörungstheorien bestätigen sich, und er begibt sich mit seinem mittlerweile erwachsenen Sohn Ford Brody (Aaron Taylor-Johnson), jetzt verheiratet, Vater eines Jungen und Leutnant beim US-Militär, in die verbotene Zone. Sie werden vom Sicherheitspersonal geschnappt und ins ehemalige AKW gebracht. Dort kommt raus, dass er Recht hatte. Es war damals kein gewöhnlicher Störfall. Das AKW war zur Brutstätte eines ungeahnten Monsters geworden, das seitdem vom Militär vor der Öffentlichkeit versteckt wird. Es war zuvor bei einer Sprengung in einem Bergwerk auf den Philippinen geweckt worden und hatte sich anschließend das AKW als Wachstumsbeschleuniger ausgesucht. Und nein, es ist noch nicht Godzilla. Es ist ein so genannter M.U.T.O.. Dann legt das Wesen los, bricht aus, hackt alles kurz und klein. Der Ingenieur stirbt dabei – und sein Sohn hat ein Problem: Das M.U.T.O. macht sich ausgerechnet auf den Weg nach San Francisco, wo seine Frau und sein kleiner Sohn leben…

Godzilla, übernehmen Sie

Die Lage spitzt sich zu, das Monster kann nicht mit Atomwaffen gestoppt werden – denn es findet sie einfach nur lecker und frisst sie weg wie Popcorn. Dann taucht auch noch ein zweiter M.U.T.O. auf, und als wäre das nicht schon schlimm genug, wollen die beiden sich auch noch paaren und Eier legen. Da hilft gar nichts mehr. Außer einem …

Es folgen Action, gnadenlose Zerstörung und perfekter Soundtrack. Nur die eingebaute Ich rette meine Familie-Story stört ein bisschen. Aber ohne hätten die Menschen in diesem Film natürlich noch weniger Funktionen. Ihr Job ist das Wegrennen, das Schreien, das Getroffen werden von herumfliegendem Schutt. Vor allem aber: das Staunen. Das jugendlich-naive Staunen übernimmt Ford, der Sohn des Wissenschaftlers.

Das wissende Staunen erledigt großartig Ken Watanabe: “The arrogance of man is thinking nature is in our control… and not the other way around.”

Let them fight!

Godzilla ist kraftvolles Adrenalin-Kino at its best. Der wuchtige Soundtrack von Alexandre Desplat bietet nicht nur wummernde Tiefbässe und metallisches Knarzen, sondern überrascht auch mit atonal-verstörenden Chören von György Ligeti. Und natürlich gibt es hier spektakulär gefilmte Monster-Szenen. Wie beim Striptease wird erst wenig gezeigt und Spannung aufgebaut. Die Kamera von Seamus McGarvey findet immer wieder aufregende Perspektiven – durch gebrochene Fenster, Spiegelungen, aufklaffende Hauswände, gigantische Schutt- und Nebelwolken oder tsunamiartige Wassermassen. Mal sehen wir das Monster verwackelt im Nebel durch die Schutzbrille eines Fallschirmspringers, mal nur minimal angestrahlt von roten Leuchtraketen.

In den bisher 29 Filmen war Godzilla mal Zerstörer – mal Beschützer. Diese Ambivalenz nimmt auch der neuste Film auf. Und am Ende kann man sich auf ihn verlassen. Wie Lassie findet er nach Hause. Denn Godzilla denkt wie Kant: Wir sind nicht auf der Welt, um glücklich zu werden, sondern um unsere Pflicht zu erfüllen.

Und was ist jetzt mit Fukushima? Kick it like Godzilla!

Christopher Werth

Godzilla, USA 2014. Regie: Gareth Edwards. Länge: 123 Minuten. Musik: Alexandre Desplat. Story: Dave Callaham. Drehbuch: Max Borenstein. Kamera: Seamus McGarvey. Schnitt: Bob Ducsay. Besetzung u.a.: Aaron Taylor-Johnson: Ford Brody; Elizabeth Olsen: Elle Brody; Bryan Cranston: Joe Brody; Sally Hawkins: Dr. Vivienne Graham;  Juliette Binoche: Sandra Brody; Ken Watanabe: Dr. Ichiro Serizawa; David Strathairn: Admiral Stenz. Zur Filmseite.

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