Geschrieben am 8. November 2014 von für Crimemag, DVD, Film/Fernsehen

Jérôme Salle: Zulu

zuluSolider Action-Reißer mit Hintergrund – “Zulu” von Jérôme Salle

– Südafrika ist eine ziemlich gewalttätige Gegend. Die reinste Hölle, wenn man zum Beispiel den Schockern von Roger Smith glaubt, der offen auf die Angst vorm Schwarzen Mann setzt.  Auch wenn Regisseur Jérôme Salle in seinem Film „Zulu“ dieses Klischee nicht bedient, bleiben noch ein paar andere über, findet Anna Veronika Wutschel

“Willst du Frieden mit deinen Feinden haben, dann arbeite mit deinen Feinden, und sie werden deine Partner”, zitiert Ali Sokhela, der Chefermittler der Mordkommission Kapstadts, auf einem Grillfest mit seinen Arbeitskollegen, sein Idol Mandela. Das Fest, das rein vordergründig ausgelassen scheint, führt bald zu einer kurzen, fast hitzigen Diskussion über die Spuren der Apartheid, die Wahrheits- und Versöhnungskommission, über die Täter, Schuld, Rache und Gerechtigkeit. Floskelhaft hilflos endet die Geselligkeit in Sätzen wie: “Die Vergangenheit ist die Vergangenheit”, oder “Wir waren zu nett zu diesen Schweinen” (den amnestierten Tätern). Nachvollziehbare Unbeholfenheit, Ratlosigkeit, die man den Figuren, die alle auf unterschiedliche Weise von der brutalen Vergangenheit der Rassentrennung in Südafrika gezeichnet sind, zugesteht.

Caryl_Ferey_ZuluGewalt

Doch ist diese Szene wohl die tiefsinnigste in Jérôme Salles Kinofilm “Zulu”, der  nach der mehrfach preisgekrönten Romanvorlage von Caryl Férey in Südafrika an Originalschauplätzen gedreht wurde. Obwohl Férey mit “Zulu” 2008 neben dem renommierten Grand Prix de La Littérature Policière fast alle Krimipreise in Frankreich abräumte, wurde ihm bereits von einigen Kritikern und Lesern angelastet, er greife zu tief in die Klischees und benutze Südafrikas blutige Geschichte und die auch aktuell immer noch überaus hohe Kriminalitätsrate vor der Fußball-Weltmeisterschaft (2010) weniger sozialkritisch als rein provokativ. Er würde, so hieß es zuweilen wie bei seinem südafrikanischen Kollegen Roger Smith, Gewalt vornehmlich allein der Gewalt wegen beschreiben.

Wie dem auch sei, die französisch-südafrikanische Koproduktion, die mit Oscar-Preisträger Forest Whitaker und Orlando Bloom in den Hauptrollen aufwartet, konzentriert sich auf diese beschriebene Gewalt und ist trotz gegenteiliger Beteuerungen der Macher vornehmlich ein solider Action-Reißer geworden, der gern auch kluger Cop-Thriller und Sozialdrama vor dem Hintergrund der Post-Apartheid wäre. Der französische Regisseur Salle, der u a. die in Frankreich Kultstatus genießende Roman- und Comic-Serie um den jugoslawischen Waisenjungen Largo, der ein riesiges Vermögen erbt, sehr erfolgreich verfilmte, näherte sich nach eigenen Angabe mit größter Demut den Herausforderungen, die ein Projekt wie “Zulu” stellt.  Bei der Realisation setzte er indes vor allem auf schnelle, gut geschnittene Actionszenen, Schießereien, Verfolgungsjagden und andere wohlkalkulierte Brutalitäten. Das große Portrait der Regenbogennation, der alten Narben, der tiefen und großenteils offenen Wunden, die das Land der einstigen brutalen Rassentrennung vehement quälen, missglückt indes. Dieses Scheitern könnte eventuell gerade daran liegen, dass man sich trotz aller Action in Hollywood-Manier wagt, die leisen Töne anzusprechen, die dann jedoch leider in Plattitüden verhallen.

Orlando Bloom_Forest Whitaker_ZuluPlattitüden & Klischee

Da ist zum einen der Opfergang des Chefermittlers Ali Sokhela. Diesen spielt Whitaker, der hier sicherlich nicht seine beste Performance abliefert, mit nahezu einem einzigen Gesichtsausdruck. Ali, der Zulu, musste einst als kleiner Junge mit ansehen, wie sein Vater mit einem mit Benzin gefüllten Autoreifen um den Körper als lebende Fackel unter dem begeisterten Grölen der rassistischen Miliz verbrannte. Er selbst musste fliehen, wurde aber gestellt und von den Bissen eines scharfen Wachhundes kastriert. So gesehen, ist Ali Sokhela eine mit Symbolik nahezu überfrachtete Figur. Er ist nicht mehr der stolze, kriegerische, unbesiegbare Kämpfer, wie man ihn aus der Geschichte kennt, oder wie ihm in dem gleichnamigen Abenteuerfilm “Zulu” von 1964 ein Denkmal gesetzt wurde. Ali wurde zudem noch entmannt, die vollendete Demütigung, so dass er, der gute, brave Sohn, der tadellose Ermittler, der Traumatisierte sich nicht einmal eine nähere Beziehung zu Frauen erlaubt. Bildlich gesehen, ist er vollends in der Opferrole verfangen, und so verwundert es nicht, dass der kastrierte Schwarze sich bis zum unausweichlichen Showdown bemüht, an die Macht der Vergebung zu glauben.

Zulu_Orlando BloomIm Gegenzug lässt sich sein Partner Brian Epkeen, den Orlando Bloom mit für diese Rolle extra gestähltem Körper und dunklen Augenringen darstellt, ordentlich gehen. Er kommt als Klischee, fast schon als Karikatur des promiskuitiven weißen Mannes daher, des zerrütteten Cops, der säuft und Pillen einwirft, weder seine Alimente bezahlt noch sich um seinen Sohn kümmert. Eine gescheiterte Existenz, die sich mit nettem Sixpack jede Nacht ruhelos mit einer anderen Dame vergnügt. Dieser unstete Lebenswandel, so wird nebenbei nahegelegt, könnte u. a. auch daran liegen, dass Epkeen nicht verarbeiten kann, dass sein Vater tief in die Verbrechen des Apartheid-Regimes verstrickt war. Wir wissen das, weil er den Namen des Vaters nicht auf den Grabstein gravieren lässt.

Der ewige GärtnerNeben all diesen privaten Verstrickungen gibt es für die Ermittler selbstverständlich einen Mordfall zu lösen. Eine junge Frau wurde in den Botanischen Gärten brutal ermordet. Während der Untersuchung, die in die reichen wie auch in die ärmsten Viertel Kapstadts führt, stellt sich heraus, dass der Mord nicht nur eine typische Gewalttat im Drogenmilieu ist, sondern ein altes Kapitel der Verbrechen der Apartheid neu öffnet. Und auch wenn selbstverständlich nicht zu viel verraten werden soll, erinnert hierbei vieles an John le Carrés ebenfalls verfilmten Bestseller “Der ewige Gärtner”.

Während Vorgesetzte den Fall frühzeitig und fälschlicherweise für abgeschlossen erklären, drängen die Mörder sich skrupellos immer mehr in das Privatleben der Ermittler. Derart unter Druck gesetzt, die eigenen, die oktroyierten Ideale derart auf den Prüfstand gestellt sehend, sind die zum Nichtstun beorderten Ermittler zum Handeln gezwungen.

Soziogramm?

Diese offensichtlichen, fast aufdringlichen Versuche, das Politische, das Soziogramm der Gesellschaft im Großen einzufangen, um es dann im Kleinen, im Privaten, im Psychogramm des Einzelnen widerzuspiegeln, gelingen wenig überzeugend. Einen derart gewaltigen Stoff möchte man einmal in Tarantinos Hände legen, dessen Filme immer wieder zeigen, wie klug, scharf- und tiefsinnig vermeintlich unbekümmerte Respektlosigkeit geraten kann.

Der 2013 erstmals auf dem Festival in Cannes gezeigte Film lief außer Konkurrenz, konnte die Kritiker jedoch kaum überzeugen. Der Anspruch, “Zulu” sei mehr als ein Action-Film, verliert sich in der perfekten Popcorn-Kino-Inszenierung. Große Jungs werden ihren Spaß an den Verfolgungsjagden und der Ballerei haben. Manche Mädchen vielleicht auch an Mister Blooms trainiertem Körper, der so gar nicht zum abgehalfterten Cop passen will. Und der auch unausgeschlafen wirkend, das Sunnyboy-Image nicht einfach abstreifen kann. Forest Whitaker liefert eine solide Leistung eines gebrochenen Helden, die dennoch nicht berührt. So ist es vor allem der Schauwert, großartige Aufnahmen von Kapstadts vielen Facetten, sowie die rasante Inszenierung, die den Zuschauer fast zwei Stunden bei Laune hält.

Anna Veronika Wutschel

Zulu. 1 DVD. Studio: Studio Hamburg Enterprises. Darsteller: Orlando Bloom, Forest Whitaker, Conrad Kemp, Tanya Graan u. a. Regie: Jérôme Salle. Komponist: Alexandre Desplat. Sprache: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1). Produktionsjahr: 2013.  Spieldauer: 110 Minuten. FSK: 18. Erscheinungstermin: 31.10.2014. Preis: 13,99 Euro.
Den Blog von Anna Veronica Wutschel finden Sie hier.

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