Geschrieben am 11. April 2015 von für Crimemag, Film/Fernsehen

Kino: The Gunman

The Gunman_PlakatDer alte Mann und das Six-Pack

– Das kann eigentlich nur schiefgehen: Aus Jean-Patrick Manchettes erfreulich kaltem und abstraktem Roman „La position du tireur couché“ einen Film mit „substantiellen“ Herz- und Schmerz-Figuren und „Anspruch“ zu machen. Genau das aber hat Pierre Morel mit „The Gunman“ getan. Bald in den Kinos, aber Lutz Göllner sah’s schon mal mit Grausen.

Er hat es schon einmal getan: 2008 nahm Regisseur Pierre Morel einen alternden Schauspieler – Liam Neeson – und verwandelte ihn in einen Action-Star. „Taken“ hieß der kernige Streifen – auf gut Deutsch „96 Hours“ – und funktionierte gut, weil er eine krude Mischung aus amerikanischen und europäischen Klischees bot, zusammengehalten von ultrabrutalen Martial-Arts-Szenen und einer eingehenden, simplen Rache-ist-Blutwurst-Handlung (hat mir gut gefallen damals).

Jetzt also Sean Penn, 54 Jahre alt, Oscar-Gewinner und seit kurzem Besitzer eines ungewöhnlich gut ausgebildeten Six-Packs, das er der Welt gerne zeigen möchte. Das könnte man genau so gut akzeptieren, wenn sich Morel und Penn als Vorlage nicht einen den besten europäischen Thriller aller Zeiten ausgesucht hätten, den sie nun auf ein stumpfes Action-Drama herunterbrechen. Die Buchvorlage stammte von Jean-Patrick Manchette, erschien als letzter vom Autor abgeschlossener Roman bereits 1981 und drehte sich um den wort- und gefühlskargen Killer Martin Terrier, der nach zehn Jahren aus seinem Job aussteigen und wieder ein bürgerliches Leben führen will. Manchette inszenierte die Geschichte als Thriller auf der Grundlage des Behaviorismus, radikal und ohne Einfühlungsvermögen, machte seine Figuren zu traurigen Gestalten, bei denen selbst Ironie reine Zeitverschwendung war. Alain Delon und Catherine Deneuve adaptierten den schmalen Roman zu dem schrecklich langweiligen Film „Der Schock“.

Kongo – London – olé

Und so viel besser machen es 30 Jahre später Morel und Penn leider auch nicht. Terrier ist hier ein Killer, der im Auftrag einer globalen Firma im Kongo einen Lokalpolitiker tötet, zehn Jahre später in das Land zurückkommt, um Wiedergutmachung zu leisten, und sich plötzlich selbst im Zentrum einer Attacke findet. Die Spur führt nach London, wo Terrier seinen alten Kumpel Stanley aktiviert (Ray Winstone, mit dem breitesten Cockney-Englisch seiner Filmkarriere), dann weiter nach Barcelona. Hier trifft Terrier auf Felix (Javier Bardem, der immer noch im „Skyfall“- und „Counsellor“-Modus ist), den früheren Anführer der Killertruppe, der inzwischen Terriers große Liebe Anne geheiratet hat.

SeanPenn_wikiBis hierhin ist alles gut, aber spätestens mit der Flucht aus Felix’ Landhaus beginnt der Film, sich nur noch um sich selbst zu drehen – und das genau zwei Mal zu viel. Will „The Gunman“ nun ein reines Action-Vehikel für Sean Penn sein? Das wäre ja okay, aber bei Penn geht es eben nicht ohne politischen Anspruch und der wirkt hier so aufgepfropft wie ein Dackelkopf auf einem Kampfhundkörper. Selbst das Theatergenie Mark Rylance und der großartige Idris Elba – beide in verschenkt kleinen Nebenrollen – reißen hier nichts mehr. Und über das Finale in einer Stierkampfarena decken wir mal den gnädigen Mantel des Schweigens, okay?

Lutz Göllner

The Gunman: Regie: Pierre Morel. Darsteller: Sean Penn, Javier Bardem, Mark Rylance, Ray Winstone, Idris Elba. Drehbuch: Pete Travis, Don McPherson, Sean Penn. 115min, USA/F/E 2015. Starttermin: 30.4.
Porträt-Foto: SeanPennAAFeb09 von Chrisa Hickey. Lizenziert unter CC BY 3.0 über Wikimedia Commons.

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