Ohrdröhnungsmässig
– Der Aufprall kam aus dem Nichts. Sein Geräusch bestand aus berstendem Glas, mit Wucht kaltverformtem Stahlblech, knirschendspeedkomprimiertem Kunststoff, mit Thors Hammer auf eine kakophonische Millisekunde verdichtet.
Aus der Brummkreiselbewegung unseres deformierten Kleinwagens löste ich mich einem zerrenden Sog folgend in die Höhe, konnte noch einen Blick auf die irrlichternden Nachtfahrzeuge auf der Wetterauautobahn mit unisono einsetzenden Warnblinklichtern erhaschen, bevor mich der Strudel aus Was-weiss-ich-was in die Höhe riss, durch ein verquirltes schwindeliges Schwarzlichtfarbenmeer, und mich urplötzlich in ein sich schemenhaft aufbauendes Gebäudeetwas auf einen harten polierten Holzboden schleuderte.
Benommen sondierte ich meine schmerzenden Knochen, Blutgeschmack mischte sich unter den zähen Speichel in meiner Kehle.
Das schummrige Licht offenbarte einen hallengrossen Raum, diffuses Dämmerlicht umriss allmählich unweit vor mir eine Art Empore, mit einem thronähnlichen Gebilde bekrönt, offensichtlich sitzt dort eine dunkle Gestalt und beobachtet mich, ich sehe Rauch aufsteigen, dort wo der Kopf sein muss, und höre den rasselnden Atem. Für kurze Zeit erhellt die Glut einer Zigarette das Gesicht – oh Jesses, SEIN Gesicht… !
Seine krächzend-knarzige mir irgendwie vertraute Stimme sagt : „Hey, Buddy, dieser 5-Kampf-Wichser mit seinem 5-Olympia-Ringe- deutschen Drecksauto hat Euch ganz schön in Eure Einzelteile zerlegt, sagen wir „he cleaned your clock“, ihr hatte mit der kleinen Turiner Zitronenkiste nicht den Hauch einer verdammten Chance. Diese Koksbirnentypen die eure Highways bevölkern konnte ich noch nie leiden, kein Stil, kein Benehmen, keine Gentlemen. Aber keine Bange, Buddy, ein Kumpel von mir wird sich um seinen Arsch kümmern, harhar !“
Der Thron in dem Er sass war wie eine Persiflage auf das Games-Of-Thrones-Ding, ein Fundament aus Totenköpfen, Armlehnen aus Jack-Daniels-Fässchen, die Rückenlehne bestand aus überdimensionierten Rickenbackerbässen und ein gothischer Schriftzug bekränzte das ganze mit „MurderOne“.
In der Hand hatte er ein dunkel schimmerndes Glas mit klimpernden Eiswürfeln, er stellte es auf den Boden und mit einem Kick seines rechten weissen Cowboybestiefelten Fusses schlitterte das Glas ohne auch nur einen Tropfen überzuschwappen zentimetergenau vor meine schmerzende Nase.
„Glaub mir, Junge, alles hat hier seine Ordnung, die Scheiße in der Hölle sieht viel tiefer aus als sie ist, ha-ha-ha-ha….“
Das kehlige Lachen ging langsam über in ein schnarrendes Summergeräusch, alles veränderte sich in eine nebelgeschwängerte Spirale die mich im Schleudergang vor mein Bett warf, von wo ich benommen registrierte, dass irgendwer wohl Sturm läutete – ich hatte offensichtlich tief geschlafen, zuhause, ganz normal.
30 Sekunden später öffne ich zerzaust und verwirrt der Postbotin, die mir mit einem belustigten Grinsen ein Päckchen in die Hand drückt : „Na, der Herr, war wohl etwas heftig gestern.“
Kopfkratzend öffne ich auf dem Rückweg in die Küche das Kuvert, während ich mir den Wasserkocher einschalte.
Es trifft mich mitten in den Magen : vor mir schält sich die Promo-Edition, DVD & Audio CD, „Motörhead – Clean Your Clock“ aus dem gelblichen Lupol-Umschlag!
Der alte Schelm hat mir also einen ordentlichen Streich gespielt und lacht sich jetzt bestimmt diebisch eins, da in seinem Walhalla-Rickenbacker-Marlboro-Thronsaal kann er ja jetzt wieder die Jackie-Cola gallonenweise abzischen, die Leber ist jetzt bei den Unsterblichen, har-har, alles klar Mann.
Ich schiebe die CD in den Player, der Bomber kommt sofort mit Stakkato im Tiefflug durch die Küche, das Wasser kocht, der englische Frühstückstee entfacht sein Aroma, gut, dass alles so ist wie’s ist und die Scheiße nicht tiefer ist wie sie aussieht.
Astreiner Livesetmitschnitt, der Fuß wippt mit, der Kopf zieht nach, danke Lemmy, dass Du über mich wachst, nachher gucke ich mir noch die DVD an, freu mich schon.
Hast gewusst, dass ich mich total geärgert hab‘, dass ich doch nicht nach Höchst bin, naja, ich dachte halt, Du kommst noch im Februar nach Offenbach mit Saxon und den Schulmädelz, da wär ich bestimmt hin, hatte ich bereits geplant mit ’ner Freundin, aber dann hast Du halt doch keinen Bock mehr gehabt auf die verschlissene Karosserie und bist auf den unsterblichen Astralleib geswitcht.
Also, Danke, Mann, tolles Geschenk, jetzt kann ich jederzeit Ohrdröhnungs- und Teeveemässig dran riechen, was ich verpasst hab, ist zwar in München mitgeschnitten und hey, das ist nicht unbedingt meine Lieblingsstadt, aber was soll’s, ich weiß ja dass Mikey Dee Schweinsteiger-Fan ist und auf die Bayern steht, nobody is perfect, also nochmal :
DANKE MOTÖRHEAD FÜR DAS TOLLE ABSCHIEDSGESCHENK !
Hm, bloss eins hätte ich aber doch zu gern im Nachhinein gewusst : dieser Idiot mit seinem Audi Quattro, der uns im Fiat Panda auf dem Heimweg vom Motörhead-Concert auf der A5 abgeschossen hat, wer war der Kumpel, und wie verdammt nochmal hat er sich um den Typ gekümmert ?
(und : falls Euch irgendeiner fragen sollte : Ja, und wie isses denn jetzt, wie klingt’s jetzt Mann ? Dann herrscht ihn einfach an : „DAS IST MOTÖRHEAD, MANN, WIE SOLL DAS WOHL KLINGEN?!?“)
Michael Fliegl
MOTÖRHEAD: CLEAN YOUR CLOCK
(= Lass Dich ordentlich durchpusten – thxx Stephan Glietsch !)
Live in München am 20. und 21. November 2015 bei einem ihrer allerletzten Konzerte,
hier vorliegend als CD / DVD – Edition, weltweit auch in diversesten Vinyl-etc.-Collector-Editions, erhältlich seit 10. Juni 2016