Geschrieben am 15. September 2016 von für Musikmag

M.I.A.: AIM

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“MIA – Uniting People Since 2003”: Wie eine Modemarke bewirbt sich Maya Arulpragasam alias M.I.A. auf dem Cover ihres neuen Albums selbst, die Wörter umrunden ein symbolträchtiges Logo aus Rosen, Händen und Schriftzeichen. Tatsächlich aber polarisiert seit 2003 kaum eine Künstlerin so stark wie M.I.A. Viele Leute kriegen M.I.A.s politisches Bewusstsein nicht mit ihrem glossy Pop-Image zusammen, bzw. unterstellen ihr, sie hänge sich plakative Parolen um wie ein It-Piece von Gucci. Genau diese – vermeintliche – Diskrepanz in Arulpragasams Performance und Output ist es aber, die sie auch heute, dreizehn Jahre nach ihrem ersten veröffentlichen Track „Galang“, zur politisch brisantesten und mutigsten Person im Popgeschäft macht.

Ihr Engagement für die Sichtbarmachung der tamilischen Untergrundkämpfer in Sri Lanka, denen auch ihr Vater Arul („Arular“ hieß bezeichnenderweise M.I.A.s erstes Album) angehörte, mag manchen penetrant erscheinen, für sie ist es ein Lebensthema. Dass sie schon über die vorangegangene Platte („Matangi“ von 2013) verlautbaren ließ, dies sei ihr letztes kommerzielles Werk, und nun über „AIM“ das Gleiche sagt – geschenkt. M.I.A.s Mission ist längst noch nicht beendet, im Gegenteil ist ihre explizite, furchtlose Stimme anno 2016 so wichtig wie nie.

Der charakteristische Mix aus Dancehall, Grime, Electro, Hip-Hop und fernöstlich anmutenden Klängen verrät seine Urheberin zwar sofort (unterstützt von Producer Blaqstarr, ZAYN und Dexta Daps), dennoch wirkt „AIM“ musikalisch aufgeräumter, weniger hektisch und zersplittert; ihre Gesangs- und Sprechstimme steht mehr im Zentrum als früher. Sie wollte ihre „ausgelassene“ Seite zeigen, so das Presseinfo, und ausgelassen tanzen kann man in der Tat zu vielen der insgesamt siebzehn Stücke – sofern man nicht buchstäblich über M.I.A.s Lyrics stolpert: „Looking in the mirror mood emoji fire / Trying not to remember my time in the fire / Cause I ain’t gonna tell ya / This war is ever over / I ride through the sea like a pirate“, rappt sie in „Survivor“, und das ist keineswegs die einzige Textstelle, die mitten in den Solarplexus trifft, besonders in den europäischen.

Auf der Single „Borders“ inklusive eindrucksvollem Video wird M.I.A. noch deutlicher durch suggestive Fragestellungen: „Making Money – what’s up with that? / Freedom – what’s up with that? / Your power – what’s up with that?” Das Album endet mit der für M.I.A. ungewöhnlich sanften Ballade „Platforms“, die man nicht mit Sanft- oder Langmut gleichstellen sollte: „Guns keep it fun? / Keeping men keeping on the run“ – klingt eher nach offenen Ende statt nach M.I.A.s letzter Platte. Zu tun gibt es für sie wahrlich noch genug.

M.I.A.: AIM. interscope (Universal). Zu einem Video.

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