Schwärzer kann der Tann nicht sein
Den Wald hat der Noir kaum je betreten. Da ist Niemandsland für seine Figuren.
Umso interessanter, wenn das jetzt – 2018 – endlich jemand tut. Und zwar einer, der mit den Bildern des Noir wieder und wieder Zwiesprache gehalten, sie studiert, zerlegt, übermalt, dekonstruiert hat. Ikonen des 20. Jahrhundert in kühnen Diptychen und Triptychen neu montiert, den Flügelaltären des Mittelalters nachempfunden. Klein- und großformatig. Bigger than life. „Die Spur des Falken“ heißt eines seiner zweiteiligen Gemälde von 1995. Jetzt im Alter von 69 legt er seinen ersten Roman vor und begibt sich damit erneut in die Welt des Noir, zudem mitten in die deutsche Vergangenheit und mitten in einen deutschen Mythos: Foresta Nera. Schwärzer kann der Tann nicht sein.
… eines Wolfes Fell nur traf ich im Forst; leer lag das vor mir, den Vater fand ich nicht. Aus dem Wald trieb es mich fort; mich drängt‘ es zu Männern und Frauen. Wieviel ich traf, wo ich sie fand … (Wagner/ Die Walküre, Kap 3)
Die „Germania“ des Tacitus – deutsch übrigens 1876 von einem Dr. Anton Baumstark, ordentlicher Professor der Universität zu Freiburg – fand die deutschen „Wälder schauerlich“. Auf Wilhelm Hauffs Märchen „Das kalte Herz“ von 1827 wird noch zu kommen sein, in dem Gewinnstreben und Materialismus ein Herz versteinern lassen. Im Film Noir hat das Motiv es nur bis in den Titel DER VERSTEINERTE WALD gebracht (The Petrified Forest, Regie: Archie Mayo, 1939). Ein junger Humphrey Bogart hatte darin als Gangster Duke Mantee einen seiner ersten Auftritte. Er spricht den hardboiled-Satz: „Die meiste Zeit meines Lebens habe ich im Knast verbracht, und es scheint ganz so, als würde ich den Rest meines Lebens tot sein.“
Der Titel bezieht sich die im Wüstensand von Arizona liegenden verkieselten Reste von Urzeitriesen – ich habe mir das einmal auf einer Reise angeschaut – , der Film spielt weitgehend in einem Rasthaus mit Tankstelle, wo es mit der Schanktochter zum Drama kommt. Diese Gabrielle, verkörpert von Bette Davis, liest Gedichte von Francois Villon und versucht sich gar als Malerin. Sie strebt nach Höherem, als ihr Leben am Rande der Wüste zu verbringen. Friedemann Hahn übrigens war 1973 Mitbegründer eines Bette-Davis-Instituts. Ein Kiosk/eine Tankstelle spielen auch in Foresta Nera eine wichtige Rolle.
Foresta Nera, das ist weit weg von den Harmlosigkeiten der „Taunus-Krimis“, das ist eine Reise in die Finsternis nicht nur des Waldes, und eine Ermittlung, ist ganz im Sinne Platons eine Höhle voller Schatten. So wie der Film Noir die Grenzen der klassischen Erzählung dehnt und bricht, so ist auch bei Friedemann Hahn die Realität mehr als das, was man mit den fünf Sinnen begreifen und dem Instrumentarium eines Polizisten erfassen kann. Oft scheint Schwarz die Farbe dieses Romans, manche Figuren begegnen sich wohl nie bei Tage. „I never saw her in the daytime. We seemed to live by night. What was left of the day went away like a pack of cigarettes you smoked“, sagt der Erzähler in Jacques Tourneurs OUT OF THE PAST. Wenn aber bei Hahn die Sonne bricht, dann sieht „der Fluss aus wie ein ferner Sonnenfaden, nach einem warmen Gewitter in ein Tal gespannt“.
Da fährt das Postauto vom Höllental hinauf ins Himmelreich, und das ist nicht einmal erfunden.
Friedemann Hahn, als Maler gewiss von keinem Farbkontrast erschrocken, setzt seinen Roman mitten hinein in das wohl verfemteste Gebiet unserer deutschen Nachkriegskultur, dort hin, wo alle Glocken „Heimat!“ läuten. Ins Dreiländereck Schwarzwald des Jahres 1962. Ein Zitat:
„Das Problem ist ein deutsches“, begann Proust, „besser gesagt: Euer Nazi-Problem. Ihr seid nicht weiter als dreiunddreißig, oder neununddreißig, oder fünfundvierzig… aber wir haben zweiundsechzig. Ihr habt noch nicht kapiert, dass nicht wir Euch die Hände und Köpfe abhacken, das tut Ihr von ganz allein … und von selbst. Comprends?“
Erst 2016, und dann in Locarno, im sicheren Ausland also, gab es die erste große Retrospektive des Kinos der Adenauer-Ära. „Geliebt und verdrängt. Das Kino der jungen Bundesrepublik Deutschland 1949 –1963“ hieß das zugehörige Buch (CrimeMag-Besprechung hier). Immer noch ist das Kino jener Tage im Grunde ein cinéma maudit, nicht ganz so verdammt wie das Kino der Nazizeit, aber verlacht und verpönt genug, als alt und gestrig eingestuft. Fritz Göttler hat dazu schon in den 1980er Jahren bemerkt: „So schlecht kamen die deutschen Filme dieser Zeit weg, dass es lohnen muss, sich wieder überraschen zu lassen von ihnen, der Faszination nachzugeben, den advocatus diaboli zu spielen: Kinogeschichte aus dem Untergrund, der Renitenz und der Resistance…“
Eineinhalb Jahrzehnte Nachkriegskino, einbetoniert zwischen zwei Nullpunkten. Zwischen der Stunde Null, dem Kriegsende 1945, und dem Oberhausener Manifest, das 1962 den Tod von „Papas Kino“ propagierte. Erst ab hier fängt eigentlich „unsere“ identitätsstiftende Zeitrechnung an. Die Jahre davor sind eigentümlich grau und verblichen, „faded away“. Friedemann Hahns Personal ist von dieser Zeit bis in jede Pore geprägt. Und ausgemalt. Das ist eins der Faszinosa dieses Romans.
Unsere illustre Vorstellung von „gut“ fing mit Verfemtem an
Deutsche Nachkriegszeit, und das in der Provinz, das sind für uns Trümmerfilme, Schmugglerfilme, Schwarzmarktfilme, Heimkehrerfilme, oft schmerzhaft, Illusionen in Moll, Mordgeschichten, karge Belustigungen oder gar illusionsloses Noir. Auf immer dafür ein Bild: Peter Lorre in seinem einzigen Regiefilm DER VERLORENE, 1951 keine drei Wochen im Kino und dann klang- und sanglos untergegangen. Titel von damals: DIE MÖRDER SIND UNTER UNS; NACHTS, WENN DER TEUFEL KAM; DER ROTE RAUSCH; NACHTS AUF DEN STRASSEN; SÜNDIGE GRENZE; HEISSE ERNTE; DER SATAN LOCKT MIT LIEBE; SCHWARZER KIES. In Hahns Roman gibt es einmal einen Bezug zu NACKT – WIE GOTT SIE SCHUF (1958), Drehbuch von Johannes Mario Simmel. Eine Geschichte in den Dolomiten, wo es zwischen einem Kloster und den sündigen Bewohnern eines Barackendorfs für Bauarbeiter zum Konflikt um die Wasserzufuhr kommt.
Films maudit, sie alle. Klar. Und eine hübsche Pointe, dass unsere gehobene Wahrnehmung davon mit eben einem „Festival du film maudit“ begann. Unter diesem Titel nämlich zeigte 1949 ein Kreis junger französischer Cineasten in Biarritz Filme, die von Publikum und Kritik bis dahin abgelehnt wurden und deshalb auf den großen Festivals, wie etwa in Cannes, nicht zu sehen waren. Im ersten Programm: Viscontis OSSESSIONE, Käutners UNTER DEN BRÜCKEN, Hawks’ THE BIG SLEEP, Tourneurs OUT OF THE PAST, Vigos ZERO DE CONDUITE, Grémillons WETTERLEUCHTEN, Dudows KUHLE WAMPE – WEM GEHÖRT DIE WELT? Im April 1951 erschien dann das erste Heft der „Cahiers du Cinéma“; der Begriff „Film Noir“ wurde in Frankreich geprägt.
Zum Sterben angetreten wie in einer mythischen Gotenschlacht
Das Land jenseits des Rheins strahlt auch auf Foresta Nera. Friedemann Hahn hat an seinem Roman viele Jahre gearbeitet, hat besessen und akribisch recherchiert, bis hin zur Bezeichnung der Dienstbekleidungsstoffe. Ausgesprochen souverän – und abgesehen davon zeitgeschichtlich interessant – finde ich, wie er mit einem besonders heiklen Thema jongliert, mit den Nazi-Soldaten in der französischen Fremdenlegion. Die gab es, das ist keine Fiktion. Eine diskrete Anweisung Charles de Gaulles erlaubte es Franzosen, die während des Zweiten Weltkrieges in der 33. Waffen-SS-Grenadier-Division „Charlemagne“ gedient hatten, sich durch den Dienst in der Legion zu rehabilitieren. Außerdem wurden gezielt ehemalige deutsche Soldaten angeworben, ihre Vergangenheit jedoch überprüft. Kriegsverbrecher sollten keinen Unterschlupf finden (wobei dieser Begriff damals kaum ausgeprägt war).
Die Mär vom guten deutschen Soldaten erfuhr durch diesen Twist sogar einen besonderen Glanz. Deutsche Zeitungen überboten sich mit ihren Schätzungen. „Der Spiegel“ berichtete 1948, dass angeblich 50.000 deutsche Fremdenlegionäre in Indochina seien. Das war zwar weit mehr als die doppelte Zahl aller dort stationierten Legionäre, aber es verkaufte sich anscheinend gut, den Indochina-Krieg als eine Art Unternehmen mit überwiegend deutscher Beteiligung darzustellen. Erst spätere Studien von Douglas Porch und besonders Eckhard Michels („Deutsche in der Fremdenlegion 1870–1965, Mythen und Realitäten“, Verlag Schöningh, Paderborn 2000) widerlegten solche Legenden.
In mehreren Teilen druckte „Die Zeit“ im Herbst 1952 die „Erlebnisse eines jungen Engländers in Afrika und Indochina“. Adrian Liddell Hart, Sohn des berühmten Militärhistorikers, hatte mit einer Ausnahmegenehmigung eineinhalb Jahre in der Legion verbringen können. Im Artikelvorspann hieß es: „Ohne die Fremdenlegion sähe die Welt heute anders aus: ohne sie wäre Indochina überrannt. Dann aber würden die Rebellen in Malaya die Briten zurückdrängen, Singapore wäre vielleicht schon verloren…“
Warum sind so viele Deutsche in der Fremdenlegion, fragt Liddell Hart sich? „Die Legion ist unser Vaterland“, heißt es dort. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei die Zahl der deutschen Legionäre gewachsen, „weil Frankreich zwar sein Kolonialreich wiederbekam, aber fast überhaupt keine ausgebildeten Truppen hatte, um es zu verteidigen. Dagegen hatte es viele Tausende von deutschen Kriegsgefangenen. Die meisten von ihnen verspürten keine Lust, in französischen Gruben und auf französischen Bauernhöfen Zwangsarbeit zu leisten.“ Viele seien ehemalige SS-Offiziere gewesen, die ein Verfahren befürchteten. Es gab nur einen Ausweg: die Fremdenlegion.
Während der unmittelbaren Nachkriegsjahre kam dann eine zweite Welle: Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone oder junge Schwarzhändler, die nach der Währungsreform von 1948 nicht ins normale Leben finden konnten. Die Franzosen, so meint Liddell Hart, seien von der Erkenntnis ausgegangen, „dass Deutsche, ob Nazis oder nicht, viel nützlicher und viel weniger gefährlich seien, wenn sie die französischen Gebiete in Südostasien verteidigen, als wenn sie die kostspieligen Reeducation-Lager bevölkern, die Engländer und Amerikaner für sie anlegten“. Heute, schreibt er 1952, sei es so, „dass ohne die Deutschen die Fremdenlegion nicht einen Tag lang kampffähig wäre“.
Die Gangster von Key Largo residieren jetzt in Baden-Baden
Folgerichtig wurde die entscheidende Schlacht von Điện Biên Phủ auch als „Frankreichs Stalingrad“ beschrieben. Peter Scholl-Latour berichtet in seinem Buch „Der Tod im Reisfeld – 30 Jahre Krieg in Indochina“ (1980) vom Versagen der Führung, vom Überlaufen von Truppen, von ganzen Bataillonen, die sich passiv verhielten und nur noch Deckung vor dem Artilleriefeuer der Việt Minh suchten. „Wirklich gekämpft bis zum letzten Erdloch und bis aufs Messer hatten lediglich die französischen Fallschirmjäger und die Fremdenlegionäre, zu 80 % Deutsche, seien zum Sterben angetreten wie in einer mythischen Gotenschlacht.“
Hahns Männer – wie auch Ava, die femme fatale des Romans – sind Veteranen von Điện Biên Phủ. In der vom 13. März bis 8. Mai 1954 währenden Schlacht im Mường Thanh-Tal nahe der Grenze zu Laos, in einem verdammt hinteren Winkel der Welt, waren auf französischer Seite rund 15.000 Soldaten und Paramilitärs im Einsatz. 4.000 von ihnen kamen als Verstärkung mit dem Fallschirm. Die größte Gruppe stellten die Vietnamesen selbst mit rund 5.400 Mann. 26 Prozent waren Fremdenlegionäre, ganze 19 Prozent der Truppen Staatsangehörige aus dem Mutterland. Rund 3500 französische Soldaten wurden während der Kampfhandlungen getötet, gut 10.000 Personen gingen in Gefangenschaft, darunter auch ziviles Hilfspersonal.
Die Schlacht wurde mehrmals cineastisch verarbeitet, etwa 1992 von Pierre Schoendoerffer, selbst ein Überlebender, SYMPHONIE DES UNTERGANGS lautete der deutsche Filmtitel. Mit in der bereits 1955 von Hollywood inszenierten HÖLLE VON DIEN BIEN PHU (Jump into Hell, Regie: David Butler) dabei: der Schauspieler Peter von Eyck, ein besonders deutsch aussehender Charakterkopf des europäischen Film Noir.
„Die OAS?“, Krüger tat erstaunt, „Die auf de Gaulle das Attentat geplant haben?“
„OAS, Organisation de l´Armée secrète, sie haben sich in Baden-Baden festgesetzt, genauer gesagt, in der Lichtentaler Straße 13 ihr Hauptquartier aufgeschlagen. Sie verbinden sich gerade mit dem Marseiller Mob und der Korsischen Mafia in Straßburg. Das sind keine Politischen, das sind gewöhnliche Kriminelle. Alles schwappt jetzt rüber nach Allemagne…“
Die Gangster von Key Largo residieren bei Friedemann Hahn in Baden-Baden und in einer von der Organisation Gehlen gestellten Villa im Bayrischen. „Fremde Heere Ost. Auch so ein Wort. So ein Geist“, heißt es im Roman. Die Organisation de l’armée secrète (OAS) war eine französiche Untergrundbewegung der Endphase des Algerienkriegs, der Name bewusst angelehnt an die Armée secrète, eine Résistance-Gruppierung des Zweiten Weltkriegs. Die OAS putschte am 22. April 1961 in Algier gegen Frankreich, sie wollte den Status Algeriens als Bestandteil des französischen Mutterlandes mit militärischen Mitteln erhalten. Der Aufstand brach nach fünf Tagen zusammen, dann ging die Bewegung in den Untergrund, ihr Propagandaslogan: „Die OAS schlägt zu, wo und wann sie will.“ Prominent dabei: Fremdenlegionäre, für die Algerien seit Gründung der Legion 1831 die Heimat war.
An einem einzigen Tag in Algier: 120 Bomben der OAS
Das Zeichen der OAS war das Keltenkreuz, ihr Wahlspruch „L’Algérie est française et le restera“ („Algerien ist französisch und wird es bleiben“). Der spanische Fascho-Diktator Franco unterstützte die OAS, Spanien duldete und alimentierte drei Ausbildungslager und diente als logistischer Rückzugsraum. Die Verhandlungen über die Unabhängigkeit Algeriens versuchte die OAS mit Attentaten und Sprengstoffanschlägen aufzuhalten. Mit Terror heftigen Ausmaßes. Einmal explodierten an einem einzigen Tag in Algier 120 Bomben, in Oran forderten Bomben im Mai 1962 täglich zehn bis 15 Menschenleben. Gezielt ging es gegen Zivilpersonen aus der muslimischen Bildungs- und Funktionselite, die Universitätsbibliothek von Algier wurde ebenso niedergebrannt wie Schulen.
Auch in Frankreich gab es Anschläge, etwa am 18. Juni 1961 auf den Schnellzug Straßburg-Paris, wo 28 Menschen starben. Im September 1961 entkam Staatspräsident Charles De Gaulle bei der Durchfahrt des Ortes Pont-sur-Seine nur knapp einem Bombenattentat. Im August 1962 wurden bei einem weiteren Mordanschlag auf ihn die Täter gefasst. Oberstleutnant Jean Bastien-Thiry, Entwickler der Panzerabwehrlenkwaffe SS 10 und Kopf (nicht nur) des Attentats, wurde gefasst, zum Tode verurteilt und am 11. März 1963 als letzte Militärperson Frankreichs hingerichtet. Danach war die OAS de facto am Ende. Viele ihrer Mitglieder gingen nach der Unabhängigkeit Algeriens über Spanien nach Lateinamerika, wo sie sich im sogenannten schmutzigen Krieg hervortaten. Aber das ist eine andere Geschichte. Der Kampf zwischen OAS- und FLN-Agenten am Schauplatz Genf war Thema in Godards LE PETIT SOLDAT von 1960. Das versuchte Attentat von OAS-Terroristen auf de Gaulle inspirierte Frederick Forsyth 1971 zum Thriller „Der Schakal“.
Die Légion étrangère – Wenn man eine Uniform trägt
Kaum ein, nein: kein anderer Militärverband kennt so viel Öffentlichkeitsbedürfnis ehemaliger Angehöriger wie die Légion étrangère. Memoiren, Romane, Filme und Propagandaschriften haben den Ruf der Fremdenlegion als Sammelbecken von Kriminellen und Aussteigern, als sadistisch-militaristische Hölle oder als exotische Lebenswelt romantischer Helden verbreitet. Zwischen 1840 und 1940 erschienen dazu im deutschen Sprachraum etwa 250 einschlägige Titel. Christian Koller hat sie in seiner Studie „Die Fremdenlegion: Kolonialismus, Söldnertum, Gewalt 1831 – 1962“ (Schöningh, Paderborn 2013) untersucht. Sein Fazit: Überwog zuerst die Darstellung der kriegerischen Erlebnisse, bildete sich allmählich ein Muster heraus, das die Fremdenlegion in düsteren Farben malte. Ein junger Mann lässt sich zum Eintritt in die Legion bewegen, wird dann in der Ausbildung unmenschlich geschunden und in einen aussichtslosen Kampf geworfen. Schließlich unternimmt er einen Fluchtversuch, der entweder gelingt oder mit seiner Gefangennahme und einem tragischen Tod in der Fremde endet. Ein klassischer Titel zum Beispiel: Walter Widmers „In der Hölle der Fremdenlegion – Tatsachenbericht“ (1955).
Bei Ernst Jüngers „Afrikanische Spiele“ (1936) handelt es sich um eine autobiografische Ausreißergeschichte. Der achtzehnjährige „Berger“, ein miserabler Schüler, flüchtet sich aus widriger Realität in Abenteuerliteratur und heroische Träume, folgerichtig dann in die Legion, wo er in der Garnison von Sidi-Bel-Abbès landet, den Dienst in der trostlosen Kaserne deprimierend und langweilig findet, bald einen Fluchtversuch unternimmt, gefasst wird – und schließlich vom begüterten Vater mittels diplomatischer Kontakte und erheblicher finanzieller Mittel freigekauft und nach Hause geholt wird. Zitat: „Ich hatte mich in die Tinte gesetzt (…) Ich musste zurück, musste leben wie die anderen auch (…) Die Zeit der Kindheit war vorbei.“
- „Sparta ist überall“ überschrieb 1993 die linke „tageszeitung“ ihre wohlwollende Kritik von Romuald Karmakars dreistündigem Dokumentarfilm WARHEADS über Fremdenlegionäre. HERZEN IN FLAMMEN lautete 1931 der deutsche Verleihtitel von Josef von Sternbergs „MOROCCO, mit Gary Cooper, Marlene Dietrich und Adolphe Menjou in den Hauptrollen. KOMM ZURÜCK war ein deutscher Spielfilm aus dem Jahr 1953 von Alfred Braun, mit Winnie Markus und Rudolf Prack. Wolfgang Staudte führte 1958 bei MADELEINE UND DER LEGIONÄR Regie. FLUCHT AUS DER HÖLLE (1960) betitelte der Deutsche Fernsehfunk DFF eine vierteilige Legionärs-Serie mit Armin Mueller-Stahl als deutschem Legionär Hans Röder. Stewart Granger und Dietmar Schönherr spielten in 1962 in Frank Wisbars deutsch-italienisch-spanischen Koproduktion MARSCHIER ODER KREPIER (Marcia o crepa), Henri Verneuil holte sich 1984 Jean-Paul Belmondo für DIE GLORREICHEN. Jean-Claude Van Damme war 1998 DER LEGIONÄR, allgemein gerühmt wird Claire Denis für BEAU TRAVAIL von 1999. Den Kriegsdienst mit Slapsticks zu vermenschlichen unternahmen Laurel & Hardy mit IN DER FREMDENLEGION (1939) oder Marty Feldmann mit THE LAST REMAKE OF BEAU GESTE (1977). Und Monty Python konnte sich natürlich nicht die Armprothese von Capitaine Jean Danjou (1828-1863) entgehen lassen – ein Gründungsmythos der Legion, für die Wikipedia eine ganze Wikiwand bereithält.
„That’s why you fought the war“ – dafür also war es?

Der Abschied. 2015. Öl/Lwd. 200 x 140. Es zeigt Colmar, salutierend am eigenen Grab in Paris. (c) Friedemann Hahn
„Wenn man eine Uniform trägt“, diese uns heutigen Zivilisten nahezu unverständlich gewordene Wendung zieht sich immer wieder durch Foresta Nera. Fast jede Seele hier ist vom Krieg verwüstet, Friedemann Hahn legt das Tiefenschicht für Tiefenschicht frei. Und eines der großen Tabus des Film Noir schert ihn dabei keine Bohne. Das Militär war in den Filmen der Schwarzen Serie so gut wie off limits. Bei ihm wird es verhandelt, die wenig bekannte und ebenfalls in ganz Europa in kriegsverbrecherische Säuberungsaktionen verwickelte Marineküstenpolizei inklusive, im Binnenland als Wasserschutzpolizei bekannt.
„Das ist es, warum du im Krieg gewesen bist“ („That’s why you fought the war“), sagt jemand einmal in einer exotischen Bar zu dem Kriegsveteranen in SOMEWHERE IN THE NIGHT (1946). Exotismus hinter der Theke, darauf ist es letztlich zusammengeschnurrt, wofür man den Hals den riskierte. Solche Szenen gibt es auch in Friedemann Hahns „Bar du Tonkin“ mit dem asiatischen Barkeeper. „I have seen enough of flags“, meint der Noir-Held in RIDE THE PINK HORSE (1947). Loyalitäten, Rache, Uniform, Schuld und Verrat dekliniert Friedemann Hahn bis an ihr bitteres, buchstäblich schwarzes Ende, bei dem dann nicht einmal mehr die Sonne einfach so weiter scheint, weil sie sonst ja keine Wahl hat.
Dashiel Hammett hat den Krieg, auch wenn nicht als Kombattant, ohne Kampfhandlungen überstanden, Raymond Chandler und James M. Cain hingegen hatten härteste Erlebnisse im Schützengraben, Charles Willeford ebenfalls als Panzersoldat. Niemals sprachen sie darüber. Stattdessen prägten sie die hardboiled-Literatur. Friedemann Hahn mit seiner Riege von Kriegsveteranen reiht sich nun in ihre Linie, verneigt sich auch vor einem der großen Romane der Légion étrangère, nämlich Friedrich Glausers „Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion“, zwischen 1928 und 1930 entstanden, 1940 erstmals in Buchform veröffentlicht, und unbedingt zusammen mit Frank Göhres „MO“ (2008) zu lesen. Glauser verbrachte zwei Jahre in der Legion, war am Rand der Sahara stationiert.
Sein letzter Brief an den Schweizer Schriftstellerverein schloss mit den Sätzen: „Vielleicht sind wir am Ende – wir so genannten Künstler – aber dennoch müssen wir unser Wort sagen, wenn es auch im Chaos, das die Welt wie Spinneweben überzieht, wie tote Fliegen zappeln mag. Aber was wollen Sie: Mit Kriminalromanen fangen wir an, um uns zu üben. Das Wichtige erscheint erst später.“
Alf Mayer
Friedemann Hahn: Foresta Nera. Polar Verlag, Hamburg 2018. 212 Seiten, 16 Euro.