Geschrieben am 15. Februar 2016 von für Crimemag, Kolumnen und Themen, News

Bloody Questions: Karin Slaughter

Karin SlaughterThe Crime Questionnaire (Vol. 12). Karin Slaughter

von Marcus Müntefering

Ist „Cop Town“ jetzt „der seit Jahren verdammt beste Polizeiroman alter Schule“, wie Alf Mayer hier im Crimemag behauptet? Oder ein „Polizeiroman mit einer geradezu subversiven Erzählstrategie“ und einem ausgeprägten „Sinn für Sozialgeografie“, wie ich bei Spiegel Online schrieb? Oder hat Thomas Wörtche Recht, der in seinem Leichenberg kritisierte: „Ihre ungelenke Dramaturgie tut schon fast weh, alles wird klitzeklein erklärt, die Redundanzen häufen sich.“

Vielleicht liegt die Wahrheit in der Mitte, so richtig wichtig ist das aber auch nicht. Denn auf jeden Fall ist „Cop Town“ ein Roman, den jeder lesen muss, der sich für Polizeikrimis interessiert. Weil Karin Slaughter eine interessanten anderen Blick auf dieses fast ausschließlich männerdominierte Genre hat (Ausnahmen wie Dorothy Uhnak gilt es erst (wieder) zu entdecken; und vielleicht könnte man auch einen neuen Blick auf Kathryn Bigelows „Blue Steel“ werfen).

Interessant auch, dass Miss Slaughter sich selbst die größte Konkurrentin war im erfolgreichen Kampf um Bestsellerplätze. Allerdings unfreiwillig. Denn beinahe zeitgleich mit „Cop Town“ kam ein weiterer Standalone-Thriller der Autorin auf den deutschen Markt. „Pretty Girls“, leidlich spannender Snuff-Thriller, aber deutlich konventioneller als „Cop Town“, ist allerdings bei Slaughters neuem deutschen Verlag Harper Collins Germany erschienen. Und das „Schlacht“-Fest geht weiter: Immerhin war ihr alter Verlag Blanvalet so einsichtig, den Veröffentlichungstermin von „Schlachtfest“, dem 5. Band der sogenannten „Georgia“-Serie, von März auf Mai zu verschieben.

Karin-Slaughter-Pretty-GirlsKarin Slaughter Cop TownDie „Bloody Questions“ hat Karin Slaughter per Mail beantwortet. Warum sie es vorgezogen hat, die Fragen 1 und 7 nicht zu beantworten, hat sie nicht kommentiert.

  • Haben Sie jemals ein Verbrechen begangen – oder darüber nachgedacht, eines zu begehen?
    Keine Antwort
  • Wer sind Ihre literarischen Lieblingsschurken?
    Scarlett O’Hara war eine aufregende Anti-Heldin. „Vom Winde verweht“ wurde während des sogenannten Goldenen Zeitalters des Kriminalromans geschrieben und enthält tatsächlich einen unglaublich brutalen, schockierenden Mord. Für mich war Scarlett die erste Frau in der Literatur, der es erlaubt wurde, ihre böse Seite zu umarmen und damit durchzukommen. Bis dahin führte so ein Verhalten zu einer schlimmen Bestrafung (meistens den Tod). Sie war keine femme fatale, sondern ganz sie selbst.
  • Erinnern Sie sich daran, wer die erste Figur war, die Sie literarisch ermordet haben?
    Ich erinnere mich daran, Lenas Schwester Sibyl in „Belladonna“ umgebracht zu haben – und dass es eine Herausforderung war, aus der Toten einen richtigen Menschen für den Leser zu machen, ohne dass sie eine einzige Zeile Dialog hat.
  • Die Beatles-oder-Stones-Frage: Hammett oder Chandler?
    Weder noch. Ich habe Bücher satt, die Frauen zu Accessoires machen, die entweder umgelegt oder flachgelegt werden.
  • Haben Sie schon einmal einen Toten oder Sterbenden gesehen? Und falls ja: Wie hat das Ihr Leben verändert?
    Der erste Tote, den ich gesehen habe, war mein Onkel in seinem offenen Sarg. Aber eigentlich zählt das nicht, denn es war alles so inszeniert. Als ich später das Leichenschauhaus des Georgia Bureau of Investigation besuchte, fragte man mich, ob ich an einer Autopsie teilnehmen wolle. Das war meine erste wirkliche Erfahrung, und ich erinnere mich, dass ich gedacht habe, dass echte Tote unecht aussehen und unechte Tote im Fernsehen echt. Ich erinnere mich auch noch, dass ich den Geruch nach Chemikalien tagelang in der Nase hatte.
  • Sind Sie jemals Zeuge oder Opfer eines Verbrechens geworden?
    Aus dem Auto heraus, sah ich einmal, wie ein Mann eine Frau verprügelte. Ich stieg auf die Bremse, sprang aus dem Wagen und fing an zu schreien. Die Frau rief „Verschwinde!“, weil sie Angst hatte, er würde mich ebenfalls schlagen. Im Rückblick war das eine dumme Idee von mir, aber ich habe dann die Polizei gerufen. Ich hoffe, sie ist den Typen losgeworden. Wenn er kein Problem damit hatte, sie in der Öffentlichkeit zu verprügeln, mag man sich nicht vorstellen, was er ihr sonst angetan hat.
  • Gibt es jemanden, dem Sie den Tod wünschen oder gewünscht haben?
    Keine Antwort
  • Welche Jobs hatten Sie, bevor Sie vom Schreiben leben konnten?
    Ich war Inhaberin einer Werbeagentur.
  • Wären Sie nicht Schriftsteller – was würden Sie stattdessen tun (wollen)?
    Krimis lesen! Müsste ich meinen Lebensunterhalt verdienen, würde ich gern als Uhrmacherin arbeiten. Ich mag es zu sehen, wie Dinge funktionieren und ich mag Puzzles.
  • Hören Sie beim Schreiben Musik? Und falls ja: welche?
    Nein, ich brauche die Stille. Aber wenn ich mich auf ein Buch vorbereite, höre ich Country. Einige meiner besten Plots habe ich Dolly Parton zu verdanken.
  • Schreiben Sie lieber tagsüber oder nachts? Zu Hause am Schreibtisch oder wo immer Sie gerade sind?
    Zu jeder Uhrzeit. In meinem Liegesessel mit meinem Laptop im Schoß – auf einem Kissen, damit ich mich nicht verbrenne. Ich schreibe ausschließlich in meiner Hütte in den North Georgia Mountains. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die schreiben können, wenn sie unterwegs sind.
  • Was machen Sie, wenn Sie nichts Vernünftiges zu Papier bringen?
    Wenn ich das Gefühl habe, nichts Produktives zustande zu bringen, mache ich etwas passiv Kreatives, lese ein Buch oder schaue einen Film. Normalerweise springt mein Gehirn dann wieder an.
  • Was passiert nach dem Tod? Und was sollte nach dem Tod passieren?
    Was passiert, verrate ich Ihnen, wenn es soweit ist, hoffentlich in etwa 100 Jahren. Mir würde es gefallen, wenn es ein alternatives Universum gäbe, wo wir all die Menschen treffen würden, die wir verloren haben. Nur diejenigen natürlich, von denen wir uns das wünschen, nicht die Arschlöcher.
  • Verbrechen und Bestrafung: Was halten Sie vom Prinzip Auge-um-Auge/von der Todesstrafe?
    Ich denke, sie hat ihre Berechtigung, aber in den USA gehen wir zu leichtfertig damit um und wenden sie zu oft bei Schwarzen an. Meiner Meinung nach sollten nur Vergehen gegen Bundesgesetze mit der Todesstrafe belegt werden können. Und es sollte eine Schwelle geben, zum Beispiel Terrorakte. Und damit meine ich sowohl unsere eigenen Durchgeknallten als auch ausländische Terroristen, die in unserem Land aktiv werden.
  • Ihr Kommentar zu dem Bert-Brecht-Zitat „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank“…
    In unserem Bankensystem müssen definitiv Reformen auf den Weg gebracht werden, aber wenn man sich Länder wie Kenia anschaut, wo mobile banking nicht nur den Wohlstand gebracht, sondern den gesamten Lebensstil transformiert hat, kann man nicht ernsthaft behaupten, dass Banken nur schlecht sind. Länder kommen nicht ohne solche Institutionen aus, und ob man es mag oder nicht, verlässliche Banken sind eine Säule moderner Gesellschaften.
  • Was soll auf Ihrem Grabstein stehen?
    Sie starb an einem unheilbaren Orgasmus.

Die bisherigen „Bloody Questions“ von Marcus Münterfering sind auf seinem Blog „Krimi-Welt“ zu finden.
Geantwortet haben bisher:

Val McDermid (11)
Joe R. Lansdale (10)
Bill Moody (9)
Wallace Stroby (8)
Lauren Beukes (7, Teil 1) und
Lauren Beukes (6, Teil 2)
Richard Lange (5)
Zoë Beck (4)
Sam Millar (3)
Declan Burke (2)
James Lee Burke (1)

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