Geschrieben am 3. Mai 2014 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Carlos

carlos41

Rettung der Klassiker

Carlos ist wertkonservativ. Deswegen rettet er Klassiker, auch wenn er sie vorher dekonstruieren muss, aber dann funkelt die Aktualität nur so aus den staubigen Konzepten:

sherlock_bbc_DVDIch bin Fan von „Sherlock“, der BBC-Serie, die Holmes und Watson als kryptoqueere Gegenwartsermittler inszeniert. Klasse Plots, mitreißende Bilder, tolle Akteure, lustvolles Spiel mit dem betulichen Urmaterial. Und alles in einem herrlich überdrehten (und erfundenen) Swinging London reloaded. Wer anderer Meinung ist, möge sofort aufhören zu lesen.

Seid ihr weg, ihr Schufte? Prima!

Während jeder Folge denke ich: „Da muss ich mal wieder hin!“ Wenn ich dort bin, gefällt es mir schon, aber es ist dem alternden Herrn Schäfer durchaus ein bisschen zu voll und eng …

Könnte das nicht Teil der Rettung sein? Raus aus der Muffelecke, die Stoffe mitten im prallen Jetzt wiederbelebt? Vermöchten wir uns so wenigstens dem millionsten „Der Mörder ist immer der Gärtner!“ einen Riegel vorzuschieben? Vor Jahren wurde ich im privaten Rahmen einer mir unbekannten Person vorgestellt, artig gab ich die Hand und wünschte einen guten Tag, mir war das nicht vergönnt, die blöde Schrapnelle sagte schlicht: „Kriminaltango.“

Bekämen wir das durch flächendeckende Dekonstruktion des klassischen Krimis zum postmodernen … laber … laber … laber …

Vielleicht. Wie wäre es mit:
Miss_MarpleMoon Marple, einer lesbischen pakistanischen Greisin, die in einem ihr gänzlich verhassten Kaff aufdeckt, dass alle, ausnahmslos, Dreckspatzen sind, auch ihre Teilzeitgeliebte, die Säuferin Stringer
(Ich war mal in North-Yorkshire in einem Bergarbeiterörtchen mit dem fast spacigen Namen „Loftus“, das wäre DIE Location dafür!).

Oder: Pater Brown, aber nix betulich, sondern ein kommunistischer Arbeiterpriester in Glasgow, dem nichts fremd ist – verschärft dadurch, dass er ohne Psychopharmaka pausenlos himmlische Visionen hat, die er hasst!

Man könnte vielleicht meinen, Maigret wäre noch zu nah an uns, aber das glaube ich nicht. Mein Maigret wäre nach einer Schussverletzung so ziemlich gelähmt, hawkinsmäßig, würde aber mit Bierflascheninfusion und Elektrorolli bei den Ex-Kollegen, völlig abgewrackten Gestalten und einer Nymphomanin, per Augenzwinkeralphabet weiterhin mittun. Das vor allem, weil Madame Maigret seiner überdrüssig ist und ihn von Herzen hasst. Auch würde ich ihn von Paris z. B. ins normannisch-raue Rouen verpflanzen und alles in einer trostlosen Düsternis geschehen lassen.

Warum nicht: Philip Marlowe ermittelt, kämpft dabei aber verzweifelt gegen seine pädophile Veranlagung an, säuft dafür etwas weniger und tut das nicht in L.A., weil er dort zu lebenslanger Haft für wiederholten Kindermodendiebstahl verurteilt ist, sondern in einem Alaska, das etwas drei Mal so reaktionär, bigott und trostlos ist, wie ohnehin schon. Hektische Schnitte im ewigen Eis, wüste Prügeleien in Matrix-Anmutung, usw.

emil und die detektiveAuch Wallander wäre zu retten, doch, doch: Allerdings als schrille, schon fast rassistische Komödie, mit gänzlich humorlosen Schweden, aberwitzigen Plots, kompletter Fälschung des realen Landes. Wobei, das ist ja schon alles so. Nur nicht komisch …

Und wir? Was wäre im stolzen Land der Germanen neu zu erfinden?
Ich denke, wir sollten bei der herrlichen Jugend beginnen.
So soll es sein.
Das wollen wir sehen:

EMIR UND DIE DETEKTIVE!

Carlo Schäfer

Mehr von Carlos gibt es hier. Und zu seinem eBook Tod dreier Männer bei CulturBooks.