Geschrieben am 25. Oktober 2014 von für Carlos, Crimemag

Carlos

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Carlos ist baff und tief beeindruckt. Eine Laudatio auf einen unserer Dauerhaftesten

wolf_biermann_lauter_lyrikIn Sachen Karl Wolf Biermann: Ein Lobpreis

Erst hat er hingemacht aus Hamburg nach drüben, dann haben sie ihn hergemacht ’76, den Wolf, weil er erst mitgemacht und dann nimmer mitgemacht hat. Dann hat er hier weiter gemacht. Auwei, Karl Wolf! Und wie! Zunächst noch reichlich marxistisch, das dann aber immer weniger. Freilich, Wolfi, zwei Dinge sind dir geblieben, der du sonst eigentlich alles geändert hast. Das dialektische Herumdenken, mit dem beikommenden Vorteil, dass der schiere Verrat an ehedem Herausposauntem quasi zwingend wird, sonst geht’s ja – gell Karle? – nicht immer vorwärts, Numero due aber in deinem Leben, Biersupermann, Amore! Und wie. Die Weibspersonen hast du beklampft und seehundsschnauzig verschlabbert; Hut ab, Genosse. Gut, dass du Mathe studiert hast! So weißt am Ende du gar noch, der du alles weißt, und zwar besser, wie viele offiziellen Kindlein es sein mögen, die du – bisher freilich nie allzu lange – erzogen hast, nachdem du sie knackig dem Weibe implementiert hattest, du Zuckerkarl! Das ein oder andere Kegelchen mag es noch gegeben haben, zartbitter dahinwelkend in der Uckermarck oder auch Wiesbaden, ich mein’ nur. Wie heißen deine Söhne, Wolf? Wäre nicht ein „Bär Biermann“ tatsächlich klasse? Ach sag’s mir doch, redest doch eh’ immer und zu allem. Wolf, du!

Du warst übers Westsein rasch kein Kommunist mehr, hat man zwar nicht gemerkt, aber wenn heut’ eines was anderes sagt, dann fliegt dem was um die Ohren, hollalla, Prozesshansel du, wer bin ich denn, ich nehm’s zurück. Und heute siehst du es ja klar: „Wir müssen lernen, uns für eine bessere Gesellschaft einzusetzen ohne diesen Kindertraum vom Paradies.“

Geiler Gittarero du! 76, als du hier nach kurzer Trauer durchstartetest, warst du aber immerhin schon weisheitsermöglichende 40 Lenze. Was soll’s! Wolfi: Wenn man schon die Meinung ändert und gleich wieder recht hat, dann muss das belohnt werden:

  • 1969: Fontane-Preis der Stadt Berlin
  • 1971: Jacques-Offenbach-Preis
  • 1973: Deutscher Schallplattenpreis
  • 1975: Deutscher Schallplattenpreis
  • 1977: Deutscher Schallplattenpreis
  • 1979: Deutscher Kleinkunstpreis für Chanson
  • 1989: Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg
  • 1991: Mörike-Preis der Stadt Fellbach
  • 1991: Georg-Büchner-Preis
  • 1993: Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf
  • 1998: Deutscher Nationalpreis
  • 2001: Heinz-Galinski-Preis
  • 2006: Joachim-Ringelnatz-Preis für Lyrik
  • 2006: Großes Bundesverdienstkreuz
  • 2007: Ehrenbürgerwürde der Stadt Berlin
  • 2008: Theodor-Lessing-Preis
  • 2008: Ehrendoktor der Philosophie der Humboldt-Universität zu Berlin

Donnerwetter, Wolfi! Spinnt Wikipedia, streikt die Software, bringt dein pralles Lenden- und Lebenswerk jeden noch so servilen Server zum Absturz? Oder was ist denn, um Himmels Willen, Wolferl! Was ist denn seit 2008 los?

Wolf Biermann Konzert in LeipzigUnd da wäre dann gleich noch eine Frage: Hast du denn einen Preis bzw. eine zu preisende und alsbald zu besitzende Muse je nicht genommen? Selbst als alter Zausel ging dir ja noch eine Junge ins Netz, Bierbomber, du! Mit der trittst du ja auch auf und ihr singt Liebeslieder, ihr seid mir schon zwei bzw. schon du bist zwei: „Ich bin beides: halb Jude, halb Goi.“ Da ist sie wieder, die Dialektik. Ach ja: Der Irakkrieg, der hat dir schwer eingeleuchtet. Unbedingt, aber eben wieder nicht, listig, hegelhaft, posthum marxistisch sammelst du die Wahrheit heute hinterher: Du warst dafür, dass wir mittun, weil, wenn wir so getan hätten, als täten wir mit, dann wäre dem Hussein der Arsch auf Grundsand gegangen und er wäre zurückgetreten. Das ist großer Käse, gewiss, aber noch dein Käse sei uns Ambrosia. Ich, freilich bin ich neben dir Bierdoktor ein Flatus, war dann doch verblüfft, dass du zuletzt sogar die Christdemokraten in dein windelweiches Herz geschlossen hast. Du Pfiffikus und Meinungsmixer, Wendewichtel, wunderbar!

Nun ja, Dr. Biermann, dass du halt so schrecklich viel von deinem Mut erzählen musst, das ist manchmal – ach was, auch das ist großartig, denn es berechtigt zu den tollsten Hoffnungen auf deine weiteren, letzten Schritte: Eine Männerfreundschaft mit Kohl, na ja, aber Finger weg von der Dame des Hauses Wolferl! Besser wäre: Bildkolumne: Arbeitstitel: Mein Leben, meine Lieben, meine Lieder. Oder doch gleich plötzlicher und sowieso fanatischer Katholizismus, bzw. im Grunde schon immer katholisch gewesen, wehe, wer sagt was anderes.

Am besten aber: Eurovison-Song-Contest, Discofox, dritter Platz Biermann hinter Karl und Wolf für die DDR.

Au ja!

Carlo Schäfer

Mehr von Carlos gibt es hier. Und zu seinem eBook Tod dreier Männer bei CulturBooks.

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