Geschrieben am 30. März 2013 von für Carlos, Crimemag, Kolumne

Carlos

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Carlos war in Urlaub. Das ist bewegend. Das bleibt nicht in den Kleidern. Da muss was her. Und zwar mindestens eine Trilogie – voilà:

Kanarische Trilogie I

Der Flug

Kein Sommerurlaub’12 und damit schon Schluss mit Rechtfertigungen – ja, doch Kanaren, immerhin Lanzarote, vulkanisch, anders, ehedem alternativ und mein Onkel W. ist dort gestorben, vor 37 Jahren, und laut einer schamanisch/kabbalistischen Berechnung muss man genau nach 37 …

Egal jetzt. Ich fliege auf jeden Fall nie mehr mit einer gewissen irischen Billiglinie, die ein bisschen klingt wie das deutsche „rein“. Rein ins Vergnügen! Zunächst aber: Rein in den Sitz. Dass die Iren in der Vergangenheit Hungersnöte durchzustehen hatten, muss sich auf die landesübliche Sitzflächenberechnung auswirken (mit Profitgier hat das nichts zu tun, neineinein!)

Ich klemme fest. Ich muss mich in den Sitz drücken. Ich darf dabei nicht atmen. Sofort beginnen beide Hüften zu brennen, es sollte mehr als einen Tag dauern, diesen Schmerz wieder loszuwerden. Immerhin spare ich mir das Anschnallen, besser gesagt, es ist der Ersatz für das Anschnallen, denn die beiden Gurtenden winken sich melancholisch zu, dazwischen bin ich.
Gut, ich bin dick.
Aber ich bin kein wertloser Mensch.
Die Chefin der Servicecrew drückt mir eine knallrote Gurtverlängerung in die Hand. Signalfarbe, jeder soll es sehen: Der da, der frisst.

Diese giftig blonde Chefin sieht aus wie siebzehn und kommt dem Akzent nach aus Osteuropa, wenn sie lächelt, erinnert sie an … Sie lächelt aber nie.
Wir sitzen ganz vorne, was mir erlaubt, einige Gespräche der Flug-, eher Fluchbegleiter mitzuhören.

Das stimmt nachdenklich. Denn von vieren werden zwei offensichtlich eingelernt. Ein junger Mann, der noch nicht einmal weiß, wo genau die Notausgänge sind, ein brünetter Transsexueller (schon gut: Es war wohl schon eine Frau) ist auf exakt dem gleichen Stand.

flugzeug-malvorlagen-7.jpgBei der obligatorischen Vorführung der tollen Rettungsgeräte, die meines Wissens noch niemanden gerettet haben, fällt der zweiten, scheinbar professionellen Kraft die Schwimmweste herunter, sie schiebt sie entnervt zur Seite. Alle vier Frauen tragen, es fällt mir auf, obwohl ich wirklich nicht ständig nach Frauenbeinen spechte, faltige Strumpfhosen. Der Flugbube hat Hochwasserhosen an. Ich überlege, ob sich mehrere Menschen dieser Gesellschaft die Kleidung teilen und ich glaube, dass das so ist.

„Youroxygenmaskisunderyourseat“, bellt die Blonde meine Frau und mich an. Ich fasse unter den Sitz. Da ist nichts.
Sollte etwas passieren, befinde ich schicksalsergeben, dann wird uns dieser Gurkentrupp wohl nicht so besonders beim Überleben behilflich sein.

Dafür rumpeln sie stündlich mit ihren Verpflegungstrolleys durch den Mittelgang, rammen mich, während eine männliche Schmusestimme vom Band säuselt, die Crew biete nun ihren ausgezeichneten Service. Ich bestelle Weißwein. Es muss ein sehr guter sein, dem Preis nach, er ist auch schön warm. Irischer Sonnenmooshang Kabinett lieblich.

Dreimal werden alle gezwungen sich anzuschnallen, obwohl keinerlei Turbulenzen stattfinden. Die Blonde steht herrisch vor der Cockpittür und weist den Buben an: „Youprotectthe middleofthe plane.“ Er gehorcht. Stellt sich hin. Dann kommt der Captain raus und geht auf die Fluggasttoilette, der Dauer nach hat er die Scheißerei.
Kein Terrorist würde es wagen, nun ins Cockpit einzudringen, versuche ich mir weiß zu machen.
Und Tim Wiese wird Deutschlands Nummer 1 im Tor.

Immerhin, das wussten wir vorher: Unser Haus mit Pool ist „very sorry“ erst einen Tag später als vereinbart frei – kein Problem, wir wurden in ein 4-Sterne Hotel umgebucht. Alles wunderbar.

Wir sind erschöpft. Alles riecht nach Chlor. Es gibt „All you can eat“ und billigen Wein, der etwas besser ist als jener im Flaggschiff der Aeronautik schlechthin.
Ich versuche, mir durch Essen und Trinken das Leben zu nehmen.
Noch nicht einmal das klappt. Ich lande einfach bewusstlos im Bett.

Nächste Woche: das Haus, der Pool.

Carlo Schäfer

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