Die Kä(ß)seglocke
Folgen Sie Carlo Schäfer in seine Krimischmiede, in der er auf dem Wahnsinn der Welt herumhämmert, auf dass die Funken sprühen. Regelmäßig alle 14 Tage … Heute begibt er sich auf die Sinnsuche.
Olympische Nachlese – selbst Erlittenes – und einmal mehr: Zauberer Alkohol – ist da ein verborgner Sinn in allem? Und was machen wir mit Käseglocke, Spargelpulver und Innovation? Mal sehen.
Auf der Terrasse gedachte ich eben noch, ein Verb zu erfinden: „überglocken“.
Gut, dass ich es nicht gemacht habe.
„Überglocken“ ist mir zweifellos aus dem hintergründigen bis unbewussten/vergessenen Wissen um die Gerätschaft „Käseglocke“ gekommen.
Gibt es eigentlich noch Käseglocken?
Wenn ja, wo?
Wenn nein, warum nicht?
Unlängst las ich in einem ehedem linksradikalen Buchladen – wie in diesen Kreisen üblich natürlich ohne Vertrag. Das mündlich vereinbarte Honorar entfiel, da der Veranstalter, wie er mir telefonisch mitteilte, davon ausgegangen war, ich läse „für umme“.
Er würde aber gerne auf seine Kosten mit mir saufen und essen, dann irgendwann. (Was übrigens teurer käme, als das lächerlich geringe offensichtlich nicht-vereinbarte Honorar.)
Die deutsche Oberbischöfin Käßmann ist zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Zeilen ganz frisch beim betrunkenen Autofahren erwischt worden.
Google-News meldet stündlich steigende Promillewerte.
Drei Varianten, was in den nächsten zehn Tagen, bis zum Erscheinen meiner heutigen Zeilen geschieht:
1. Nichts.
2. Rücktritt nach erheblichem Aufruhr bis in höchste Kreise der Politik.
3. BILD: Hannover geschockt: Enki tot, Käßi blau.
Bei meiner kostenlosen Lesung wurden zwei Töpfe Gulaschsuppe mit dem Taxi angeliefert – bzw. mit zwei Taxis.
„Überglocken“ ist mir wegen Käseglocke gekommen, Käseglocke wegen Käßmann, und da waren es eben die (Stand 11.58 Uhr) 1,54 Promille, die den Leser fesseln.
Promille spielten dann auch bei meiner kostenlosen Lesung eine Rolle, da der kreative Veranstalter vor die Taxisuppen noch eine Weinprobe geschaltet hatte.
Die sie durchführende Dame, im C&A-Blazer etwas abständig (und zwar positiv) großenteils verfallenen 68er Gelump im Raum, spulte souverän ihr Verkostungsprogramm ab, gespickt mit Scherzen, die als Zielgruppe eher den Odenwälder Mittelständler in käßmännischer Stimmung anpeilten.
Das Volk nahm’s gelassen, schwätzte dazwischen, trank.
Curling, so fällt mir gerade auf, ist der letzte Sport, in dem ich noch ganz normal Olympiasieger werden könnte. Auch, weil im Curling ein heiterer, ja kindlich-froher Umgangston den Stress des Wettkampfes mildert – mit irgendwelchen seelenlosen Kampfmaschinen, ostdeutschen Bobtitanen gar, käme ich menschlich nicht hin.
Hingegen der deutsche Curling-Kapitän, über das ihm an den Hosenbund montierte, indiskrete Mikro, nach einer Niederlage gegen – was weiß ich: Usbekistan – deutlich zu vernehmen:
„Ich geh’ jetzt mal aufs Klöchen!“
Wo so ein zart zagend Miteinander ist, da griff’ auch ich zu gern nach Lorbeer vom Olymp!
Zumal Curling, das lehrt Wikipedia, aus seiner schottischen Genese die schöne Sitte bewahrt hat, dass die siegreiche Mannschaft der unterlegenen einen Drink spendiert.
Auf meiner kostenlosen Lesung, die dank Weinprobe und Taxisuppen erst gegen 21 Uhr begann, saß ich ab 19 Uhr an einem roten Campingtischchen – quasi zur Schau gestellt – vor der zunehmend pappsatt erschöpften und gleichwohl geselligen Zuhörerschaft. Da war mir zwischendurch ein bisschen langweilig und ich griff wahllos in ein Bücherregal zu meiner Rechten. Zufallstreffer:
„Haben die Surrealisten die Twin-Towers gesprengt?“
Ich würd’ mal sagen: Nö.
1,5 Promille ist schon ganz knackig – bei einer ja keineswegs dicken Person, wie der bedrängten Hirtin, und ihrer weiblich-zarten Leber kann man von drei Herrinnengedecken (Pils plus Kurzer) ausgehen, wenn nicht einem Liter Abendmahlsschoppen. Sie sei über sich selbst „erschrocken“, ließ Bischöfin Käßmann in einer ersten Stellungnahme verbreiten.
Er wiederum sei himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, ließ Georg „Schorsch“ Hackl („Rodellegende“) wissen.
Der totgerodelte Georgier stimmt natürlich düster, aber Gold für Deutschland reißt es wieder raus.
Wo steht eigentlich, dass man auf so einem Curlingstein nicht sitzend mitgleiten darf?
Und also fügt sich alles? Hackl, Käßmann, der Suppenbuchkasper und ich werden ein Curlingteam!
Hackl rodelt die Steine an den gewünschten Ort, mein Veranstalter klaut die der Gegner, Käßi und ich spendieren und lassen spendieren!
Ich fürchte, das reicht nicht.
Denn: Man müsse innovativ sein. Man könne das „Radel“ nicht immer neu erfinden, aber man müsse …“, hier rang er um Worte, der erfahrene deutsche Biathlet im ARD-Porträt und sagte dann: „… halt innovativ sein!“
Seine blutjunge, recht eingeschüchterte Freundin ergänzte: Er sei anstrengend, er fordere viel, aber er tue ihr damit gut.
Dann absolvierten beide den ersten Gleitschirmflug ihres Lebens, um den es war in Sachen Innovation gegangen.
Man kriegt halt doch nicht alles zusammen und auch sie steht zum Zeichen meines Scheiterns allein am Schluss: Die Käseglocke.
PS: „In der ayurvedischen Medizin ist Spargelpulver schon lange DIE Potenzhoffnung: einfach in Milch auflösen und einen Monat lang trinken.“ Bild-Online, du bist mir über.
Carlo Schäfer