Geschrieben am 23. Mai 2009 von für Crimemag, Kolumnen und Themen

Dr. Lehmanns Sach- und Warenkunde N° 10

Kleine Kriminalistik für Krimis

Heute: Die Krux mit den Handschuhen. Heutzutage weiß jeder Verbrecher und jede Krimischreiberin, dass man Handschuhe tragen sollte, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.

Ein Verbrecher ist aber gut beraten, wenn er seine Handschuhe dann nicht am Tatort oder in dessen Nähe auszieht und wegwirft, denn sie enthalten nicht nur Hautschuppen, die für eine Genanalyse taugen, sondern zuweilen innen den kompletten Satz seiner Fingerabdrücke. Und wer sich Handschuhe anzieht, muss wenigstens einen Handschuh mit bloßen Fingern anfassen, um ihn über die andere Hand zu streifen. Dabei hinterlässt er zumindest auf glatter Handschuhoberfläche wunderbare Fingerabdrücke.

Aber auch Handschuhe selbst hinterlassen Spuren. Es ist also auch ungünstig, wenn der Täter seine Handschuhe nach der Tat daheim wieder in die Schublade legt. Erstens tragen sie Spuren vom Tatort, und zweitens haben sie dort Spuren hinterlassen. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Wurden Handschuhe in einem landwirtschaftlichen Betrieb verwendet oder hat der Täter damit etwas gegessen, sich damit über die Haare gestrichen oder Schweiß vom Hals gewischt, das alles klebt er auf die Flächen, die er am Tatort anfasst. Sind Handschuhe fettig, hinterlassen Falten an den Fingern sehr individuelle Spuren. Hat das Material der Handschuhe einen kleinen Fehler, eine bestimmte Unregelmäßigkeit an einer Naht, das Leder spezielle Poren oder der Latex Herstellungsfehler, so lässt sich auch das – wenn die Ermittler etwas Glück haben – am Tatort feststellen.

Latexhandschuhe werden hergestellt, indem man eine Handform aus Porzellan in ein Latexbecken taucht. Der flüssige Latex überzieht die Handform mit einer dünnen Schicht. Der Handschuh wird abgezogen und, was an der glatten Porzellanform anhaftete, wird Außenseite. Wenn der Latex an einer Stelle nicht gut haftete, wenn es Luftblasen gab oder ein Stück Latex eines vorher hergestellten Handschuhs noch an der Form klebte, ergibt das auf der Außenseite des Handschuhs einmalig charakteristische Fehler, die der Träger des Handschuhs beim Anziehen nicht bemerkt. Hinterlässt er einen Handschuhabdruck am Tatort (z.B. weil er sich in Blut abgestützt hat), kann man solche kleinen Unregelmäßigkeiten in der Textur des Handschuhs zuordnen, vorausgesetzt man findet den benutzten Handschuh. Und der trägt dann innen wiederum Fingerabdrücke (und Genabdrücke) seines Trägers.

Am besten also: Gar nicht persönlich am Tatort erscheinen. Wenn das nur ginge!

Christine Lehmann

Christine Lehmann & Manfred Büttner: Von Arsen bis Zielfahndung. Das aktuelle Handbuch für Krimiautorinnen und Neugierige.
Ariadne im Argument Verlag 2009. 250 Seiten. 16,90 Euro.

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