Kleine Kriminalistik für Krimis
Heute: Der Reflextod. In Star Trek kann der Vulkanier Mr. Spock seine Gegner mit einem Fingerdruck auf zwei Nerven-Punkte des Schulterblatts schlagartig bewusstlos machen. Unter Vulkaniern mag das klappen, beim Menschen liegen die kritischen Nervenpunkte am Hals. Allerdings gibt es keinen dokumentierten Fall, bei dem durch einen gezielten Schlag gegen den Hals der Reflextod ausgelöst wurde. Unabsichtlich kann das allerdings schon passieren. Da nimmt ein großer Bub einen kleinen in den Schwitzkasten und schlagartig wird der Kleine schlaff und ist tot.
Man nennt das den Reflextod. Denn es handelt sich um einen Reflex des vegetativen Nervensystems. Seitlich am Hals gabelt sich die Halsschlagader nach oben, etwa da, wo Detektivin Susi bei einem Bewusstlosen versuchen würden, den Puls zu ertasten. Die Gabelung der sogenannten Arteria carotis liegt allerdings bei jedem ein bisschen woanders. Genau dort verläuft aber der Sinus carotis, auch der Karotissinus genannt. Das sind druckempfindliche Messpunkte des Vagusnervs, die in der Halsschlagader den Blutdruck messen. Drückt man darauf, meldet der Karotissinus ans Hirn einen zu hohen Blutdruck. Das Hirn startet sofort eine Gegenmaßnahme und senkt den Herzschlag, wenn es dumm läuft, bis zum Stillstand.
Ex-US-Präsident George W. Bush hat das 2006 fast mit einer Brezel hingekriegt. Offenbar würgte er ein so großes trockenes Stück herunter, dass der Vagusnerv gereizt wurde. Die Folge: Blutdruckabfall und Ohnmacht. (Andere meinen auch, Bush habe sich verschluckt und die Husterei habe den Blutdruck im Kopf erhöht.) Die Mediziner nennen das den Bolus-Tod. Er tritt typischerweise im Steakhaus auf, wenn ein alkoholisierter Mensch seinen Fleischbrocken nicht schnell genug gekaut kriegt und runterschluckt. Der große Brocken reizt, drückt oder überdehnt den Vagusnerv, der zwischen Halsvene und Halsarterie verläuft, also nah an der Speiseröhre. Auch ein Kopfsprung ins kalte Wasser kann den Reflextod auslösen. Das nennt man dann den Badetod.
Darum hat man übrigens früher echauffierten alten Damen zur Beruhigung ein Glas kaltes Wasser eingeflößt. Kälte reizt den Vagusnerv und senkt Puls und Blutdruck. Und bei überempfindlichen Menschen reicht ein zu enger Kragen oder ein leichter Druck auf die Halsseiten, und ihr Kreislauf ist weg.
Christine Lehmann
Christine Lehmann & Manfred Büttner: Von Arsen bis Zielfahndung. Das aktuelle Handbuch für Krimiautorinnen und Neugierige.
Ariadne im Argument Verlag 2009. 250 Seiten. 16,90 Euro.