Sterben sollst Du unter Palmen
– Nettes altmodisches Mörderraten unter tropischer Sonne – „Death in Paradise“ liefert perfekt. Aber ist das auch wirklich gut? Anna Veronica Wutschel hat sich durch 4 DVDs gearbeitet.
Irgendwann ist jeder dran. Den einen trifft es noch im hohen Alter, trotz langwieriger Vorankündigung fast überraschend, den anderen rafft es überstürzt und gänzlich unerwartet dahin. Der Abgang des britisch mürrischen, des so steifen DI Richard Pooles (Ben Miller) war von langer Hand geplant. Doch ginge es nach den erstaunlich vielen „Death in Paradise“-Fans (das BBC1 Crime Drama wird z. T. von mehr als 8 Millionen Briten verfolgt), wäre der exzentrische Ermittler Poole sicherlich nicht schon in der ersten Episode der dritten Staffel vom mörderisch, tödlichen Treiben selbst ereilt worden. Ben Miller aber plagte das Heimweh, er verlängerte seinen Vertrag nicht, denn zum einen bevorzugte er wohl im Gegensatz zum schwül-heißen Karibik-Klima die kühle, regnerische Witterung in Good Old England, zum anderen vermisste er vor allem während der sechsmonatigen Dreharbeiten seine Familie.

Ben Miller (2008), BAFTA- Awards, Richard Martin, wikimedia commons
Brutaler Abgang
Während Miller seinen brutalen Abgang in Interviews als äußerst gelungen und der Rolle angemessen preist, haderten die Fans der britisch-französischen Koproduktion bei der Erstausstrahlung derart mit seinem Schicksal, dass entrüstetes Granteln sich im Twitter-Kosmos empörte. Wie konnte man dem genialen DI Poole nur so einen schnellen und kläglichen Abgang zugestehen, zumal, so der einvernehmliche Konsens, seine karibischen Kollegen nicht ausreichend um ihn trauern, ihn nach dem Ableben gar kaum eine ganze Folge lang vermissen, danach scheint er vergessen. Zudem wird umgehend ein Nachfolger eingeflogen, der wie Poole einst selbst, den Mord am Vorgänger aufzuklären hat. Der recht verwirrt agierende Ermittler Humphrey Goodman (Kris Marshall) steigt aus dem Flugzeug und übernimmt sogleich den Fall, übernimmt Pooles Schreibtisch, dessen Unterkunft am Strand und damit auch den Untermieter Gecko Harry.
Pietätlos, befand das Urteil der Zuschauergemeinde fast einstimmig, um sich dann indes sehr rasch mit dem merkwürdig linkischen DI Goodman zu arrangieren. Der Quote hat der Ermittler-Austausch nicht geschadet und letztlich hat sich ja auch kaum etwas auf dem imaginären Eiland Saint Marie verändert (gedreht wird im Urlaubsparadies Guadeloupe). Wie gewohnt, orientieren sich die old-fashioned, abstrus ausgeklügelten Whodunnit-Fälle à la Agatha Christie allesamt an demselben simplen Schema: Ein Mord geschieht, manchmal folgt darauf ein zweiter ungeklärter Todesfall, die Gruppe der Verdächtigen ist überschaubar, doch wie es die Tradition des Locked-Room-Mysteries nun einmal will, scheint das Geschehene schier unglaublich, nicht nachvollziehbar.
Kniffel und infantiler Humor
So wird die Lösung jedes Mal erneut zu einem verkniffelten Ratespielchen, das sich auf die grundsätzlichen Detektiv-Fragen ausrichtet: Wer hatte die Gelegenheit? Welches Motiv steckt hinter der Tat? Und wie konnte diese letztlich ausgeführt werden? Komplizierte Fragen, auf die lediglich ganz gewiefte, von Knobelspaß durchdrungene Zuschauer, oder aber echte Gentleman-Detektive die richtige Antwort durch deduktive Denkerei ermitteln können. Selbstverständlich verfügt auch der tollpatschige Goodman über den legendären Hercule-Poirot-Scharfsinn, sodass ihm auch nicht das kleinste Detail, das vermeintlich irrelevanteste Puzzlestückchen entgeht.
Schließlich, so zeigen es uns die acht Episoden der der dritten Staffel, liegt die Wahrheit eventuell zwischen jahrzehntealten, verstaubten Dokumenten, in der vermeintlichen Lektüre eines Klassikers, in einem lapidaren Reiseführer, einer verwechselten Teetasse, einer gewaschenen Socke usw. Und so wie es klingt, werden die Geschichten mit viel Sinn fürs Detail und nahezu infantilem Humor auch erzählt. Keine Frage, selbst der so unfähig scheinende, trottelige Goodman hat nach knapp 60 Minuten auch den verzwicktesten Fall gelöst. Seine Erkenntnisse präsentiert er alsdann altbacken in brillant gewandter Weise, filmisch mit dramatischen Rückblenden unterlegt, dem Kreis der Verdächtigen und den inzwischen dösenden Zuschauern.
So weiß am Ende, egal wie sehr man zwischendurch vom Geschehen abgelenkt oder abgeschweift ist, auch jeder genau Bescheid. Das Setting wie auch das Team sind dieselben wie zuvor. Saint Marie lockt mit unendlichen, traumhaft einsamen, weißen Stränden, Palmen und coolen Drinks, die sexy Ermittlerin Camille (Sara Martins) mit weiblichen Reizen. Viel mehr scheint sie nicht zu können und das muss sie auch nicht, schließlich ist sie eine attraktive Frau und nicht mehr als eine Stichwortgeberin. Wie im Übrigen auch die beiden ebenfalls einheimischen Sergeants Dwayne und Fidel, die kaum jemals etwas von Belang zu der Klärung eines Falls beitragen, dafür aber treudoof durchs Bild laufen oder sich im Sinne einer polizeilichen Untersuchung schwer betrinken dürfen. So lässt die Serie kaum ein klassisches Karibik-Klischee aus und scheint trotz aller spaßig-humorigen Rumkombiniererei knietief in kolonialen Denkmustern verstrickt. Da nützt es dann auch nicht viel, dass selbstverständlich auch in der dritten Staffel nahezu alle Nebenrollen mit Stars wie Clarke Peters (The Wire), Hannah Tointon (The Children), Tim Dutton (The Bourne Identity) sowie Sharon Small (Inspector Lynley) und vielen mehr besetzt sind.
Anna Veronica Wutschel
Death in Paradise: 4 DVDs. Studio: Edel Motion. Laufzeit: 435 Minuten. Darsteller: Ben Miller, Kris Marshall, Sara Martins, Danny John Jules, Gary Carr, Elizabeth Bourgine u. a. Nach einer Idee sowie geschrieben von: Robert Thorogood. Regie: Cilla Ware, Dusan Lazarevic, Robert Quinn, Richard Signy. Erscheinungstermin: 12. 09.2014. Sprache: Deutsch, Englisch. Audio: Dolby Digital 2.0. Preis: 29,99 Euro. Den Blog von Anna Veronica Wutschel finden Sie hier. Bildnachweise: Death in Paradise Cast Photo, one frame of an episode/ wikimedia commons. The Bourne Identity (2002), theatrical release poster/ wikimedia commons