Geschrieben am 6. September 2015 von für Crimemag, Film/Fernsehen

DVD: Good Kill – Tod aus der Luft

DVD: Good Kill„Christen in Aktion“

Ein „Good Kill“, das ist ein guter Abschuss: Rakete punktgenau ins Ziel. Alf Mayer hat sich den Film von Andrew Niccol auf DVD angesehen.

Bomberjacke, Sonnenbrille, Crewcut, er sieht aus wie ein Pilot, läuft wie einer. Die Cowboys der Luft haben einen eigenen Gang, aber er gehört nicht mehr zur US-Airforce, sondern „zu einer neuen Vogelart, zur Nerdforce“. Keine überschallschnelle F-16 mehr, die er reitet, sein Arbeitsplatz befindet sich in einem der zehn Container neben der Rollbahn einer Airbase nahe Las Vegas. Er ist Joystick-Pilot wider Willen, kommt sich wie ein Feigling vor, vermisst das Adrenalin, das Risiko, die Angst. Er steuert Drohnen, und tja, deren Raketen heißen nicht umsonst „Hellfire“, Flugzeit zehn Sekunden ab „Angriff nach freiem Ermessen“ und „Feuer frei“. Wieviele Tote? „Ich zähle sechs. Aber ich will nicht herausfinden, welche Teile wem gehören.“

Ethan Hawke als Thomas Egan weiß, es ist keine Playstation, die er bedient. „Wir knallen keine Figuren aus Pixeln ab.“ Aber die Hälfte seiner Kollegen im Container wurde in Shopping Malls angeheuert, Thomas Egan fühlt sich jeden Tag unnützer und schmutziger.

Der Film spielt 2011, auf dem Höhepunkt der gezielten Tötungen. Sagen wir, auf dem damaligen, denn diese Art der Kriegsführung hat klar Zukunft. Ein Großteil von Thomas Egans Arbeit besteht im Warten. Eine seiner Satellitenkameras ist auf ein Gehöft in Waziristan eingestellt, das als Anlaufstelle für einen hohen Taliban-Führer gilt. Aber es kommt immer nur, mit scheußlicher Regelmäßigkeit, ein einfacher Taliban auf den Hof, schnappt sich die Frau des Hauses bei was immer sie gerade tut und misshandelt/ nimmt/ vergewaltigt/ benutzt sie, ehe er wieder verschwindet. Aber dieser Mann, so sehr das an Tom Egan frisst, ist „kein geeignetes Zielobjekt“. Ohnmächtig muss er das Ritual jeden Tag von oben ansehen.

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Feuer frei: Es ist „Präventiver Selbstschutz“

Dann, eines Tages, ändert sich die Befehlslage. „Wir müssen jetzt einem anderen Herren dienen“, sagt der kommandierende Offizier. Den „Christen in Aktion“ – der CIA. Deren Skrupel sind kleiner als die der Army, das Vorgehen rücksichtsloser. „Wollen Sie den Befehl verweigern?“, fragt die gesichtslose Stimme am laut gestellten Telefon einige Male kühl. (Einer der Kunstgriffe des Films, dass wir da nie etwas personifiziert „Böses“ zu Gesicht bekommen.) „War das ein Kriegsverbrechen, Sir?“, fragt Toms Kollegin, die toughe Lenny Kravitz-Tochter Zoë. „Halten Sie den Mund“, blafft ihr Vorgesetzter. „Don’t ask me if this is a just war. It’s just war“, sagt er einmal, die deutsche Fassung verschwurbelt das natürlich.

Was Thomas Egan von den Regeln der Kriegsführung wusste, geht zunehmend über Bord. Zivile Opfer sind für Langley kein Problem. „Zielobjekt geeignet“, heißt es immer wieder. Oder „Präventiver Selbstschutz.“ Der Rest sind Zynismen: „Sprengköpfe auf Knallköpfe“ oder „Wenn wir sie gefangen nehmen, müssen wir sie foltern.“ In einer Kneipe, an deren Theke Thomas Egan auf dem Heimweg immer öfter hängt, fragt ihn ein Cop: „Wie läuft der Anti-Terror-Krieg?“ Antwort: „So wie der Anti-Drogen-Krieg.“

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Tom Egan hat eine gut aussehende Frau (January Jones), wohnt in einer adretten Neubausiedlung am Rande der Wüste. Die Kamera rückt das öfter in den gleichen Vogelperspektiven-Blick wie Egan den am Arbeitsplatz inne hat , nur dass die verwaschenen Farben der Drohnen- und Satellitenkameras hier einer fast schmerzhaften Farbigkeit weichen. Diese „sachlichen“ Blickachsen von oben, die Privatwelt der Joystick-Piloten ebenso von oben betrachtet wie die der Menschen im fernen Wasiristan im pakistanisch-afghanischen Grenzland oder im Yemen, das ist eine der Kommentarebenen dieses rundum guten, wohlüberlegt politischen Films. Zu den Credits des iranisch-stämmigen Kameramanns Amir M. Mokri zählen Kathryn Bigelows „Blue Steel“ (1990), „The Salton Sea“ (2002) und „8 Blickwinkel“ – ein Mann, der weiß, was er da filmt. Das gilt erst recht für Buch und Regie, für beide zeichnet Andrew Niccol, der uns schon mit „Gattaca“ (1997) und dem elegant-zynischen Waffenhändlerfilm „Lord of War – Händler des Todes“ (2005) beglückte und einst das Drehbuch für „The Truman Show“ schrieb, auch dort allgegenwärtige Überwachung das Thema.

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Es ist bereits Niccols dritte Zusammenarbeit mit Ethan Hawke, der hier nicht von ungefähr an Tom Cruise in „Top Gun“ erinnert, einem von der US-Army bis heute gerne zur Rekrutierung eingesetzten Film. Für „Good Kill“ lehnte das US-Militär eine Zusammenarbeit ab. Seltsamerweise fand ihn die Kritik „zu amerikanisch“, als er 2014 beim Filmfestival von Venedig im Wettbewerb lief. Der Drohenkrieg zu spezifisch amerikanisch? Darauf muss man erstmal kommen. Hauptsächlich ist es übrigens eine französische Produktion von Nicolas Chartiers Voltage Pictures, „stupid German Money“ auch dabei, der Regisseur Neuseeländer. Die Tagline für den US-Markt lautete: „If you never face your enemy, how can you face yourself?“

Ganz London war über Ostern 2015 mit den Plakaten für diesen Film dekoriert, in Deutschland kam er erst gar nicht ins Kino, sondern erschien gleich auf DVD, lief auch bereits im Juli 2015 im ZDF. „Lord of War“ spielte weltweit 72,6 Mio. Dollar in den Kinos ein, DVD- und Streaming-Einnahmen unbekannt. „Good Kill – Tod aus der Luft“ kam in den USA in 143 Kinos auf ganze 316.472 Dollar, knappe 16.000 $ mehr als im weit kleineren Frankreich, wo alleine der Name Ethan Hawke ins Kino lockt. Ein Total-Flop also, ein Film, den niemand sehen und von dessen Thema niemand etwas wissen will. Deutschland inbegriffen. So wollen sie das, die Händler des Todes. In Regierungen und Industrie.

Alf Mayer

PS. Ein Rätsel bleibt mir. Who the heck is Prinz Kiki von Hohenzollern, dem dieser Film am Ende dankt?

PPS. Joystick-Pilot Tom Egan sagt seiner Frau einmal, was er tut:
Molly Egan: You look miles away.
Tom Egan: 7000. You want to know about my job?
Molly Egan: Yeah.
Tom Egan: Well, yesterday, I was flying over a house in South Waziristan. Well, it was night when I statrted flying over their house, but they couldn’t see me. Even if it was day. It was a house of a Taliban commander. He wasn’t home. Inside, his wife and family were sleeping. When he did come back around dawn, the family was still inside but I wasn’t sure when I’d get this chance again so I blew the house up anyway. And I watched as the neighbors started pulling the bodies out. Another one of my jobs is damage assessment… which is our way of saying counting the dead. Which is not as easy as it sounds because a lot of times the bodies are in such small pieces. But this time I knew for sure it was 7. I watched all morning as these locals cleaned up the mess; got ready for the funeral. They like to bury their dead within 24 hours, which is a happy coincidence for me, because that’s how long I can stay in the air. I watched them carry the bodies up the hill to the grave site. I had information that the Taliban commander’s brother would attend the funeral. So I waited until they were all there, saying their prayers… and then I blew them up too. That’s my job.

Good Kill – Tod aus der Luft (Good Kill), USA 2014. Regie und Buch: Andrew Niccol. Kamera: Amir Mokri. Darsteller: Ethan Hawke, January Jones, Zoë Kravitz, Jake Abel, Bruce Greenwood u.a. Musik: Christophe Beck. Schnitt: Zach Staenberg. Länge: 102 Minuten. DVD bei: Ascot Elite Entertainment Group.

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