Geschrieben am 16. August 2014 von für Crimemag, DVD

DVD: Inspector Barnaby. Collector’s Box 4

inspector-barnaby-collectors-box-4Unbedenklich unsittsam

– Es ist beruhigend, dass auch unsere englischen Freunde „Midsomer Murders“ wie wir als die charmanteste und abgedrehteste Einschlafhilfe ever betrachten. Der Herausgeber dieses Magazins hat es auch noch nie geschafft, eine ganze Folge „Inspector Barnaby“ wach zu überstehen, hat aber immer sehr angenehm dabei geschlummert. Das ist auch eine Qualität. Anna Veronica Wutschel hat sich gleich 21 (!) Folgen vorgenommen:

So leger gab sich Inspector Barnaby selten, in Shirt und ausgewaschenen Jeans macht er sich mit Ehefrau Joyce eher widerwillig zu einem Entstressungswochenende im exklusiven Swavely Manor Spa auf. Selbstverständlich liegen düstere Wolken über der Luxus-Wellness-Oase wie auch über Barnaby selbst, dem weniger die anstehende Diensttauglichkeitsprüfung als eine ganz besonders bittere Sorge zusetzt. Und während Barnaby mit sich ringt und nackte Damen bei der Schlammkur mit seinen Problemen belästigt, stößt Ehefrau Joyce im entspannenden Salzbad auf eine erste Leiche.

DS Jones übernimmt die sich wie immer äußerst kompliziert gestaltenden Ermittlungen und ist zunehmend überfordert. Da ist es nur gut, dass Barnaby sich heimlich im örtlichen Pub das ‚Rückgiftungsmenü‘ (Steak und Fritten) als Stärkung gönnt, bevor er den Fall zwischen Tofu und New Age, literarischen Ambitionen, Liebschaften und desaströsen Spekulationen auf seine ganz eigene gemächliche Art löst. Um sich dann nach 81 Fällen vom mörderisch verderbten Treiben im idyllischen Midsomer County in den Ruhestand zu verabschieden.

inspector-barnaby-vol-19Lustvoll & skurril

Die nun vorliegende Collector’s Box 4 umfasst 21 Folgen der Volumes 16 bis 20 und bietet allen DVD-Sammlern und Serienfans altbekannte, feinste Unterhaltung in einer nett aufgemachten Box mit fünf schicken Packages à vier resp. fünf DVDs. Wieso bei den meisten der zusammengestellten Episoden die chronologische Reihenfolge unbeachtet bleibt, ist rätselhaft. Doch sei’s drum, der Spaß an den pittoresken Bilderbuch-Landschafts-Krimis, die mit gewagter Betulichkeit gewohnt lustvoll skurril das böse Treiben der Mitmenschen sezieren, kann durch solch nicht nachvollziehbare Nachlässigkeit nicht geschmälert werden. In Midsomer geht es immer hoch her, egal, ob Schul- oder Dorffeste gefeiert, eine Regatta oder ein Cricketspiel beklatscht, ein Supermarkt oder eine neue Siedlung gebaut werden: Midsomer-Ansässige frönen einfach immer und voller Leidenschaft den ruchlosesten Lastern. Es spukt, Meisterspione treiben ihr Unwesen, Meisterschüler sterben reihenweise, die zuvor zwangsunterdrückte Libido von Boxern führt zu vielen Unannehmlichkeiten, wobei manch einer sogar glaubt, sein Nachbar habe das zweite Gesicht. Dass es bei all der kuriosen Heimeligkeit immer auch äußerst brutal zugeht, ist altbewährtes Rezept der Kultserie, und so werden Gehirne frittiert, Mitmenschen geschlachtet, geköpft, ganz old fashioned erschossen oder gar ganz spooky mit Riesenkrallen zerfleischt.

Biedere Grausamkeiten

„Inspector Barnaby“ bleibt eben ein Phänomen der beschaulichen Familienunterhaltung, bei der sich Vintage-Countryside-Cozy mit erstaunlicher Grausamkeit paart, ein ebenso bitterböses wie komplett harmloses Sittengemälde von ‚good old England‘ gezeichnet wird. Dabei überspielt die Serie gekonnt die komplett fehlende Spannung mit feinstem britischem Humor. Die zuweilen etwas allzu bedächtig ausfallenden, zumeist aber nach all den Jahren an Originalität immer noch schwer zu überbietenden Drehbücher, die großartigen Darsteller sowie die in jeder Folge offensichtliche Liebe zum Detail aller Beteiligten beweisen, dass man auch in einer sich letztlich ständig wiederholenden Endlosschleife nicht uninspiriert untergehen muss.

Und so ist selbst der Abschied von DCI Tom Barnaby (John Nettles) letztlich einer ohne Ende, übergibt er doch in der letzten Folge den Ermittlungsstab – famoser Geniestreich der Macher – an seinen Cousin John Barnaby. Wie sonst sollte die in England unter dem Titel „Midsomer Murders“, im Ausland aber vornehmlich als „Inspector Barnaby“ bekannte Serie sonst ohne Imageverlust weitergeführt werden?

Chief Inspector John Barnaby, der zuvor in Brighton ermittelte, kennt man bereits aus einer Folge, in der die beiden Barnabys zusammen einen verzwickten Fall um einen geköpften Investor, verbotene Lieben und unrechtlich entwendetes Sperma lösten. Aufregend! Und nun also wird der junge John im englischen TV bereits seit 2011 mit größtem Erfolg mit weiteren dubios-grotesken Fällen betraut. Der deutsche Zuschauer kann sich bald von dem Neuen selbst ein Bild machen, denn ab dem 21. September wird das ZDF am gewohnten Sendeplatz die 14. Staffel ausstrahlen. Und vieles deutet darauf hin, dass in Midsomer alles so heimtückisch garstig, so unbedenklich unsittsam geblieben ist wie zuvor. Wie schön wäre das?

Anna Veronica Wutschel

Inspector Barnaby: 21 DVDs. Studio: Edel Motion. Laufzeit: 1651 Minuten. Darsteller: John Nettles, Jane Wymark, Barry Jackson, John Hopkins, Jason Huges, Laura Howard, Neil Dudgeon u. a. Regie: Peter Smith, Renny Rye, Richard Holthouse, Sarah Hellings u. a. Erscheinungstermin: 11. April 2014. Sprache: Deutsch/Englisch. Audio: Dolby Digital 2.0. Preis: 64,99 Euro. Den Blog von Anna Veronica Wutschel finden Sie hier.

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