Cynics are just heartbroken idealists
– Denise Mina ist eine wichtige, seriöse schottische Kriminalautorin, abseits des Tartan-Noir-Gedömmels. Fernsehstoff vom Feinsten, aber obwohl sich die BBC Mühe gegeben hat, ist die Mini-Serie nach Minas Roman „Der Hintermann“ angesichts dessen Komplexität doch ein wenig simpel geraten. Wenn auch nicht ganz daneben. Henrike Heiland über „The Field of Blood“.
Anfang der 80er Jahre war ein copy boy ein copy boy, ganz egal, ob männlichen oder weiblichen Geschlechts. Paddy Meehan, ein junges Mädchen aus Glasgow, will unbedingt Journalistin werden, und dazu muss sie erst einmal in der Zeitungsredaktion der „Daily News“ den copy boy, den Laufburschen, machen. In dieser Zeitungsredaktion gibt es außer ihr genau eine Frau, Heather, und die ist blond und sexy. Heather setzt ihre körperlichen Vorzüge ein, um Karriere zu machen, ist aber klug genug, um nicht zu weit damit zu gehen. Heather ist damit das Gegenteil von Paddy, die offen nur als das „dicke Mädchen“ gilt, die nicht fürs Denken, sondern fürs Kaffeeholen bezahlt wird. Dass Paddy sich dick und unattraktiv fühlt, ist absurderweise gleichzeitig ihr größter Antrieb: Job statt Ehe, sagt sie sich und später dann auch ihrem Verlobten, denn die Ehe passt nicht zu ihr, sie sieht sich nicht als brave Hausfrau und gute Mutter. Und so hält sie die dummen, sexistischen Bemerkungen der (nicht wirklich schlanken und auch gar nicht attraktiven) Männer aus, um unbeirrt ihre Ziele zu verfolgen.

Autorin Denise Mina
Was sie auch formell zur Journalistin machen wird, ist ein Fall, der sie fast von ihrer Familie entfremdet: Ein dreijähriger Junge wird entführt und brutal ermordet, und der Täter soll ein zehnjähriger Cousin von Paddy sein. Hinzu kommt, dass man in Schottland bereits ab acht Jahren strafmündig ist und wie ein Erwachsener verurteilt werden kann. Paddy vertraut sich Heather an, die nicht im Traum daran denkt, diese Geschichte auch nur eine Sekunde für sich zu behalten und damit am nächsten Tag auf der Titelseite rauskommt. Nun muss Paddy nicht nur der Verwandtschaft klarmachen, dass sie genau das hatte verhindern wollen, sie will auch der Polizei beweisen, dass der Junge nicht der Täter ist. Ein sehr ähnlicher Mordfall, der bereits acht Jahre zurückliegt, bringt Paddy schließlich auf eine sehr düstere Spur. Als sie anfängt, in der Vergangenheit zu graben, bringt sie dadurch Ereignisse in Gang, die zu Heathers Tod führen.
Von komplex zu simpel …
Was in Denise Minas Romanvorlage ein komplexer Kriminalfall war, wird in der zweiteiligen BBC-Miniserie zu einem recht simplen Puzzle, bei dem sich die Einzelteile sauber und problemlos ineinanderfügen. Der Krimihandlung wird wenig Raum zuteil, und als zum ersten Mal wirklich Blut fließt – Heathers Ermordung – hält sich die emotionale Reaktion darauf selbst bei Paddy, die moralisch in gewisser Weise dafür verantwortlich ist, in Grenzen. Besonders im ersten Teil wird deutlich mehr Zeit darauf verwendet, die frühen 80er zu zeigen.
Eine pedantische Detailverliebtheit, wie man sie von der BBC auch erwartet (bis hin zur passenden Indie-Musik aus der Zeit), lässt fast vergessen, in welchem Genre man sich eigentlich bewegt, und die Ausführlichkeit, mit der Paddy zu Hause und in der Redaktion ihre Konflikte ausfechten muss, lässt eher ein Sozialdrama vermuten. Hier wird die Rolle der Frau beleuchtet (schön der Streit mit der Mutter, die letztlich ihr eigenes Leben von der Tochter in Frage gestellt und schwer kritisiert sieht, nur weil diese arbeiten gehen will), das Thema Alltagssexismus bespielt, die irisch-katholische Minderheit in Glasgow am Rande porträtiert, das Leben der Arbeiterschicht gezeigt. Und obwohl diese Aspekte so viel Raum bekommen, sind sie nur ein Bruchteil dessen, was der Roman beschreibt – natürlich, so ist es oft im Film. Wem allerdings die Grundkenntnisse fehlen, der ist hier aufgeschmissen, an dem zieht das Meiste vorbei, dem bleibt ein glatter, fast spannungsfreier Mordfall.
Und doch ist Paddy Meehan eine erfrischend herausragende Ermittlerfigur, dazu noch hervorragend gespielt von Jayd Johnson. Großartig auch Dr. Pete, ein zynischer, krebskranker älterer Journalist, der sich seinen brillanten Kopf fast weggesoffen hat und kurz vor seinem Tod noch zu Paddys Mentor werden kann – Peter Capaldi stiehlt mit dieser Rolle seinen Kollegen in jeder Szene die Show. Auf den ersten Blick kaum zu erkennen: David Morrissey als desillusionierter, dauerfluchender Chef, dessen grummeliges „And now fuck off“ mehr als einmal wie das schönste Kompliment klingt.
Letztlich also mehr Sozialstudie als packender Krimi. Trotz schottischem Akzent gut verständlich, im Zweifel helfen die englischen Untertitel. Empfehlung wäre, erst das Buch zu lesen und die Verfilmung on top anzusehen.
Henrike Heiland
The Field of Blood – Season 1 [UK Import]. DVD. (Verfilmung von Minas Paddy Meehan-Serie auf BBC.) Regisseur: David Kane. Mit Peter Capaldi, Gavin Mitchell, Jonas Armstrong, Matt Costello, Robert Dickson. Acorn Media. 34,99 Euro.
Denise Mina: Der Hintermann (The Field of Blood, 2006). Roman. Deutsch von Doris Styron. München: Knaur 2007. 528 Seiten. Vergriffen.
Die Autorin im Gespräch mit Henrike Heiland bei crimemag.
Buchvorstellung von Henrike Heiland auf Focus Online.