Liebes CrimeMag-Publikum,
Kriminalliteratur wurde früher gerne als „Asphalt-Literatur“ abgetan. Wir finden, dass das ein Adelstitel ist. Wir mögen Asphalt, wir mögen Großstadt, wir mögen Realität. Deswegen präsentieren wir Ihnen hier eine neue Rubrik, die jeden Monat Bilder des Fotografen Carsten Klindt und manchmal Texte der Polizistin Nadja Burkhardt kombiniert: Street Scenes und Street Crimes. Aus Realität wird Kunst in Bild und Wort, fragmentarisch und kaleidoskopisch. Freuen Sie sich mit uns! (Hier Auftritt Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr.4, Nr. 5, Nr.6, Nr.7, Nr. 8 und Nr.9, Nr. 10 und Nr. 11, Nr. 12 und Nr. 13 und Nr. 14 und Nr. 15 und Nr. 16 und Nr. 17. Außerdem: Nr. 18, Nr. 19, Nr. 20.)

„Street Scenes“ ist eine Serie des Berliner Fotografen Carsten Klindt, aus der wir jeden Monat ein Foto präsentieren. Auf der Website von Carsten Klindt können Sie einzelne Bilder auch käuflich erwerben. Seine Homepage hier.
STREET CRIMES
Nadja Burkhardt ist aus Überzeugung Street Cop in Berlin. Und sie hat ein Auge für den alltäglichen Wahnsinn. Denn der ist zwar manchmal kleinteilig und unspektakulär, bildet aber den Zustand unserer Gesellschaft präzise ab. Und Nadja Burkhardt weiß auch, dass vieles sehr, sehr komisch ist. Deswegen ab jetzt bei uns jeden Monat STREET CRIMES – Miniaturen aus dem Irrsinn ohne Ende, komisch, tragisch, real life …

„ICH BIN JOURNALIST UND ICH HABE EINEN PORSCHE!!! ES GIBT WICHTIGERES, DAS IST DOCH TERROR HIER!!!“
Guter Mann, es ist mir scheißegal, wer Du bist und ob Du einen Porsche hast.
Momentan hast Du widerlich bekleckerte Hosen und bist dermaßen stramm, dass Du Dein Fahrrad nichmal sicher durch die Gegend schieben (☝️) kannst.
Natürlich greif ich da ein. Dafür bezahlste mich ja schließlich mit Deinen Steuern.

13 junge Berliner feiern, trinken, rauchen und grillen in einer AirBnB-Wohnung.
„Ja und? Die ältere Generation stirbt doch sowieso bald.
WIR sind die Generation Zukunft.“
Tja, und dann bin ich sehr, sehr laut geworden….

Heute fahre ich das allererste Mal mit einem ganz frischen Kollegen einer anderen Dienstgruppe Funkwagen.
Ich:
„Es mag sein, dass Dich Deine Dienstgruppe bereits vorgewarnt hat, ich wäre ein klein wenig irre und hab vielleicht nen Knall.
Dazu muss ich Dir ganz entschieden und klipp und klar Folgendes sagen….
….Die haben recht.“

Schlaftrunken vom Nachtdienst schaue ich eine Fernsehsendung.
Menschen umarmen sich in voller Freude.
Mein sofortiger Gedanke: DAS GEHT NICHT! HÖRT DOCH BITTE AUF DAMIT!
Mit einem schiefen Lächeln wird mir ja auch sofort klar: Das sind Aufnahmen aus „der Zeit davor“….

Meine Dienststelle.
Wir geben uns nicht die Hand. Wir umarmen uns nicht. Wir geben uns keinen Kuss auf die Wange.
Social Distance funktioniert aber anscheinend trotzdem nicht.
Denn jetzt stehen wir uns gegenüber und….
„Fühl Dich gedrückt!“
„Fühl Dich geknuddelt!“
„Sei Dir sicher, ich drücke Dich gerade so fest, dass Dir die Luft wegbleibt!“
„Hab Dich lieb!“
und….und….und.

Nachhauseweg.
An der Ampel wartet eine Frau. Sie hat eine große Packung Toilettenpapier in ihrer Hand.
Eine andere Frau weist sie darauf hin, dass sie die Packung vielleicht nicht so offen tragen sollte. Schließlich könne sie ja überfallen werden.
Mir gehen zwei Dinge durch den Kopf.
Wie absurd das klingt.
Und wie wenig absurd das tatsächlich ist.

Schließung einer Shisha-Bar.
Ein Gast, weiblich, um die 20 Jahre alt, hustet uns Einsatzkräften beim Verlassen der Lokalität demonstrativ direkt ins Gesicht. Im Weggehen lacht und feixt sie und lässt sich von ihren Freundinnen dafür feiern.
Ich möchte hinterhergehen, ihr sagen, dass die zentimeterdicke Schicht MakeUp ihr hässliches Inneres nicht verdecken kann. Und dass dies auf absehbare Zeit das Einzige sein wird, was ihr noch bleibt.
Aber ich habe zu tun.


Carsten Klindt wuchs an der Nordsee auf und ist ausgebildeter Werbefotograf. Er wohnt seit über 20 Jahren in Berlin, betrieb elf Jahre lang eine Bar in Kreuzberg und arbeitet als freischaffender Fotograf. Der Werbung hat er schon lange den Rücken gekehrt. Neben Fotografie sind Noirs der Filmgeschichte eine Leidenschaft.

Nadja Burkhardt: „Jahrgang 1978, seit 1996 bei der Berliner Polizei. Nach der Ausbildung 4,5 Jahre Hundertschaftsdienst, seither im Schichtdienst als Zweier-Streife aufm Funkwagen. Mittlerweile Polizeikommissarin, nicht in Berlin geboren und aufgewachsen, aber definitiv ein Kind dieser Stadt. Mein Job ist gefährlich, nervenaufreibend und stressig. Und ich liebe ihn.“